Laborfleisch bald auch in Europa? In-Vitro-Fleisch im Fokus

    Laborfleisch auf der Speisekarte:In-Vitro-Fleisch bald auch in Deutschland?

    von Michael Wiedemann
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    In den USA wird nun im Labor gezüchtetes Fleisch in Restaurants angeboten. Steht Fleisch aus dem Bioreaktor vor dem Durchbruch? Warum es noch nicht in der EU auf dem Teller landet.

    Gezüchtetes Fleisch in einer Petrischale
    2013 gab es den ersten Burger aus Rinder-Laborfleisch. In den USA ist jetzt Hähnchenfleisch aus der Proteinschale zum Verkauf zugelassen.
    Quelle: colourbox

    Es war kaum ein Monat vergangen, dass das US-Agrarministerium Hähnchenfleisch, das im Labor gezüchtet wurde, erstmalig zum Verkauf zugelassen hatte. Und schon bieten zwei Sterneköche in Washington D.C. und San Francisco dieses im Bioreaktor erzeugte Fleisch ihren Gästen an. Ab August werden die Produkte der US-Start-up-Firmen "Eat Just" und "Upside Foods", wenn auch nur in überschaubarer Menge, Speisen in Menüs sein, die diese Restaurants offerieren.
    Grafik: Mai Thi Nguyen Kim mit Laborburger
    2013 machte der erste Laborburger Schlagzeilen. Seitdem haben sich die Fleischqualität verbessert und die Herstellungskosten reduziert. Und wann wird künstlich hergestelltes Fleisch auf unseren Tellern landen? Mai Thi Nguyen Kim mit einem Überblick.17.10.2018 | 6:41 min

    Laborfleisch: China, Israel und Niederlande arbeiten bereits daran

    Und damit sind die USA noch nicht einmal die ersten, die Laborfleisch verkaufbar machen. Singapur hatte das schon 2020 erlaubt. China und Israel arbeiten intensiv daran. Und auch die Niederlande.
    Hier findet sich im grenznahen Maastricht das erste europäische Start-up für Laborfleisch, Mosa Meat. Dessen wissenschaftlicher Chef, Mark Post, ist Physiologie-Professor an der Maastricht Universität und hatte 2013 den weltweit ersten Hamburger aus Rinder-Laborfleisch hergestellt; bemerkenswerte 250.000 Dollar teuer.
    Zwei Schweine stehen am 10.07.2017 in Gut Lanke (Brandenburg) auf einem Ökohof
    Deutschland ist ein Fleischland: Über 90 Prozent der Deutschen essen mindestens gelegentlich Fleisch. und die allermeisten wollen wissen, wie und wo es gelebt hat.04.07.2023 | 7:02 min

    Hohe Hürden für Fleisch aus dem Labor in der EU

    Seitdem arbeitet Post mit einem Team von Wissenschaftlern daran, auch in Europa Laborfleisch für den Verbraucher verfügbar zu machen. Aber die Hürden dafür sind in der EU deutlich höher als in den USA:

    Die meisten Unternehmen nutzen für die Produktentwicklung Gentechnologie, was eine Zulassung in der EU erheblich erschwert.

    Mark Post, Professor für Gefäßphysiologie an der Universität Maastricht, Mit-Gründer von Mosa Meat

    "Darüber hinaus ist das EU-Zulassungsprozedere doppelt so lang wie anderswo", erklärt Post. "Das hält Unternehmen davon ab, Genehmigungen hier zu beantragen."

    Bürokratie gefährdet Standort
    :Warum bremst sich Deutschland selbst aus?

    Starre Strukturen in der Bürokratie und schleppende Digitalisierung: Fehlende Innovationen bremsen Deutschland aus. Europas Süden zeigt uns, wie es besser gehen kann.
    von Philipp Katzer und Anja Kollruß
    Christian Sievers am Brandenburger Tor.
    mit Video

    In-Vitro-Fleisch: Höhere Risikobereitschaft in den USA

    Ein weiterer, wichtiger Grund, warum Firmen in den USA mittlerweile in Sachen Laborfleisch die Nase vorne haben, hängt mit der dort existierenden, deutlich höheren Risikobereitschaft in Innovationen zu investieren, zusammen. Und das hat Folgen:

    Wenn es darum geht, die Technologie im großen Maßstab anzuwenden, sind wir etwas langsamer, was vor allem an der höheren Verfügbarkeit von Investitionsgeldern in den USA liegt.

    Mark Post, Professor für Gefäßphysiologie an der Universität Maastricht, Mit-Gründer von Mosa Meat

    Fleisch aus dem Labor
    Woher kommt der Mordshunger auf Fleisch, und kann künstliches Laborfleisch diesen stillen?04.01.2023 | 5:58 min

    Drei Milliarden Dollar für Laborfleisch-Start-ups

    Rund drei Milliarden US-Dollar wurden von 2016 bis 2022 weltweit in mehr als 150 Start-ups gesteckt, die sich mit Laborfleisch beschäftigen. Für Experten deutlich zu wenig, wenn es das Ziel sein soll, Fleisch aus Massentierhaltung in der Ernährung durch Laborfleisch zu ersetzen.
    Um aus einem Nischenprodukt schließlich ein im Supermarkt erhältliches, preislich konkurrenzfähiges Lebensmittel zu machen, bedarf es Großanlagen und Produktionsabläufe, die nachhaltig auch im großen Stil funktionieren.
    Achtung, Essen! Fleisch
    Die Fleischproduktion hat einen hohen Preis: Tiere sterben und das Klima wird belastet. Immer mehr Menschen essen vegetarisch oder vegan. Sind Fleischesser ein Auslaufmodell?26.10.2021 | 38:27 min

    Künstliches Fleisch braucht teure Nährflüssigkeit

    Beispielweise wenn es um die notwendige Nährflüssigkeit für die Proteinzellen im Bioreaktor geht. Meistens beinhalten diese Lösungen auch ein Serum, das sehr teuer ist, nicht massenhaft zur Verfügung steht und dessen Gewinnung ethische Fragen aufwirft, werden doch dafür Tierembryonen getötet.
    Für den Wissenschaftler und Unternehmer Mark Post bedeutete die Entwicklung einer Alternative Jahre der Forschung und Entwicklung. Bis Anfang vergangenen Jahres seine Firma endlich einen Durchbruch vermelden konnte:

    Wir verwenden pflanzliche Inhaltsstoffe und eine Handvoll rekombinanter Proteine. Die Vorteile bestehen darin, dass es skalierbar, besser für die Umwelt und die Tiere und kostengünstiger ist.

    Mark Post, Professor für Gefäßphysiologie an der Universität Maastricht, Mit-Gründer von Mosa Meat

    Es gibt dafür unterschiedliche Techniken. Allen gemeinsam ist, dass heutzutage eigentlich keine Tiere mehr dafür sterben müssen.

    Zunächst wird einem lebenden oder toten Tier - wie bei einer Biopsie - Gewebe entnommen. Dieses enthält Stammzellen, die vermehrt werden. Dazu kommen sie in eine Nährlösung, die mittlerweile nicht mehr zwingend Embryonenserum beinhalten muss. In einem sogenannten Bioreaktor (Stahltanks) vermehren sich die Zellen bei rund 37 Grad zwei bis drei Wochen lang. In dieser Zeit entwickelt sich Muskelgewebe, das mit Hilfe einer Art "Gerüst" schichtweise zu Fleisch zusammenwächst. Ähnlich werden auch Fettzellen erzeugt, die für den Geschmack des Fleisches wichtig sind.

    Fleischverzehr CC
    Brauchen wir Menschen Fleisch für eine ausgewogene Ernährung? Unsere Vorfahren, die Vor- und Frühmenschen, waren überwiegend Fruchtfresser. Heute isst der Deutsche etwa 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Viel zu viel, finden Kritiker.01.03.2021 | 1:29 min

    Wie nachhaltig ist Fleisch aus dem Labor?

    "Besser für die Umwelt" ist nicht ganz unwichtig für einen zukünftigen Erfolg von Laborfleisch. Schließlich argumentieren Befürworter dieser Technik nicht nur mit dem Tierwohl, sondern auch mit der deutlich niedrigeren Umweltbelastung von Laborfleisch.
    Eine aktuelle Analyse von CE-Delft, einem niederländischen Forschungsinstitut für Fragen der Nachhaltigkeit, ermittelte, dass Laborfleisch, das unter besten Bedingungen - inklusive der Nutzung von grüner Energie - produziert wird, eine sieben bis achtfache Reduzierung der Umweltbelastung (CO2, Wasser, Feinstaub, Landnutzung etc.) aufweist.
    Für Post ist das keine Zukunftsmusik mehr. Auf die Frage, wann die Industrie denn wirklich nachhaltiges Laborfleisch erzeugen kann, antwortet der Wissenschaftler: "Ziemlich bald, denke ich, wahrscheinlich innerhalb von drei Jahren."
    Michael Wiedemann ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
    BBQ
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