Bendix Hallenstein - Textilfabrikant
Geboren wird er am 24. Januar 1835 im Herzogtum Braunschweig. Nach einem Aufenthalt in England, siedelt Bendix Hallenstein mit seinen beiden Brüdern nach Australien über. 1861 heiratet er Mary Mountain. In Neuseeland beginnt zur selben Zeit der Goldrausch. In einem Jahr finden die Schürfer rund 13.000 Kilogramm Gold in den Bergen der Provinz Otago. Die Bevölkerung in der Region verdoppelt sich, Tausende suchen ihr Glück. 1863 bringt ein Schiff aus Australien auch vier Deutsche auf die Insel der Glücksritter: Bendix Hallenstein mit Frau und Tochter und seinen Bruder Isaac. In Australien betrieben sie zusammen mit dem älteren Bruder Michaelis ein Kaufhaus. Doch die Geschäfte warfen nicht genug für alle ab. In Neuseeland wollen die beiden jüngeren Hallenstein-Brüder ein neues Geschäft aufbauen und die wirtschaftlich günstige Zeit des Goldrausches ausnutzen. Doch für Bendix Hallenstein läuft es in Neuseeland zunächst nicht gut. Sich in dem ärmlichen Pionierstädtchen Invercargill niederzulassen, erweist sich als großer Fehler. Der viele Regen ist deprimierend, und in Invercargill gibt es bereits zu viele andere Händler und Kaufleute. Der neue Laden von Hallenstein wirft wenig ab.
Aber ein Hallenstein gibt niemals auf. Diese Einstellung führt dazu, dass Bendix Hallenstein mit seiner Familie 1864 nach Queenstown zieht. Dort beginnt er ein Geschäft mit Lebensmitteln, Alkoholika, Tuch und Eisenwaren. Die erst vor einem Jahr gegründete Stadt hat schon respektable 10.000 Einwohner: Sie liegt nahe den Goldfeldern und boomt. Aber Queenstown leidet unter einer miserablen Grundversorgung. Das ist die Chance für Bendix Hallenstein. Er nutzte sie gründlich. Queenstown wird zehn Jahre lang Heimat der Hallensteins.
Bereits in den frühen 1870ern ist Bendix Hallenstein als talentierter Geschäftsmann und Investor im weiten Umkreis bekannt. Er ist kein Mann, der das Risiko suchte, sondern das gute Geschäft. Schon bald besitzt er mehrere Filialen, die über ein breites Warenangebot verfügen. Leder wird vom Familienunternehmen in Australien geliefert, ebenso die Kleidung. Vielleicht hat die Idee, Filialen mit Produkten eigener Unternehmen zu bestücken, zum Engagement Hallensteins in der Bekleidungsindustrie geführt. Fest steht, dass es Probleme gibt, gute Männerkleidung für seine Läden zu bekommen. Deshalb gründet Bendix Hallenstein 1873 die "New Zealand Clothing Factory", die erste ihrer Art in Neuseeland. Die Kleiderfabrik ist ein Gemeinschaftsprojekt der drei Hallenstein-Brüder, Isaac, Michaelis und Bendix. Hallenstein baut stets auf die Loyalität seiner Verwandten und misstraute Fremden.
1865 wird Hallenstein britischer Staatsbürger. Sein Engagement in der Politik ist bemerkenswert. Er ist von 1869-1872 Bürgermeister von Queenstown, der zweite in der jungen Geschichte der Stadt. Hallensteins Bürgermeisterzeit ist durchaus erfolgreich – auch wenn er sie nicht zuletzt auch als eine Art von Geschäft verstand. Immerhin verdankt ihm die Stadt die bekannten Queenstown Gardens, heute ein Touristenmagnet.
Hallenstein verkörpert den Aufstiegswillen des erfolgreichen Pioniers: nach oben kommen und dort bleiben. Er wird Mitglied des Provinzialrats von Otago (1872-1875) und der erste eingebürgerte Immigrant, der dem Repräsentantenhaus Neuseelands angehört (1872-1873).
Eine zeitlang führt Hallenstein das unbeschwerte Leben eines Großgrundbesitzers. Aber Rastlosigkeit prägt seine Persönlichkeit, und sich auf andere zu verlassen, behagt ihm nicht. Queenstown verliert zunehmend an Bedeutung, die Glücksritter wandern ab, auf der Suche nach ergiebigeren Goldfeldern. Das neue ökonomische Schwergewicht ist Dunedin, die Hauptstadt der Provinz Otago. Hallenstein wird dort aktiv.
In Otagos Gold-Kapitale lässt er Kleidung in eigener Herstellung produzieren. Seine brilliante Idee: seine Geschäfte mit möglichst eigener und nicht importierter Ware zu bestücken. Bisher müssen sich die Neuseeländer mit dem kleiden, was die unzuverlässig eintreffenden Schiffe aus Übersee hergeben. Oft war die Ware von schlechter Qualität und unmodisch. Das Wachstum der Bevölkerung und die steigenden Ansprüche verschärfen die Lage zusätzlich. Die Hallensteinische Fabrik könnte diese Probleme mit einem Schlag lösen. Doch Hallenstein hat die Geschäftsführung unerfahrenen Männern überlassen. Das hat schlimme Folgen: Der Absatz schrumpft, die Finanzreserven sind schnell aufgebraucht. Die Fabrik Hallensteins wurde auf einen sehr schnell wachsenden Absatzmarkt hin konzipiert: Leistungsstark, aber unflexibel. Unterm Strich erweist sich das Geschäft mit der Kleiderproduktion als unrentabel, die laufenden Kosten der Fabrik sind zu hoch.
Inzwischen hat ein Überangebot an importierter, billiger Kleidung zu einem ruinösen Preisverfall geführt. Eine Entwicklung, die für Hallensteins Vertriebssystem fatal ist. Seine Handelsreisenden sind sechs bis sieben Monate im Jahr im noch unwegsamen und wilden Land unterwegs. Sie müssen irgendwo im Outback Ladenbesitzern Ware verkaufen. Nun verschlingen die hohen Reisekosten einen großen Teil der Einkünfte. Wieder einmal beschließt Hallenstein einen Strategiewechsel und setzt auf den Textileinzelhandel und schafft die Handelsreisenden ab.
Sein Bruder Michaelis kritisiert immer wieder Bendix riskante Expansionsstrategie. Firmenintern herrschen zum Teil chaotische Verhältnisse. Buchhaltung und Abrechnungssystem sind noch bis weit in die 1880er völlig unterentwickelt. Sitzungsprotokolle gibt es keine. Bendix Hallenstein ist ein Firmeneigentümer vom alten Schlag. Die Firma ist er. Hallenstein hofft, dass sich die Verkaufszahlen bald verbessern. Er baut ein Lager für die nicht verkauften Waren. Doch damit ist Hallensteins finanzieller Spielraum ausgereizt. Ab 1875 berät sich Bendix intensiv mit seinen Brüdern, besonders mit Isaac. Bendix hofft zunächst, ein paar gute Monate würden die übervollen Lager schon leeren. Doch die Ware stapelt sich bis zur Decke. Noch einmal braucht es eine komplett neue Geschäftsstrategie. Die Hallensteinbrüder halten Familienrat und beschließen den Verkauf seiner Fabrik. Der nächste Befreiungsschlag erfolgt Anfang 1876: Hallenstein mietet Verkaufsräume im Zentrum von Dunedin und verkauft Kleidung, Einzelwaren zu Großhandelspreisen. Und die Kunden müssen bar bezahlen. Das erweist sich dank guter Qualität seiner Produkte als erfolgreiches Konzept. Bis 1900 steigert sich die Zahl der Hallenstein-Filialen auf 36. Seine alte Fabrik in Dunedin, die er gemietet hat, stößt in jener Zeit wöchentlich 2500 Kleidungsstücke aus. Sie steht heute noch.
Beim Unternehmer Hallenstein gibt es keinen Stillstand: Bei einem Englandbesuch Jahre zuvor hat Hallenstein etliche Fabriken besucht, sich die neueste Manufakturtechnik angeschaut. Er will in Neuseeland etwas Einmaliges schaffen, einen Meilenstein. 1883 eröffnete Hallenstein stolz sein neues Fabrikgebäude an der Dowling Street. 300 Näherinnen arbeiten hier. Weite Strecken der Produktion sind Handarbeit. Aber ein brandneuer Otto-Motor liefert bereits Energie für 80 Nähmaschinen, die jeweils 2000 Stiche in der Minute setzen. Das Gebäude der New Zealand Clothing Factory in der Dowling Street ist ein Musterbeispiel eines sozial verantwortlichen Unternehmertums. Die Obergeschosse werden von zwei großen Oberlichtern erhellt. Täglich um ein Uhr gibt es Tee für alle kostenlos. Während der "Teatime" werden die Oberlichter geöffnet, damit der Staubgehalt der Luft sinken kann. Damit nicht genug: Schon 1880 gründet Bendix einen Sozialfond, der im Krankheitsfall die Medizin bezahlt – eine in jenen Jahren absolute Ausnahme unter den Unternehmern. Für Hallenstein zu arbeiten, erscheint vielen Textilarbeitern wie der Himmel auf Erden. Die zumeist weiblichen Näherinnen arbeiten sonst oft unter unsäglichen Bedingungen oder nähen in Heimarbeit für einen Hungerlohn. Auch Kinderarbeit breitet sich aus. Hallenstein beteiligt sich nicht am auch unternehmerisch ruinösen Lohndumping. Er unterstützt sogar den Gewerkschaftsgedanken – ein rotes Tuch für die meisten Unternehmer damals. 1889 setzt sich Hallenstein für die Gründung der Textilarbeiterinnengewerkschaft ein.
Und er lässt keine Gelegenheit aus, die Konkurrenz anzuprangern, die mit billiger britischer Importware die Märkte zu beherrschen sucht. Bendix Hallenstein spricht geschickt den Stolz der Neuseeländer an - auf ihre vom Mutterland Großbritannien unabhängig werdende Wirtschaft. Bendix Hallenstein ist einer der erfolgreichsten und innovativsten Unternehmer Neuseelands im 19. Jahrhundert.
Am 6. Januar 1905 stirbt Hallenstein – wohl an den Folgen eines Schlaganfalls. Sein Grabmal in Form eines Obelisken auf dem jüdischen Friedhof Dunedins steht noch heute.
Biografie Bendix Hallenstein
Louise K. Vickerman: A Colonial Capitalist: Bendix Hallenstein 1835-1905, Dissertation, University Otago 1981
Louise Shaw: Hallenstein Brothers and Company 1876-1906. The Early Years of Mass Retailing in New Zealand, Diplomarbeit, University of Otago 1994
Roger Paulin: Bendix Hallenstein, in: James N. Bade (Hg.): Eine Welt für sich. Deutschsprachige Siedler und Reisende in Neuseeland im 19. Jahrhundert, Bremen 1998
Leonard Bell, Diana Morrow: Jewish Lives in New Zealand. A History. Auckland 2012
Ian Hunter: The Age of Enterprise: Rediscovering the New Zealand Entrepreneur, Auckland 2007
Gordon Parry: Hallenstein, Bendix, in: The Dictionary of New Zealand Biography. Te Ara - the Encyclopedia of New Zealand, Update: 8. Oktober 2013, www.teara.govt.nz/en/biographies/2h6/hallenstein-bendix