Bau von Nistplätzen: Warum Vögel in Wohnungsnot geraten

    Bau von Nistplätzen:Warum Vögel in Wohnungsnot geraten

    Christine Elsner
    von Christine Elsner
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    Die Balzzeit der Vögel hat begonnen, der Nestbau steht unmittelbar bevor. Doch einigen Arten fehlen geeignete Brutplätze. Denn ihr natürlicher Lebensraum wird zunehmend zerstört.

    Der Haussperling wird auch Spatz genannt.
    Arten wie der Haussperling - auch Spatz genannt - haben immer öfter Schwierigkeiten, ausreichende geeignete Möglichkeiten zur Brut zu finden.
    Quelle: Nicolas Armer/dpa

    Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen und in der Vogelwelt herrscht rege Partnersuche. Und um den Nachwuchs groß zu ziehen, brauchen die Tiere schnellstmöglich ein neues Nest. Doch die Suche danach ist immer häufiger vergeblich.
    Die Ornithologin Angelika Nelson vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz Bayern (LBV) stellt fest:

    Nistplätze sind rar, da geeignete Hecken und Sträucher heimischer Pflanzen in vielen Gärten fehlen und es ebenso an alten Bäumen oder Totholz, in dem Höhlen und Spalten durch Spechte oder Zersetzung des Holzes entstehen, mangelt.

    Angelika Nelson, Ornithologin

    Rote Liste offenbart ernüchternde Zahlen

    Nach Angaben des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Radolfzell sind über die Hälfte der 259 dauerhaft in Deutschland brütenden Vogelarten gefährdet. 14 von ihnen sind bislang ausgestorben, sechs weitere werden voraussichtlich in der nächsten Roten Liste als 'nicht mehr vorkommend' aufgelistet.
    Es droht ein Aussterben von Brutvogelarten in bislang unbekanntem Ausmaß. Wissenschaftler und Vogelschützer fordern deswegen einen nationalen Rettungsplan.
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    Ursachen für Wohnungsmangel bei Vögeln

    Die intensive landwirtschaftliche Nutzung erschwert den Bau von Nistplätzen. Auf den offenen Flächen fehlen ausreichend Sträucher und Hecken. Zudem werden alte Gemäuer mit Ritzen und Nischen immer seltener. Im Zuge des Baubooms entstehen kompakte Betongebäude mit modernen Dachkonstruktionen.

    An Gebäuden finden Vögel wie Haussperling oder Hausrotschwanz nur wenige ungestörte Ecken zum Brüten.

    Angelika Nelson, Landesbund für Vogel- und Naturschutz e.V.

    Und auch die wegen der Energiewende geforderte energetische Gebäudesanierung hat Folgen für die Brutquartiere. So verschwinden etwa Nischen in Fassaden, Fenstersimsen, Dachfirsten und Mauerverblendungen. Funktionelle Ersatzmaßnahmen werden seitens der Naturschutzbehörden nur selten angeordnet. Dabei stellt es einen klaren Verstoß gegen deutsche und europäische Naturschutzgesetze dar, wenn Ruhe- und Fortpflanzungsstätten beeinträchtigt oder zerstört werden.
    In Deutschland gelten mehr als 37 Prozent der Tier- und Pflanzenarten als gefährdet. Wie die Weltnaturschutzkonferenz dagegen angehen will:

    Wie den Tieren geholfen werden kann

    "Wenn Vögel keine Nistplätze finden, verlassen sie den Lebensraum und suchen nach Alternativen", merkt Nelson vom LBV an. So ist beispielsweise das Anlegen von Hecken und Sträuchern - bestehend aus heimischen Pflanzenarten - eine wichtige Maßnahme. Darin könnten Amseln, Rotkehlchen und Zaunkönige ihr Nest bauen und ihre Jungen aufziehen.



    Zudem ist das Anbringen von Nistkästen an Hauswänden, in Baumkronen und an Baumstämmen eine notwendige Maßnahme, um dem Bestandsrückgang entgegenzuwirken. Eine Art "Ersatzwohnung" also. Im Bundesamt für Naturschutz (BfN) weiß man um deren Wirkung:

    Ein gutes Beispiel hierfür ist der Steinkauz, dessen Bestände in weiten Teilen Deutschlands wieder zugenommen haben, weil im Rahmen eines intensiven Schutzprogramms viele künstliche Nisthöhlen angebracht wurden.

    Sabine Riewenherm, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz

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    Christine Elsner ist Redakteurin der ZDF-Umweltredaktion.

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