Wer scharf sehen möchte, hat neben dem Tragen einer Brille verschiedene Optionen. Eine Möglichkeit der Sehkorrektur sind orthokeratologische Kontaktlinsen, kurz Ortho-K-Linsen. Das griechische Wort Ortho bedeutet „richtig“, die Kerathologie beschreibt die Lehre der Hornhaut. Diese speziellen Kontaktlinsen sind formstabil und hochsauerstoffdurchlässig. Man trägt sie über Nacht und hat am nächsten Tag eine stark verbesserte Sehfähigkeit.
Voraussetzungen
Wer Ortho-K-Linsen tragen möchte, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zum einen kommen die Kontaktlinsen nur für Patienten, die kurzsichtig sind und Dioptrienwerte zwischen minus zwei und minus fünf haben, in Frage. Patienten, die eine Hornhautverkrümmung haben, können die Linsen nur nutzen, wenn der Zylinderwert nicht größer als minus 2,5 Dioptrien ist.
Um Augenerkrankungen, wie zum Beispiel einen Keratokonus, eine krankhafte Verweichung der Hornhaut, auszuschließen, werden vorher spezielle Untersuchungen bei einem Optometristen gemacht. Dieser überprüft am Keratographen die Wölbung, Dicke und Verformung der Hornhaut. Liegen extreme Krümmungen oder Abweichungen vor, kann der Patient ebenfalls keine Ortho-K-Linsen tragen.
Funktionsweise
Werden die Ortho-K-Linsen in das Auge eingesetzt, haften sie mit Hilfe von Unterdruck direkt auf der Hornhaut. Sie sitzen zentrisch, damit die Ausrichtung gemäß Voruntersuchung genau abgestimmt ist. Die Linse ist speziell geformt, nämlich in der Mitte etwas dicker und an den Seiten dünner. Diese Form begünstigt die Anpassung der Hornhaut an die Rückseite der Kontaktlinse, die nachts im Auge ist. Die Ortho-K-Linsen schichten bei der Anpassung die Epithelzellen der Hornhaut, ähnlich wie bei einem Gelkissen, um: In der Mitte wird die Hornhaut flacher, an den Seiten wird sie dadurch etwas dicker. Diese Umschichtung der Hornhautzellen verursacht eine Veränderung der Lichtbrechung. Das Ergebnis: Ein scharfes Bild entsteht auf der Netzhaut.
Bis sich die Augen an die Nutzung der Ortho-K-Linsen gewöhnt haben und man die volle Sehschärfe wahrnimmt, können bis zu sieben Tagen vergehen. Der Effekt der verbesserten Sehfähigkeit ist aber reversibel. Die elastische Hornhaut lässt sich zwar verformen, bildet sich aber nach einigen Stunden bis maximal zwei Tagen komplett in ihre Ursprungsform zurück. Das bedeutet zum einen, dass die Ortho-K-Linsen konsequent getragen werden müssen, und zum anderen, dass die Kurzsichtigkeit im Laufe des Tages langsam wieder zunimmt. Denn die verbesserte Sehschärfe hält nur etwa zehn bis vierzehn Stunden an. Wer also spät abends noch Auto fährt, riskiert, nicht mehr die volle Sehfähigkeit zu haben und sollte deshalb eine weitere Sehhilfe zur Sicherheit dabei haben. Achtung: Die „alte“ Brille hilft hier nicht unbedingt weiter, da die Werte im Zweifelsfall nicht mit denen vor dem Tragen der Ortho-K-Linsen übereinstimmen.
Hygiene
Um Infektionen zu vermeiden, spielt die Hygiene und die ordnungsgemäße Pflege aller Kontaktlinsen eine sehr wichtige Rolle. Die Ortho-K-Linsen werden nachts getragen. Da die Augen geschlossen sind, kommen sie weniger mit Umwelteinflüssen in Kontakt als übliche Kontaktlinsen. Trotzdem sind sie nachts konstant vom Tränenfilm umspült. Dadurch kann es vorkommen, dass sich vermehrt Proteinablagerungen auf den Linsen bilden. Patienten, die Ortho-K-Linsen tragen, sollten sich deshalb an die genauen Pflegevorgaben des Augenarztes oder des Optometristen halten.
Abgespült werden die Linsen vor dem Einsetzen und nach dem Herausnehmen mit Kochsalzlösung. Aufbewahrt werden sie Desinfektionslösung. Grobe Verschmutzungen können mit einer schäumenden Waschlösung entfernt werden. Einmal pro Woche müssen die Linsen in einem speziellem Enzymbad gereinigt werden, das die Proteinablagerungen auflöst. Generell sollte man auf Handhygiene beim Hantieren mit den Linsen achten: Hände waschen und gründlich mit einem sauberen Handtuch abtrocknen.
Einschränkungen
Neben den sorgsamen Hygienemaßnahmen sollten Nutzer der Ortho-K-Linsen alle drei Monate zur Kontrolle bei ihrem Augenarzt oder Kontaktlinsenanpasser erscheinen. Bei der Untersuchung mit dem Keratographen wird überprüft, ob die Linsen nachts zentrisch sitzen, ebenso kann mit dem Gerät die Breite, Wölbung und Verformung der Hornhaut dargestellt werden. Aufgrund der modellierten Hornhautoberfläche, die die Brechung verändert, kann es vorkommen, dass Patienten im Dämmerlicht Streulichter, sogenannte Halos, wahrnehmen. Dadurch kann es zu Beeinträchtigungen im Straßenverkehr kommen. Patienten sollten solche Probleme deshalb immer zeitnah mit ihrem Arzt oder Kontaktlinsenanpasser besprechen.
Die Kosten für die Linsen liegen im Schnitt pro Jahr bei 650 Euro. Zusätzlich kommen noch etwa 200 Euro jährlich für die speziellen Pflegemittel hinzu. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht.