Linken-Chef Schirdewan fordert Verbot von Privatjets

    Linken-Chef :Schirdewan fordert Verbot von Privatjets

    von Andrea Maurer
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    Noch nie sind so viele Privatjets gestartet wie im Jahr 2022. Oft für kürzeste Strecken, aber mit maximaler Belastung für das Klima. Linken-Chef Schirdewan fordert nun ein Verbot.

    Berlin: Martin Schirdewan, Vorsitzender der Partei Die Linke
    "Die Klimakatastrophe ist real", sagt Martin Schirdewan, Vorsitzender der Partei Die Linke.
    Quelle: dpa

    Mit dem Privatjet von Hamburg nach Sylt, 50 Minuten, geschätzt 2,88 Tonnen CO2 pro Strecke, 508-mal geflogen im letzten Jahr: Linken-Chef Martin Schirdewan führt im Interview mit ZDFheute diese Strecke an, um das Verbot von Privatjets zu fordern.
    "Das ist eine Strecke, die man locker mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen kann - und die doch besonders oft geflogen wird, weil Sylt eben auch ein beliebter Ausflugsort von Prominenten und von Superreichen ist."

    Diese Strecke steht für mich symbolisch dafür, dass wir generell etwas ändern müssen, wenn wir Klimaschutz effektiv voranbringen wollen.

    Linken-Chef Martin Schirdewan

    Verbotsdebatte wie in Frankreich

    Es geht um die immer öfter diskutierte Frage, ob der Staat in Lebensstile mit Verboten eingreifen muss, um den Klimaschutz voranzutreiben. Ja, sagt Schirdewan, "die Klimakatastrophe ist real, und wir müssen uns den politischen Antworten stellen. Und diese Antworten werden drastisch sein müssen, und auch radikal".
    Als Vorbild dient Schirdewan Frankreich, wo im letzten Jahr eine heftige Verbots-Debatte entbrannt ist über die Klimasünde "Privatjet". Auch der französische Transportminister Clément Beaune - ein enger Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron - meldete sich zu Wort: "Ich denke, wir müssen handeln und die Privatjet-Flüge regulieren", sagte er im August 2022. Er hatte dabei vor allem ein Regelwerk auf europäischer Ebene im Blick. Passiert ist seither nicht viel.
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    Forscher: Privatflüge besonders CO2-intensiv

    Wissenschaftler bemängeln, dass Klimapolitik privaten Flugverkehr bisher ausklammert. "Wir müssen globale Emissionen halbieren. Es geht darum, dass dort, wo wenige Menschen besonders viel emittieren, jetzt das meiste eingespart wird innerhalb kürzester Zeit. Da sind wir dann schnell beim privaten Flugverkehr, der zur CO2-intensivsten Form menschlicher Aktivitäten gehört", sagt der Klimaforscher Stefan Gössling zu ZDFheute.

    Ein Privatflugzeug kann schon mit sechs Stunden Flugzeit so viel emittieren wie ein Durchschnittsmensch in einem ganzen Jahr.

    Klimaforscher Stefan Gössling

    • Die Pro-Kopf-Co2-Emissionen bei Privatflügen sind schnell um das 80-Fache höher als bei einem Linienflug. Denn sie fliegen oft kurz und mit wenigen Passagieren. Fakt ist: die CO2-Bilanz von Flugzeugen verbessert sich in der Regel je weiter sie fliegen beziehungsweise je seltener sie starten und landen. Bei Starts und Landungen sind die Emissionen besonders hoch.
    • 2022 waren etwa 60 Prozent der Privatjet-Strecken kürzer als 300 Kilometer.
    • 2022 wurden an deutschen Flughäfen 94.317 Starts mit privaten Flugzeugen registriert, 2019 waren es noch 85.439 Starts.

    EU und Bundesregierung halten an Ausnahmen fest

    Gerade auf EU-Ebene werde nicht hart genug durchgegriffen, sagt Martin Schirdewan, der auch Europaabgeordneter ist. Kleinere Privatjets sind vom Emissionshandel der EU ausgenommen: Wer privat eine Maschine nutzt, darf bis zu 1.000 Tonnen CO2 kostenfrei ausstoßen. Bei gewerblichen Betreibern liegt die Grenze sogar bei 10.000 Tonnen.
    Wie ist die Position der Bundesregierung zu diesen Ausnahmen? Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Vizekanzler Robert Habeck verweist an das Verkehrsministerium von Volker Wissing.
    Das Verkehrsministerium antwortet ZDFheute: "Rat und Parlament haben sich am 6.12.2022 geeinigt, dass die Ausnahmeregelungen bestehen bleiben. Die Federführung für die Überarbeitung des Emissionshandels für den Bereich des Luftverkehrs lag beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz."
    Man halte aber, so der Sprecher des Verkehrsministeriums weiter, diese Ausnahmen für gerechtfertigt, weil "sie die betroffenen Betreiber von Luftfahrtzeugen nicht überproportional zu den von ihnen verursachten Emissionen belasten".

    Unser Anspruch ist, Deutschland zum Vorreiter des CO2-neutralen Fliegens und damit Überlegungen für ein Verbot von Flügen in Privatjets entbehrlich zu machen.

    Sprecher des Verkehrsministeriums

    Verband GBAA warnt vor Neiddebatte

    "Verbotsdebatten bringen uns nicht weiter" sagt auch Andreas Mundsinger, der Hauptgeschäftsführer des Verbands German Business Aviation Association (GBAA) zu ZDFheute. Mundsinger vertritt die Interessen der Geschäftsflieger: "Wir hätten nichts dagegen, wenn der Emissionshandel bereits bei der ersten Tonne beginnt. Und unsere Mitglieder würden sich auch nicht dagegen wehren, künftig pauschal besteuert zu werden."
    Mundsinger warnt vor einer Neiddebatte und führt an, dass ein generelles Verbot der Geschäftsfliegerei massive Folgen für den Mittelstand haben könnte:

    Für die Mittelständler ist das Fliegen klares Mittel zum Zweck, um von A nach B zu kommen. Reisezeiten am Boden sind lang. Und sobald es rausgeht in die Fläche, ist mit der Bahn nichts mehr schnell erreichbar.

    Andreas Mundsinger, GBAA-Geschäftsführer

    Schirdewan: "Klima kann sich die Reichen nicht leisten"

    Linken-Chef Schirdewan sieht das anders: Linienflüge und öffentlicher Nahverkehr müssen reichen. Er versucht, mit der Verbotsforderung seiner 4,9-Prozent-Partei nochmal mehr Profil zu verleihen: radikaler Klimaschutz, radikaler Antikapitalismus. "Das Klima kann sich die Reichen nicht mehr leisten", sagt Schirdewan und verweist darauf, dass allein in Deutschland 134 Milliardärinnen und Milliardäre mehr als die Hälfte aller Emissionen pro Jahr verbrauchen.
    Klimaforschung
    Wie CO2 den Treibhauseffekt verursacht und wie man das nachweisen kann.18.10.2019 | 3:38 min
    Schirdewans Forderung kann als politisches Angebot auch an die Bewegung von Klimaaktivisten verstanden werden: Wir wollen die Partei sein, die Eure Interessen vertritt. Während sich in Frankreich der Parteichef der Grünen Julien Bayou für ein Verbot von Privatjets aussprach, gibt es in Deutschland für ein Privatjet-Verbot bisher keine politische Lobby - die deutschen Grünen meiden das Thema.
    "Die selbsterklärte Fortschrittskoalition ist eine Blockade-Koalition", sagt Schirdewan. "Ob da jetzt ein grüner Vizekanzler ist oder nicht, spielt irgendwie keine Rolle. Die Klimakatastrophe lässt aber nicht auf sich warten."
    Andrea Maurer ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio

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