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Zweisprachig aufwachsen

Bilinguale Kitas sind begehrt

Bilingualer Kindergarten

Viele Eltern möchten, dass ihre Kinder zweisprachig aufwachsen. Bilinguale Kitas, in denen zwei Sprachen gesprochen werden, finden immer mehr Anklang. Doch ist es ein Vorteil, wenn Kinder schon früh mit einer zweiten Sprache in Berührung kommen?

Datum:
28.03.2017
Verfügbarkeit:
Video leider nicht mehr verfügbar

Ein Großteil der Weltbevölkerung wächst mit mehreren Sprachen auf – die hauptsächlich einsprachige Situation wie hier in Deutschland bezeichnet die Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Kristin Kersten von der Universität Hildesheim eher als Ausnahme. „Grundsätzlich ist das menschliche Gehirn auf Mehrsprachigkeit ausgerichtet. Gerade Kinder lernen Sprachen implizit, unbewusst. Natürlich hängt aber jede Form von Spracherwerb, ob Erst- oder Zweitsprache, vom Input durch die Umgebung und von der Vermittlung ab“, so die Professorin für Spracherwerb.

Eine Erzieherin – eine Sprache

Das Eine-Person-eine-Sprache-Prinzip in Kitas ist bilingualen Familien nachempfunden. Es zielt darauf ab, die Kinder bei der kognitiven Trennung beider Sprachsysteme zu unterstützen. „Viele mehrsprachige Familien wechseln aber zwischen ihren Sprachcodes hin und her – Code-Switching, Code-Mixing genannt – auch das machen Kinder problemlos mit. Studien zeigen, dass dadurch bestimmte kognitive Funktionen trainiert werden“, so Sprachwissenschaftlerin Kersten. „Zu einer höheren Sprachkompetenz oder schnellerem Lernen führen aber viele verschiedene Faktoren, zum Beispiel die Motivation, wie intensiv und wie lange eine Sprache gelernt wird, wie viel sie verwendet wird, und mit welchen pädagogischen Mitteln sie erworben wird.“

Zweisprachig zu Hause

Kinder übernehmen viel Sprachliches von den Eltern – auch die Fehler. Wenn also ein Elternteil die Sprache nicht muttersprachlich spricht, ist das später eventuell schwer umzulernen. Auch gibt Kersten zu bedenken: „In einer Sprache, die nicht meine Muttersprache ist, kann ich weniger natürlich und differenziert mit meinem Kind interagieren. Wie aufgehoben fühlt sich das Kind? Gelingt es mir, eine angstfreie, positive Atmosphäre im Dialog mit dem Kind zu schaffen? Ist meine Sprachkompetenz ausreichend?“

„Bei der personengebundenen Verwendung von Sprache hat das auch Konsequenzen im gesamten sozialen Umfeld. Man muss sich gut überlegen, welches sprachliche Rollenmodell man vorleben möchte und in welchen Kontexten. Wenn das Kind in bilingualen Familien die Sprache muttersprachlich sprechen lernen soll, scheint Konsequenz einer der Schlüssel zu sein: die Sprache kontinuierlich verwenden und das Kind vor allem auch zum Sprechen ermutigen. Viele bilinguale Kinder lernen sonst besser zu verstehen als selbst zu sprechen. Und ganz wichtig ist, dass dies alles angstfrei geschehen sollte, ohne Druck“, so die Expertin.

Zweisprachig – ab welchem Alter?

Kinder im Kindergarten
Die Praxis zeigt, dass Kinder spielerisch neue Sprachen im Kitaalltag erlernen können.
Quelle: imago/Christian Schroth

Mit zunehmendem Alter verändert sich die menschliche Sprachlernfähigkeit. „Muttersprachliche Kompetenzen werden durchschnittlich am ehesten bei einem Beginn im frühen Kindesalter erreicht“, schätzt Kersten. Doch zunächst sollte geklärt werden, warum das Kind zweisprachig aufwachsen soll und mit welchem Ziel. Wenn klar ist, dass das Kind zweisprachig aufwachsen soll, dann rät Kersten, auch von Anfang an. „Je früher man mit der zweiten Sprache beginnt, desto weniger ist das Gehirn auf die Umgebungssprache eingestellt und desto näher ist man am natürlichen Erstspracherwerb, der sich in manchen Bereichen vom Zweitspracherwerb unterscheidet“, so Kersten.

„Wo genau die Grenze zwischen Erst- und Zweitspracherwerb liegt, wird in der Forschung derzeit noch sehr unterschiedlich gesehen. Wir wissen zum Beispiel aus der Forschung zum Lauterwerb, dass sich die Gehirne der Kinder bereits im Alter zwischen 10 und 18 Monaten auf die Laute aus der Umgebungssprache einstellen. Zu Beginn können sie alle Laute voneinander unterscheiden, später fällt das zunehmend schwerer, wenn die Laute für die eigene Sprache nicht relevant sind. Deshalb fällt es Erwachsenen oft schwer, die feinen Unterschiede in einer anderen Sprache wirklich zu hören – Resultat ist der typische fremdsprachliche Akzent“, weiß die Sprachwissenschaftlerin.

Das menschliche Gehirn ändert sich ständig und in Bezug auf das Sprachenlernen zeigen Studien deutliche Unterschiede hinsichtlich des Alters: Die sogenannte sensible Phase für den Lauterwerb beginnt sehr früh, die für Grammatik später im Laufe der Kindheit, der Wortschatz kann noch deutlich länger erweitert werden. „Junge Kinder lernen hauptsächlich implizit, während ältere Lerner sich explizites Regelwissen aneignen können und kognitive Strategien zu Hilfe nehmen. Letztere sind daher zwar oft zunächst schneller im Lernen, erreichen aber letztlich meist nicht den Sprachstand wie die früh gestarteten“, so die Professorin für Spracherwerb.

„Es gibt aber, wie gesagt, viele Faktoren, die es leichter oder schwerer machen, das Alter ist nur einer davon. Andere Faktoren sind individuelle Unterschiede in den kognitiven Fähigkeiten, zum Beispiel dem Arbeitsgedächtnis, oder der Motivation, sowie die Intensität und Dauer des Sprachenlernens und die Anschaulichkeit der Sprache bei der Vermittlung."

Das Phänomen der „doppelten Halbsprachigkeit“ tritt ihrer Erfahrung nach nur auf, wenn keine der Sprachen von Anfang an durchgängig und im Einklang mit der kognitiven Entwicklung erworben wird. Typisches Beispiel: Ein rein türkischsprachiges Kind kommt in eine deutsche Grundschule. Um es beim Deutschlernen zu „unterstützen“, sprechen die Eltern mit dem Kind nicht mehr türkisch, sondern deutsch, allerdings fehlerhaft. „Der Spracherwerb steht im Zusammenhang mit der kognitiven Entwicklung. Wenn für beides gleichzeitig plötzlich keine altersgerechte Sprache mehr zur Verfügung steht, kann das negative Auswirkungen auf beide Sprachen haben," erklärt Kersten. „Bei multilingualen Kindern ist es wichtig, dass mindestens ein Elternteil die Erstsprache durchgehend mit dem Kind spricht.“

Positive Auswirkungen auf kognitive Entwicklung

Auch für Kinder aus mehrsprachigen Familien oder für Kinder mit Lernschwächen, empfiehlt die Expertin eine zweisprachige Kita. „In unseren Studien zeigen sich oft positive Effekte. Das mag mit der besonderen Pädagogik zu tun haben: Die Erzieherinnen arbeiten viel mit Kontextualisierung: Veranschaulichungen, Visualisierung, Intonation, Einbindung in Aktivitäten und Ritualen – Sprache wird handlungsbegleitend eingesetzt, so dass das Kind immer verstehen kann, worum es geht, selbst wenn es die Sprache nicht versteht“, erläutert Kersten. Sprache wird so auf vielen verschiedenen Kanälen erfahren, mit allen Sinnen, was sich wiederum auch unterstützend auf die kognitive Entwicklung auswirken kann und mehr Chancen für das Verständnis und das Aufbauen der sprachlichen Fähigkeiten für alle Kinder bietet.

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