Elektroschrott vermeiden: Zweite Chance für alte Solarmodule

    Kampf gegen Elektroschrott:Zweite Chance für ausrangierte Solarmodule

    von Jochen Klöck
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    Sonnenstrom ist angesichts von Klimawandel und Energiekrise eine große Hoffnung. Doch die nötigen Module landen zu schnell auf dem Elektro-Schrotthaufen. Das soll sich ändern.

    Martin Wilke beim Abbau von Solarmodulen im Solarpark Magdeburg
    Martin Wilke (r.) beim Abbau von Solarmodulen im Solarpark Magdeburg: Der Ingenieur setzt sich fürs Überprüfen von ausrangierten Solarmodulen ein und fürs Weiterverwenden.
    Quelle: ZDF

    Wir sehen sie immer öfter: Solarmodule auf Feldern, Dächern und jetzt sogar kleine Solaranlagen auf Balkonen in der Stadt. Mehr als 60 Milliarden Kilowattstunden Strom kamen im vergangenen Jahr aus Photovoltaikanlagen, eine Steigerung von 23 Prozent gegenüber 2021.
    Doch auch der Sonnenstrom hat eine Schattenseite. Und zwar, wenn die Module am Ende ihres Lebens ausrangiert werden. Dann wird aus der Zukunftstechnologie ein gewaltiger Müllberg, für den es - bisher - kaum eine Verwendung gab.
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    "Wir vermeiden Elektroschrott"

    Martin Wilke will das nicht akzeptieren. Der 36 Jahre alte Ingenieur ist Projektleiter bei einer Hamburger Müllentsorgungsfirma, in der abgebaute Photovoltaikmodule jahrelang ungeprüft in den Schredder wanderten. Das ist jetzt vorbei.
    Seit Februar dieses Jahres werden ausrangierte Panels in einer nagelneuen Prüfstraße wie am Fließband durchgecheckt. Der Name der Firma ist wegweisend: 2ndlifesolar. Hier sollen so viele Module wie möglich die Chance auf ein zweites Leben bekommen. "Die Motivation ist klar," sagt Wilke, Vater von zwei Kindern.

    Natürlich möchte ich, dass dieser Planet auch in 50 Jahren und in 100 Jahren noch lebenswert ist.

    Martin Wilke, Ingenieur

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    Solarmodule werden oft vor Ende der Lebensdauer ausrangiert

    Hintergrund: Solarmodule haben eine Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren, werden aber oft schon lange vorher ausrangiert. In großen Solarparks kann ein Leistungsabfall von wenigen Prozent ausreichen, um ein so genanntes Repowering auszulösen, bei denen die "alten" Module durch leistungsstärkere ausgetauscht werden.

    Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000 garantierte für Solarstromanlagen, die neu in Betrieb genommen wurden, eine feste Einspeisevergütung für die Dauer von 20 Jahren. Diese Vergütung lag im Jahr 2000 bei über 50 Cent, im Jahr 2004 sogar bei über 59 Cent pro Kilowattstunde - und damit weit über dem Marktpreis. Das sorgte dafür, dass in den Folgejahren eine Vielzahl von Anlagen gebaut wurde.

    Sobald die 20 Jahre Förderung auslaufen, erhalten Betreiber von Solaranlagen nur noch den so genannten "Jahresmarktwert Solar". Der liegt zurzeit bei rund 22 Cent pro Kilowattstunde. Deshalb droht in den kommenden Jahren eine ungeheure Schwemme von Altmodulen. Die Deutsche Umwelthilfe prognostiziert für das Jahr 2030 eine Million Tonnen ausrangierter Photovoltaikmodule. Damit könnte man eine Fläche bedecken, die größer ist als 11.000 Fußballfelder.

    Da es bisher keine Anlagen gab, um sie in großer Zahl zu überprüfen, wurden sie entweder direkt als Müll geschreddert oder über zwielichtige Wege ins Ausland exportiert. Das sei ein Bärendienst an der Umwelt, findet Wilke. Es gebe viele Solarparks, in denen zwei Drittel der Module noch funktionierten.

    Klassisch würden alle komplett entsorgt. Wir können aber im besten Fall 70 Prozent retten.

    Martin Wilke, Projektleiter

    Eine Million Tonnen Altmodule bis 2030

    Das Potenzial der Second-Life-Idee ist gewaltig: Experten rechnen mit einer Million Tonnen ausrangierter Solarmodule bis zum Ende des Jahrzehnts. Bis zu 800 Module pro Tag können in der Prüfstraße von 2ndlifesolar durchgetestet werden. Panels, die noch genügend Sonnenstrom produzieren, bekommen ein Zertifikat und werden so offiziell zu Gebrauchtgeräten mit zwei Jahren Gewährleistung. Sie werden für ein Drittel des Neupreises weiterverkauft.
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    Und was passiert mit Solarmodulen, die tatsächlich kaputt sind? Als ausrangierte Elektrogeräte müssen sie recycelt werden. Doch bei den bisherigen Verfahren gehen wertvolle Rohstoffe verloren. Auch in diesem Feld sucht Martin Wilke nach besseren Alternativen.

    Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft

    Das Magdeburger Start-up "Solar Materials" verspricht nicht weniger, als den Rohstoffkreislauf der Photovoltaik zu schließen. Drei junge Ingenieure, Fridolin Franke, Jan Bargel und Jan-Philipp Mai, haben eine Technik entwickelt, die sowohl Silber als auch Silizium wiedergewinnt. "Eine tolle Lösung", findet Wilke sichtlich beeindruckt. In den nächsten Monaten will die Firma eine vollautomatisierte Pilotanlage aufbauen, in der bis zu 150.000 Module pro Jahr recycelt werden können.
    Es wäre ein großer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft. Rund 14 Gramm Silber stecken z.B. in jedem Solarmodul. Aus den eine Million Tonnen Altmodulen, die für 2030 erwartet werden, könnten so 700 Tonnen Silber zurückgewonnen werden. Das wäre fast die Hälfte der Menge, die die Solarindustrie jedes Jahr verbraucht.
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