Der Mittelstand sorgt sich um die Zukunft in Deutschland

    Erste Betriebe gehen ins Ausland:Mittelstand besorgt um Zukunft in Deutschland

    Frank Bethmann
    von Frank Bethmann
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    Mittelständler sind unzufrieden mit der Politik der Regierung. Viele Probleme seien "hausgemacht". Fünf Minister stellen sich beim Zukunftstag des Mittelstandes nun dem Unmut.

    Ein Mitarbeiter der Dürr AG montiert in Bietigheim-Bissingen (Baden-Württemberg) einen Lackierroboter. Archivbild
    Mittelständler in Deutschland sorgen sich vor der Zukunkft. (Symbolbild)
    Quelle: pa/dpa-Bildfunk

    Die Stimmung ist aufgeladen. Nie zuvor war die Mehrheit der Mittelständler so unzufrieden. Das wirtschaftliche Überleben am Standort Deutschland werde immer schwieriger, sagt Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des BVMW.
    Wenn sein Branchenverband heute zum Zukunftstag des Mittelstandes einlädt, treffen rund 5.000 Unternehmer auf fünf Bundesminister, von Habeck bis Lindner. Was von ihnen erwartet wird, macht Völz bereits im Vorfeld unmissverständlich klar: Keine Sonntagsreden, sondern das Abarbeiten hausgemachter Probleme:

    Eine Entlastung beim Bürokratieaufwand, Energiekosten und Unternehmenssteuern liegen in der Verantwortung der Bundesregierung. Hier hat sie bislang nicht geliefert, was sie im Koalitionsvertrag versprochen hat.

    Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des BVMW

    Im Gegenteil, der Ökonom nimmt kein Blatt vor den Mund: "Die Kosten steigen an allen Fronten und ein Ende ist nicht absehbar."

    Mittelstand immer noch Rückgrat der deutschen Wirtschaft

    Die Zeichen stehen also auf Gegenwind. Früher war das anders. Solche Mittelstands-Events galten als Wellnessveranstaltungen für Spitzenpolitiker. Mit Kritik war eher selten zu rechnen. Die Wirtschaft brummte, nicht zuletzt, weil die zahlreichen kleinen und mittelständischen Firmen - vom Handwerksbetrieb bis zum Industriezulieferer - gut im Geschäft waren. Und jeder geladene Wirtschaftsminister wusste um ihre Bedeutung.
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    Der Mittelstand, das viel zitierte Rückgrat der deutschen Wirtschaft steht bis heute für rund 3,5 Millionen Unternehmen. Weit über die Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten finden dort Arbeit, wie auch 70 Prozent aller Auszubildenden. Und nicht zuletzt stehen hinter Hunderten sogenannter heimlicher Weltmarktführer deutsche Mittelständler.

    Dauerkrisenmodus: Noch niemals da gewesene Herausforderungen

    Derzeit gibt es jedoch alarmierende Symptome. Weniger Unternehmen werden neu gegründet, mehr müssen die Segel streichen. Dass der Mittelstand in Deutschland aber extrem bedroht sei, diese Ansicht teilt Hans-Jürgen Wolter vom Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM) nicht.
    Wolter, der sich als Projektleiter bereits seit Jahrzehnten wissenschaftlich intensiv mit der Situation des Mittelstandes beschäftigt, sagt: "Die mittelständischen Unternehmen haben in der Vergangenheit in Krisensituationen immer wieder gezeigt, wie anpassungsfähig sie sind."
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    Allerdings streitet auch Wolter mit Blick auf die zahlreichen Probleme nicht ab, dass sich der Mittelstand in Deutschland "aktuell mehr oder minder im Dauerkrisenmodus" befindet. Oder wie es Völz formuliert:

    Alles zusammen stellt die Unternehmen vor noch niemals da gewesene Herausforderungen.

    Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des BVMW

    Hochsteuerland Deutschland: Erste Hersteller verlagern ins Ausland

    Immer wieder am Pranger sind die hohen Unternehmenssteuern. Neueste Untersuchungen belegen: Deutschland ist ein Hochsteuerland. Das Wachstumschancengesetz, welches die Ampel-Regierung auf den Weg gebracht hat, reicht als Ausgleich offenbar nicht. Die Entlastungen für Betriebe seien zu gering, sagen Experten.
    Und die Unternehmen warten nicht mehr länger, sie handeln. Der Motorsägenhersteller Stihl fertigt nach eigener Aussage im Hochlohnland Schweiz seit Jahren kostengünstiger als in Deutschland. Und denkt nun sogar laut darüber nach, ein hierzulande geplantes Werk lieber in der Alpenrepublik zu bauen - trotz der dort höheren Löhne. Auch der Hausgerätehersteller Miele hat den Abbau von Jobs sowie die Verlagerungen von 700 Stellen ins Ausland bekannt gegeben. Ernste Alarmzeichen.

    Mehrheit der Betriebe hält am Standort fest - wie lange noch?

    Die Anzahl der Unternehmen, die angaben, neue Standorte im Ausland aufbauen zu wollen, sei tatsächlich gestiegen, verweist Wolter auf eine aktuelle Befragung seines Instituts. Die Mehrheit der kontaktierten Betriebe ziehe aber eine Verlagerung ins Ausland nicht in Erwägung, so der Wissenschaftler weiter.
    Vielleicht noch nicht? Völz jedenfalls sieht einen klaren Trend. Längst seien es nicht mehr nur die Großkonzerne, die dem Standort wegen der schlechten Rahmenbedingungen und der bescheidenen Renditeaussichten den Rücken kehren. "Viele Mittelständler insbesondere des produzierenden Gewerbes tun es ihnen gleich - schlicht und einfach, um ihre Existenz zu sichern."

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