Der deutsche LNG-Hunger trifft die ärmeren Länder, viele können sich verflüssigtes Erdgas zu den aktuellen Weltmarkt-Preisen nicht mehr leisten. Die Auswirkungen sind gravierend.
Deutschland steckt in einem Gas-Dilemma. LNG, verflüssigtes Erdgas, soll den Wegfall der russischen Lieferungen ausgleichen. Doch die Pläne der Bundesregierung sind teuer und klimaschädlich.
Deutschland kauft im Rekordtempo Flüssiggas aus aller Welt - eine schnelle Lösung nach dem Wegfall russischer Gaslieferungen. Doch der LNG-Hunger treibt weltweit die Preise nach oben. Und das geht auf Kosten von Schwellenländern.
Pakistan steckt seit Jahren in einer Energiekrise, deshalb setzte die Regierung auf LNG. Das wird über zwei schwimmende Terminalschiffe im Hafen Qasim von Karatschi importiert. Seit 2015 liefern dort Tankschiffe das verflüssigte Erdgas an.
Da aus Russland kein Gas mehr kommt, will Deutschland verflüssigtes Erdgas importieren. Brunsbüttel ist nun der dritte Hafen, wo es hierfür ein LNG-Terminal gibt.
Pakistan von LNG abhängig
Mangels Pipelineanbindung in die Nachbarländer kann nur über die Terminalschiffe Gas ins Land gelangen. So werden 35 Prozent des nationalen Gasbedarfs gedeckt. Die natürlichen Gas- und Ölvorkommen in Pakistan gehen langsam zur Neige und die Förderung reicht nicht für die Energieversorgung.
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Doch seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und seitdem Präsident Wladimir Putin kein Gas mehr nach Deutschland liefert, dominieren neue starke Player den internationalen LNG-Markt: Die Nachfrage Deutschlands und Europas ließ im Sommer 2022 den Weltmarktpreis explodieren.
Grafiken- Warum das Gas teuer bleiben wird
Der Gaspreis ist gesunken, doch die Krise ist noch lange nicht vorbei. Warum sich Verbraucher im kommenden Jahr - und dauerhaft - auf höhere Preise einstellen müssen.
von Hans Koberstein, Robert MeyerDie Folge: Nur noch die reichen Länder konnten sich LNG auf dem Spot-Markt leisten - das ist der Markt für Gas, das quasi am nächsten Tag geliefert wird. Der Energiemarkt-Analyst Henning Gloystein erklärt dazu: "Wenn man richtig viel bezahlen kann, dann bekommt man auch Gas."
Pakistan hat - wie viele andere ärmere Länder der Welt - das Nachsehen. Die Gasimporte brachen seit 2022 um fast 20 Prozent ein. Es gibt regelmäßig Stromausfälle, Gas wird rationiert. Das schränkt nicht nur den Alltag der Menschen ein.
230 Millionen Menschen hatten in Pakistan vor einigen Tagen keinen Strom mehr. Auch Krankenhäuser sind betroffen.
Karatschis Bürgermeister Murtaza Wahab sieht die Zukunft pessimistisch: "Wenn kein Gas zur Verfügung steht, läuft die Industrie nicht. Wenn die Industrie nicht läuft, leiden unsere Exporte. Wenn unsere Exporte leiden, wird das Leistungsbilanzdefizit größer."
Schiffe für Pakistan werden nach Europa umgeleitet - trotz Verträgen
Auf eine internationale Ausschreibung zur LNG-Belieferung im Sommer 2022 im Wert von einer Milliarde Dollar erhielt das Land kein einziges Angebot. Denn die von Pakistan angefragte Gas-Menge konnten die LNG-Händler zu viel höheren Preisen nach Europa verkaufen.
Selbst laufende Lieferverträge wurden nicht mehr bedient. LNG-Tankschiffe für Pakistan wurden einfach nach Europa umgeleitet. Dort konnten die Händler das Gas dann so teuer verkaufen, dass die Vertragsstrafe, die in Pakistan fällig wurde, nicht ins Gewicht fiel.
Habeck räumt Rücksichtslosigkeit ein
Der Chef der LNG-Importfirma AG, Iqbal Z. Ahmed, findet für den neuen westlichen LNG-Hunger klare Worte:
"Das war so, als würde ein mächtiger Mann kommen und alles abgreifen - zu Lasten von allen anderen. Das hat der Welt keinen guten Dienst erwiesen", so Ahmed.
13 Prozent des von Europa eingekauften Flüssigerdgases stammt aus Russland. Über die Niederlande und Belgien wird das Gas dann weiter nach Deutschland geliefert.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck räumt im Interview mit ZDFzoom ein:
Zahlreiche ärmere Länder des globalen Südens müssen nun auf schmutzigere Energieträger wie Öl oder Kohle ausweichen. Sie verabschieden sich von der für sie jetzt unbezahlbaren Brückentechnologie Gas.
Schmutzigere fossile Brennstoffe werden also die Energieversorgung der nächsten Jahrzehnte prägen: Jetzt wird in neue Kohlegruben oder die Erschließung weiterer Öl- und Gasfelder investiert. Das muss sich über lange Zeiträume amortisieren. Für das weltweite Klima ist das eine gravierende Belastung.