Der Malaiische Archipel – Dem Leben auf der Spur

1854 erreichte Alfred Russel Wallace die Insel Borneo. Die Insel war Mitte des 19. Jahrhunderts kaum erforscht. Das Unbekannte schlug Wallace in seinen Bann. Hier wollte er Arten erkunden, die noch niemand vor ihm erforscht hatte. Tiefer Dschungel bedeckte zu Wallace‘ Zeit fast die ganze Insel, Tiere und Pflanzen haben die seltsamsten Formen angenommen. Borneos Insektenwelt ist herausragend in ihrer Vielfalt. Die unterschiedlichen Formen faszinierten Wallace, und er studierte sie akribisch. Denn auch kleine Tiere bringen oft große Erkenntnisse – wie dieser Tigerblutegel, der sich an Dirk Steffens‘ Arm festgesaugt hat.

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Alfred Russel Wallace begegnete auch den Orang-Utans – indonesisch für „Waldmenschen“. Diese Menschenaffen gibt es nur im Malaiischen Archipel. Ihr Lebensraum auf Borneo schrumpft zusehends durch das Vordringen von Städten und Landwirtschaft. Mehr dazu im Webvideo: Palmöl – zu Unrecht verteufelt?

Wallace konnte die Frage nach der Zahl der Arten damals nicht klären. Bislang unterschieden Forscher zwei Arten: Eine etwas kleinere lebt auf Borneo und eine weitere auf der Nachbarinsel Sumatra. Doch im Jahr 2017 konnten Wissenschaftler auf Sumatra eine bislang unbekannte Art identifizieren – Pongo tapanuliensis. Diese Art ist uralt und vermutlich sogar der Vorfahr, aus dem sich die beiden anderen entwickelten. Sie blieb lange unentdeckt, denn Orang-Utans leben verborgen in den Baumwipfeln. Am Boden lauert nämlich der Sumatra-Tiger, eine Bedrohung, die sich den Orang-Utans tief ins evolutionäre Gedächtnis eingebrannt hat. Während die Tiere auf Sumatra aus diesem Grund ausschließlich in den Bäumen leben, kann man auf Borneo Orang-Utans beobachten, die die Bäume auch verlassen. Denn diese Insel ist tigerfrei.

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Im Regenwald Borneos ist die Vegetation üppig und doch ist der Wald verhältnismäßig arm an Nährstoffen: Zweimal im Jahr bringt der Monsun gewaltige Regenfälle. Das Regenwasser hat über Jahrmillionen Mineralien aus dem Boden gewaschen. Während die Asche der Vulkane auf Sumatra für eine regelmäßige Erneuerung der Böden sorgt, hat die Armut an Mineralien in den Böden Borneos eine ganz besondere Pflanzen- und Tierwelt auf der Insel hervorgebracht, die sich mit dem Mangel arrangiert hat. Manche Baumarten haben es geschafft, die wenigen Mineralstoffe auf besonders effiziente Weise zu nutzen. So  wachsen hier die höchsten Urwaldbäume der Welt. Manche werden bis zu 90 Meter hoch. Um ausreichend Energie aus dem Sonnenlicht zu ziehen, brauchen die Riesen besonders große und ausladende Kronen – und dafür viel Platz. Messungen mit Lasertechnik offenbaren die besondere Struktur des Blätterdaches auf Borneo: Die großen Bäume stehen viel weiter auseinander als in Urwäldern anderswo in den Tropen. Dazwischen gibt es weite Lücken mit niedrigerem Bewuchs. Baumbewohner müssen Strategien entwickeln, um die Lücken zu überwinden.

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Für die Überwindung der großen Distanzen zwischen den Urwaldbäumen haben die Tiere Strategien entwickelt. Die einen hangeln sich durch den Wald, die anderen springen. Einige Reptilien- und Amphibienarten haben die Fähigkeit des Gleitfliegens entwickelt. Auf Borneo gibt es mehr Gleittierarten als irgendwo sonst auf der Welt. Schon Alfred Russel Wallace beschäftigte sich mit einem Frosch, der, so wurde ihm berichtet, von Baum zu Baum fliegen könne. Er ahnte nicht, dass dieses Tier einmal seinen Namen tragen würde: Wallace-Frosch. Die Eroberung der Lüfte hat viele Wege genommen. Fledermäuse haben sich beispielsweise aus flugunfähigen Säugetieren entwickelt. Tagsüber verbergen sie sich in Höhlen, und diese Aufenthaltsorte gestalten sie sogar selbst um

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Auf Sulawesi, der östlichen Nachbarinsel von Borneo, entdeckte Alfred Russel Wallace vor 150 Jahren eine fremde Tierwelt – zum Beispiel den Bärenkuskus, ein Tier, das in den Baumkronen lebt, zu den so genannten Kletterbeutlern zählt und australische Wurzeln hat. Australien ist der einzige Kontinent, auf dem die Beuteltiere überleben konnten, weil es dort keine konkurrierenden Säugetiere gab.

Als Wallace weitere Inseln im östlichen Archipel bereiste, fand er überall Tiere, die es sonst nirgendwo in Asien gibt. Er begegnete aber keinen Tierarten mehr, die er aus Asien kannte. Wallace erklärte die getrennten Tierwelten mit der schon damals bekannten Tatsache, dass die Meeresspiegel schwanken können. Seine Vermutung: Das Meer war hier früher niedriger. Die Inseln waren über Landbrücken mit den Kontinenten verbunden. Dazwischen aber gab es eine Wassergrenze, die die Tiere nicht überqueren konnten. So erklärte er sich die getrennte Tierwelt im Malaiischen Archipel. Als der Meeresspiegel wieder stieg, entstanden die Inseln, auf denen sich die Arten weiterentwickelten. Die biogeografische Trennlinie zwischen Borneo und Sulawesi hat man zu Ehren des Forschers Wallace-Linie genannt.

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Noch heute ist die Zone entlang der Wallace-Linie eine der geologisch unruhigsten der Welt. Im September 2018 wurde Sulawesi von einem schweren Erdbeben heimgesucht, das einen Tsunami auslöste. Die Katastrophe forderte viele Menschenleben. Die gleichen Kräfte schufen über Jahrmillionen unterseeische Gräben. Für die meisten Tiere sind diese starken Strömungen unüberwindbare Barrieren. Unter Wasser entstanden dadurch isolierte Bereiche mit einzigartigen Lebensformen, wie etwa in der Lembeh-Straße vor Sulawesi. Immer wieder werden hier neue Tierarten entdeckt, Anfang des Jahrtausends beispielsweise der Mimik-Oktopus, der zur eigenen Tarnung das Aussehen mehrerer Arten durch Form- und Farbveränderung imitieren kann. Niemand weiß, wie viele Schätze sich noch im Archipel verbergen. Die vielen isolierten Gebiete sind Motor für die Entwicklung einer unvergleichlichen Artenvielfalt.

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Faszination Erde: Der Malaiische Archipel – Dem Leben auf der Spur
Erstausstrahlung ZDF: 30. Dezember 2018, 19.30 Uhr

Buch und Realisation Tobias Schultes, Jasmina Neudecker
Sprecher Johannes Steck

Redaktion TV Christiane Götz-Sobel
Redaktion Online Katja Treu