Spitzensport in Deutschland: Es fehlen Anerkennung und Geld

    Spitzensport in Deutschland:Judo-Bundestrainer: Es mangelt an Anerkennung

    von Susanne Rohlfing
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    International erfolgreiche Athleten brauchen kompetente und engagierte Trainer. Aber wenn es für die einen wie die anderen nicht genug Unterstützung gibt, leidet die Erfolgsbilanz.

    Spitzensport
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    Bei den Olympischen Spielen 1988 gewannen deutsche Sportlerinnen und Sportler zusammen 142 Medaillen. 40 für die BRD und 102 für die DDR. Es war das Jahr, in dem Eiskunstläuferin Katarina Witt Gold holte, auch Boxer Henry Maske wurde damals Olympiasieger. Aus der BRD gewannen etwa Fechter Arnd Schmitt und Schwimmer Michael Groß Gold.
    Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio holten deutsche Athletinnen und Athleten 36 Medaillen.
    In der Leichtathletik ist der Negativtrend in den Erfolgsbilanzen des deutschen Spitzensports noch deutlicher: Bei der WM im vergangenen Jahr in Budapest ging das deutsche Team leer aus - zum ersten Mal überhaupt bei Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Wo ist es also hin, das Knowhow im deutschen Spitzensport? Wo ist die Leidenschaft? Die Begeisterung? Der unbedingte Wille zum Erfolg?

    Leichtathletik-Verband
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    Leichtathletik-Bundestrainerin Annett Stein.

    Im Spitzensport fehlen Förderungen

    Es ist schwieriger geworden, international erfolgreich zu sein. Die Weltspitze ist breiter denn je, immer mehr Nationen mischen ganz oben mit. Das ist das eine. Aber es ist offenbar auch schwieriger geworden, in Deutschland Spitzensportler oder Spitzentrainer zu sein.
    Athleten beklagen immer wieder einen Mangel an finanzieller wie emotionaler Anerkennung. Sie üben sich mühsam im Spagat zwischen sportlicher und beruflicher Karriere, kratzen jeden Cent zusammen aus verschiedenen Fördertöpfen. Und wenn sie dann Spikes oder Paddel zur Seite legen, haben sie vielleicht ein paar Medaillen in der Vitrine, aber keine Rentenpunkte gesammelt. Andere im selben Alter haben im Job einen riesen Karrierevorsprung.
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    Spitzentrainer: Überstunden und geringe Entlohnung

    Und die Trainer? Sie brauchen in Deutschland ein unerschöpfliches Reservoir an intrinsischer Motivation. Denn gesellschaftliche Anerkennung genießt ihr Job kaum. Und die Entlohnung entspricht in aller Regel und abseits des Fußballs nicht dem Aufwand.
    Lorenz Trautmann, seit sieben Jahren U21-Bundestrainer der deutschen Judo-Frauen, erklärt in der sportstudio-Reportage "Steht Deutschlands Spitzensport am Abgrund?", dass er sechs bis sieben Tage, manchmal bis zu 60 Stunden pro Woche arbeite. "Ich kann nicht einfach Dienst nach Vorschrift machen", sagt er. Das lasse sich nicht mit dem Willen, konkurrenzfähig zu sein und Erfolg zu haben, vereinbaren.
    Laut einer Umfrage des Berufsverbandes verdienen Bundestrainerinnen und -trainer der olympischen Sportarten in Deutschland durchschnittlich 4000 Euro brutto im Monat. Rund 30 Prozent hätten befristete Verträge und über 80 Prozent machten regelmäßig Überstunden. Gleichzeitig sei der Erfolgsdruck vonseiten der Geldgeber, also Innenministerium und Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB), extrem hoch, sagt Trautmann:

    Wir können uns nicht erlauben, jedes zweite Jahr ohne Medaillen nach Hause zu kommen.

    Lorenz Trautmann

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    Bob Hanning schaut nach vorne.
    Er liebe, was er tue, aber: "Der Beruf Trainer wird in Deutschland immer mit so ein bisschen Kinder bespaßen in Verbindung gebracht", erzählt Trautmann. Wenn er sage, er sei Trainer, höre er oft die Frage: "Ist das sein Beruf?" Trautmann ist überzeugt, dass mit mehr Anerkennung für den Job, sowohl finanziell als auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, mehr Athleten dafür gewonnen werden könnten, ihre Erfahrungen und ihr Knowhow später als Trainer weiterzugeben.

    Spitzentrainer suchen Anerkennung im Ausland

    Aktuell wählen viele lieber einen Beruf, in dem sie mehr Geld verdienen können. Oder gehen ins Ausland. Allein vier ehemalige Gewinner von olympischen Medaillen im Judo arbeiten anderswo als Trainer. Der indische Speerwurf-Olympiasieger wird von einem Deutschen gecoacht. Kanu-Olympiasieger Andreas Dittmar arbeitet in Kanada. Um nur einige Beispiele zu nennen.
    Ronald Rauhe, einer der erfolgreichsten deutschen Kanuten, hat nach den Spielen von Tokio seine Karriere beendet. Trainer wollte er bewusst nicht werden. "Ich habe 25 Jahre lang miterlebt, wie Trainer behandelt werden", sagt der 42-Jährige, "und ich finde das nicht richtig". Von seinem enormen Wissen über den Kanusport und die Wege zum Erfolg wird der deutsche Nachwuchs also kaum profitieren.

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