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Der Trend geht zum Streaming

Prof. Dr. Andreas Breiter über die digitale Zukunft

„Asynchrones Fernsehen ist zu einem festen Bestandteil der heutigen Medienrepertoires geworden, nicht nur der jungen Menschen“, betont Fernsehrat Prof. Andreas Breiter. Der Forscher von der Universität Bremen plädiert dafür, dass sich ARD und ZDF auf lange Sicht neu erfinden, „nicht als Fernsehen und Hörfunk, sondern als grundsätzlich digitale Medienangebote“.

Porträt Fernsehratsmitglied Andreas Breiter
Fernsehratsmitglied Prof. Dr. Andreas Breiter
Quelle: GfG/Universität Bremen

#Fernsehrat: Die Nutzung der ZDFmediathek hat im vergangenen Jahr massiv zugenommen. Wie bewerten Sie die Entwicklung?

Andreas Breiter: Es ist erwartungskonform, dass die Streaming-Angebote zunehmend genutzt werden, erst recht während des Lockdowns. Grundsätzlich ist es für das ZDF eine positive Entwicklung, die auch zeigt, dass sich die Investitionen in eine nutzer*innengerechte Gestaltung der Mediathek gelohnt hat. Interessanter ist der Vergleich zu anderen Anbietern, denn die Marktanteile sind auch relativ gestiegen. Das zeigt die Bedeutung der Öffentlich-Rechtlichen und zugleich den Wandel in der Rezeption: Asynchrones Fernsehen ist zu einem festen Bestandteil der heutigen Medienrepertoires geworden, nicht nur der jungen Menschen.

#Fernsehrat: In den Mediatheken gibt es inzwischen erfolgreiche Online-Only-Formate und -Inhalte. Wie sehen Sie das zukünftige Verhältnis zwischen linearem Angebot und ZDFmediathek?  

Breiter: Ich persönlich glaube, dass lineares Angebot und Streaming-Angebote sich ergänzen werden, der Trend aber zunehmend zu Streaming und hier vor allem der zeitversetzten Nutzung gehen wird. Das hat nicht nur mit der Altersstruktur der Zuschauer*innen zu tun, sondern auch mit der „User Experience“, d.h. die gestiegenen Erwartungen der Nutzer*innen an die Gestaltung der Dienste. Lineares Fernsehen wird – bis auf die Ausnahme der Live-Übertragungen – in Zukunft immer weniger bedeutsam sein. Das Telemedienkonzept des ZDF aus 2020 stellt Online-Only noch sehr vorsichtig dar. Bedeutsam ist hierbei ohnehin der Drei-Stufen-Test. In der Stellungnahme der Leopoldina von 2021 zu „Digitalisierung und Demokratie“ – an der ich mitgewirkt habe – wird deutlich herausgestellt, dass es zielführend wäre, das Verbot presseähnlicher Telemedienangebote zu streichen. Hintergrund ist eben die Stärke des Drei-Stufen-Tests, der ohnehin über die Zulässigkeit auch im Lichte der marktlichen Auswirkungen entscheidet.

#Fernsehrat: Geplant ist der Aufbau eines offenen, entwicklungsfähigen Streaming-Netzwerks mit der ARD. Wie bewerten Sie das?

Breiter: Dies ist ja bereits beschlossen und vorgestellt. Das ist grundsätzlich eine sehr erfreuliche Entscheidung. Sowohl strategisch als auch technisch und organisatorisch. Parallelangebote wären nicht wirtschaftlich, vor allem aber geht es darum, öffentlich-rechtliche Medien zu stärken. Ein nächster Schritt könnte sein, über länderübergreifende Angebote nachzudenken, bspw. im deutschsprachigen Raum oder Europa, was aber auch zusätzliche rechtliche Hürden bedeutet. Die weiterhin getrennte Entwicklung von Algorithmen zur Personalisierung und der Empfehlungssysteme ist nicht so ganz nachvollziehbar. Es bleibt abzuwarten, wie die Nutzer*innen darauf reagieren. Es ist eher verwirrend, zwei Apps für das gleiche Angebot zu haben und was fehlt, ist ein guter Rückkanal. Die Stellungnahme der Leopoldina spricht von „demokratiefreundlichem Design“. Meine Hoffnung ist, dass der Zusammenschluss im Netzwerk zu einer Stärkung der Open-Source-Ansätze führt und damit auch die verwendeten Algorithmen transparenter macht. Ein Wunsch aus Sicht von Wissenschaft und Forschung wäre es, diese Plattformen und deren Daten auch für die Forschung selbst verfügbar zu machen und engere Kooperation zwischen Wissenschaft und öffentlich-rechtlichem Rundfunk zu organisieren. Aber das kann nur ein erster Schritt sein. Es geht darum, aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk so etwas wie öffentlich-rechtliche Medien zu machen. Im Kern sollten sich ARD und ZDF neu erfinden, nicht als Fernsehen und Hörfunk, sondern als grundsätzlich digitale Medienangebote. Der Weg dahin ist sicherlich noch weit und es müsste ein anderer rechtlicher Rahmen geschaffen werden. Man sollte hier aber viel weiter in die Zukunft blicken, als es die Rundfunkanstalten momentan tun.

#Fernsehrat: Der Medienstaatsvertrag ermöglicht jetzt auch das Verbreiten eigenständiger journalistischer Angebote auf Drittplattformen wie YouTube & Co. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich beim Ausspielen von Inhalten auf Drittplattformen?

Breiter: Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zu der Verbreitung über Drittplattformen. Einerseits stärkt es die Verbreitung und die Reichweite insbesondere bei einem Publikum mit anderen Nutzungsgewohnheiten im Sinne eines niedrigschwelligen Angebots für qualitativ hochwertige Inhalte. Vor allem jüngere Menschen werden so erreicht, was diese Distribution auf den ersten Blick interessant erscheinen lässt. Andererseits werden kommerzielle Plattformen, die ein Erlösmodell in der Auswertung der über die Plattform gewonnenen Daten und der Schaltung von Online-Werbung sehen, dadurch gestärkt. Hinzu kommt, dass über Plattformen wie YouTube viele öffentlich-rechtliche Angebote gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden. In der Stellungnahme der Leopoldina wird betont, dass die Macht solcher Anbieter „dringend einer rechtlichen Regulierung“ bedarf. Die bestehenden Ansätze zur Verpflichtung der Plattformen, unzulässige Inhalte zu löschen und die Kriterien, nach denen sie Beiträge auswählen und sortieren, transparent zu machen, „genügen noch nicht“. Daher ist es entscheidend, dass die eigenständigen journalistischen Angebote der strengen Vielfalts- und Qualitätssicherung unterliegen. Dazu beitragen könnte auch, wenn die  Öffentlich-Rechtlichen ihre Beiträge verstärkt unter offenen Lizenzen veröffentlichen. Das betrifft v.a. bildungsrelevante Inhalte. Vor allem aber geht es auch hier darum, den Blick noch viel weiter in die Zukunft zu lenken und über andere Plattformen für Medieninhalte nachzudenken, als wir sie bisher haben. Wie wäre es, wenn sich alle öffentlich-rechtlichen Medien Europas zusammentun und eine eigene Plattform für öffentlich-rechtliche Inhalte anbieten würden? Die Medienwelt wäre eine andere. Hier ist mehr Mut gefragt als bisher, und weniger Denken an die eigene „Marke“.

Zur Person:

Prof. Dr. Andreas Breiter ist seit 2008 Professor für Angewandte Informatik mit dem Schwerpunkt Informations- und Wissensmanagement in der Bildung an der Universität Bremen. Er leitet das Lab „Informationsmanagement und Medientechnologien“ am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) und ist wissenschaftlicher Direktor des gemeinnützigen Forschungsinstituts für Informationsmanagement Bremen GmbH (ifib). Von 2015 bis 2020 war er Konrektor für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Transfer und arbeitet seitdem als Chief Digital Officer. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medien-, IT- und Datenkompetenz in Schulen, Hochschulen und in der beruflichen Bildung sowie KI-basierte Algorithmen und Data Science als sozio-technische Systeme.

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