WM-Abfahrt - Dreßen: Mit Gefühl durch die "Finsternis"

    Ski-WM: Abfahrts-König gesucht:Dreßen: Mit Gefühl durch die "Finsternis"

    von Elisabeth Schlammerl
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    Am Sonntag geht es bei der Alpinen Ski-WM in der Königsdisziplin Abfahrt um Gold. Thomas Dreßen ist die Strecke auf den Leib geschneidert.

    Ski Alpin, Weltmeisterschaft, Training, Abfahrt der Herren: Skifahrer Thomas Dreßen (Deutschland) steht bei der Besichtigung auf der Strecke
    Welche Richtung braucht's vor dem Sprung? Thomas Dreßen wählt markante Punkte am Streckenrand als Orientierung.
    Quelle: Michael Kappeler/dpa

    Für Thomas Dreßen ist die WM-Abfahrt in Courchevel Neuland. Die Premiere beim Weltcup-Finale im vergangenen März hatte er wegen seiner Knieverletzung verpasst. "Das ist schon ein Nachteil", gibt er zu:

    Diejenigen, die im Finale schon hier waren, kennen die Grundcharakteristik der Strecke. Ich muss sie erst entschlüsseln.

    Thomas Dreßen

    Der erfolgreichste deutsche Abfahrer im Weltcup hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er mit neuen Strecken gut zurechtkommt. Zum letzten Mal war für ihn in Saalbach im Februar 2020 eine Abfahrt neu gewesen - gewonnen hatte er trotzdem.

    Alles im Fluss für Dreßen

    Wobei: Diese WM-Abfahrt mit einem im Durchschnitt extremeren Gefälle als die berühmt-berüchtigte Streif in Kitzbühel hat es in sich. Sie trägt nicht umsonst den Namen "L‘Eclipse", die Finsternis.
    So furchterregend fand Dreßen die 3.100 Meter lange Piste aber bei der ersten Begegnung dann doch nicht. "Sie hat einen richtigen coolen Fluss. Es gibt Passagen, die man nicht mit zu viel Risiko angehen darf, aber das ist ja gerade meine Stärke."

    Da kann ich mein Gefühl ausspielen.

    Thomas Dreßen

    Erstes Training mit Fleecejacke und Überhose

    Seinen Plan, sich schon im ersten Training die Strecke zu erschließen, hat ein Magen-Darm-Infekt ein wenig durchkreuzt. Zudem hatte er sich bei einem Sturz im Training im Aostatal in der vergangenen Woche das rechte, mehrmals operierte Knie geprellt.

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    Zwei Tage verbrachte er im Bett, ehe Dreßen am Mittwoch körperlich geschwächt in Überhose und mit einer Fleecejacke statt im Rennanzug doch zum Training in Courchevel antrat. Verzichten wollte er nicht, "denn jede Trainingsfahrt mehr auf einer neuen Strecke tut mir gut".

    Dreßen: "Ganz gutes Gespür für die Strecke"

    Selbst mit reduziertem Tempo. Rund sieben Sekunden war er langsamer als der Schnellste, Aleksander Aamodt Kilde aus Norwegen. Trotz der etwas gemütlicheren Fahrt habe er "schon ein ganz gutes Gespür für die Strecke", sagte Dreßen. Und das Wichtigste: Das Knie hat keine Probleme bereitet.
    Nach dem dritten Training am Samstag war es dann klar: Dreßen kann starten. Als Neunter war er bester Deutscher. Den letzten Startplatz erhielt Josef Ferstl. Zuvor hatten sich die Verantwortlichen um Schwaiger bereits für den WM-Zweiten von 2021, Andreas Sander, und Romed Baumann entschieden. Simon Jocher und Dominik Schwaiger hatten somit das Nachsehen. 

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    Kein Blick für den Mont Blanc

    Laut Cheftrainer Christian Schwaiger ist die Abfahrts-Strecke in Courchevel "prädestiniert" für Dreßen. Nach dem Start nehmen die Athleten schnell Tempo auf, rasen in hoher Geschwindigkeit auf die erste Kurve zu. Nach knapp 20 Fahrsekunden kommt als erste Herausforderung ein Sprung. Für die atemberaubende Kulisse mit dem Mont Blanc in der Ferne dürften die Athleten allerdings keinen Blick haben.
    Die nächste Schlüsselstelle ist eine S-Kurve. Von dort geht es auf den "Jockey-Sprung" zu, der bis zu 50 Meter weit gehen kann. Bei Sprüngen überlegt sich Dreßen immer schon bei der ersten Besichtigung, "welche Richtung brauche ich da" - und sucht sich in der Verlängerung dieser Linie einen Baum oder Berggipfel als Orientierung.

    Läufer klagen über Licht-Schatten-Wechsel

    Anschließend wird es dunkel, die Abfahrer verschwinden in hoher Geschwindigkeit in "Le Trou Noir", im schwarzen Loch. Selbst auf der riesigen Leinwand unten im Ziel sind die Athleten in dieser schattigen Passage nur schwer zu erkennen.

    Diese Abfahrt wird ein gnadenloses Gemetzel.

    Cheftrainer Christian Schwaiger

    Viele Läufer klagten beim Super-G über die Licht-Schatten-Wechsel, Dreßen hingegen habe "mit der Sicht überhaupt keine Probleme gehabt".
    Danach fahren die Athleten auf die "Mauer" zu, jene Passage mit dem größten Gefälle - es liegt bei 58 Prozent. Auf dem Weg ins Ziel müssen sie nun noch "Le Saut des Braves", den "Sprung der Mutigen", überstehen. "Diese Abfahrt", sagt Cheftrainer Schwaiger, "wird ein gnadenloses Gemetzel. Da gilt nur hopp oder top."

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