Nach dem Krieg trifft das schwere Erdbeben die Menschen in Nordsyrien mit ungeheurer Wucht. Bewohner und Zivilhelfer richten einen Hilfsappell an die internationale Gemeinschaft.
Wegen der schwierigen Lage im Bürgerkriegsland kommen kaum internationale Helfer nach Syrien. Doch diese werden dringend für die Versorgung und Bergung der Erdbebenopfer gebraucht.
Mit bloßen Händen graben Helfer in den Trümmern eingestürzter Wohnhäuser im nordsyrischen Ma'arrat Misrin nach Überlebenden des großen Erdbebens. Der Sanitäter Bilal Makhzom ist einer von ihnen:
Makhzom berichtet ZDFheute von einem verzweifelten Kampf: "Hier sind so viele Häuser eingestürzt, es ist der blanke Horror." Es fehle den Helfern an Räumtechnik. "Wir haben nur einen Bagger, der schwere Trümmerbrocken heben kann. Wir brauchen dringend Hilfe von außen!"
Am Dienstagvormittag zieht Makhzom eine erschütternde Zwischenbilanz:
Hilferuf an Internationale Gemeinschaft
Der Zivilschutz in Syrien sendet gleichzeitig einen Hilferuf an die Vereinten Nationen, die Europäische Union, USA und Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dringend gebraucht werden demnach gut ausgerüstete Rettungsteams und Medikamente.
"Jede Verzögerung wird noch mehr Tote zur Folge haben und zu einer noch größeren Katastrophe und Tragödie führen", heißt es in dem Aufruf.
Zum Hintergrund: Die Menschen in Nordwestsyrien sind besonders gefährdet, weil dort laut WHO durch Bombardements des syrischen Militärs und seiner Verbündeten ein Großteil der medizinischen Infrastruktur vernichtet worden ist.
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Reporterin: Leute irren umher, wissen nicht, wohin
Allein in der Gegend um Ma'arrat Misrin bei Idlib berichtet der Zivilschutz von mehreren Hundert Toten. Wie viele Menschen sich noch in den Trümmern eingestürzter Häuser befinden, weiß derzeit niemand.
Sarah Kassim, Reporterin eines lokalen Fernsehsenders in der Region Idlib, berichtet ZDFheute von "großem Chaos auf den Straßen":
Die 22-Jährige sagt: "Die Leute irren umher, wissen nicht, wohin. Alles ist kaputt. Menschen suchen nach Verwandten, sind Tag und Nacht Kälte und Schnee im Freien ausgeliefert. Es ist furchtbar."
Gerade hat Kassim aus einem Hospital berichtet. "Die Ärzte tun ihr Bestes, aber es ist zu viel, was über sie hereinbricht, zu viele Patienten, zu viel menschliches Leid." Ihre Stimme bricht. Sie weint. Entschuldigt sich für ihre Emotionen. Holt tief Luft und sagt schließlich:
Menschen in Nordwestsyrien eingeschlossen
Mehr als 60 Prozent der 4,6 Millionen Einwohner Nordwestsyriens sind Binnenflüchtlinge. In der Region Idlib hat die Regierung des syrischen Diktators Baschar al-Assad keinen Einfluss. Aus Damaskus ist auch keine Hilfe zu erwarten. Im Gegenteil: Die syrische Armee hat das Gebiet seit Jahren weitgehend abgeriegelt.
Waren und Hilfsgüter kommen aus der türkischen Region, die nun ebenso schwer unter den Erdbebenfolgen leidet. In Nordwestsyrien waren bereits vor den Beben Hunderttausende Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. "Dieses Beben", sagt Sarah Kassim, "bricht endgültig vielen von uns das Genick".
ZDF-Reporterin Anne Brühl über die Lage im türkischen Erdbebengebiet:
"Die Situation ist extrem angespannt", sagt ZDF-Reporterin Anne Brühl.
Hilfsorganisationen haben Region Idlib im Blick
Um das zu verhindern, versuchen verschiedene Hilfsorganisationen vom Erdbeben Betroffene auch in Nordwestsyrien mit lebenswichtigen Gütern zu versorgen. "Wir setzen alles daran", sagt Sherine Ibrahim, Länderdirektorin von CARE in der Türkei.
Demnach versorgen CARE-Partnerorganisationen in Syrien die Menschen dort mit Lebensmitteln, Decken, Matratzen und Zelten. Ibrahim zufolge werden wegen des Bebens allerdings weitaus mehr Mittel benötigt, "damit diejenigen, die jetzt draußen in der Kälte ausharren müssen nicht erfrieren und etwas zu Essen und zu Trinken bekommen".
ZDF-Korrespondentin Golineh Atai über die Hilfsmaßnahmen in Syrien: