Internationaler Hebammentag:Was das Studium für Hebammen ändert
von Maurice Göbel
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Hebamme werden - das geht in Deutschland nur noch über ein Studium. Der Beruf ist gefragt, gleichzeitig mangelt es an Hebammen. Was sich durch das Studium für den Beruf ändert.
Seit Anfang diesen Jahres kann man in Deutschland nur noch über ein Studium Hebamme werden. Lia hat sich dafür entschieden. Sie erzählt, warum sie Hebamme werden möchte und welchen Herausforderungen der Studiengang mit sich bringt.04.05.2023 | 5:33 min
Lia-Sophie Sydow (20) hat schon lange einen Wunsch: Sie möchte Hebamme werden. Das Thema Geburt hat sie schon immer fasziniert.
Als Lia in einem Praktikum die Arbeit von Hebammen näher kennenlernt, weiß sie, dass sie später unbedingt selbst als Hebamme arbeiten möchte.
Höhere Einstiegskriterien trotz "Hebammennot"
Hebammen und ihre männlichen Kollegen, die Entbindungspfleger, haben einen verantwortungsvollen und wichtigen Beruf, der aber auch immer wieder in den Schlagzeilen ist. Besonders häufig liest man von einer "Hebammennot". Zwar ist der Beruf gefragt, für angehende Hebammen wie Lia hat sich der Zugang allerdings kürzlich verschärft.
Quelle: Uli Deck/dpa
Hebammen arbeiten in Deutschland entweder angestellt in einer Klinik oder frei und damit selbstständig. Einige freie Hebammen haben darüber hinaus mit Kliniken Kooperationsverträge geschlossen und nutzen als sogenannte Beleghebamme etwa die Kreißsäle.
Während angestellte Hebammen in den Kliniken vor allem die Geburt und die unmittelbare Zeit vor und nach der Entbindung begleiten, lernen freie Hebammen werdende Mütter und ihre Familien in der Regel früher kennen und begleiten sie meist länger. Sie bieten beispielweise Kurse zur Geburtsvorbereitung an und unterstützen Mütter im Wochenbett.
Laut Statistischem Bundesamt arbeiten in Deutschland knapp 27.000 Hebammen. Das Berufsbild ist dabei noch immer sehr weiblich geprägt. Unter den angestellten Hebammen gab es 2021 nur 23 männliche Entbindungspfleger.
Im Zuge des Hebammenmangels wird häufig auf die hohen Beiträge zur Haftpflichtversicherung für selbstständige Hebammen hingewiesen. Laut dem Deutschen Hebammenverband zahlen ihre Mitglieder dieses Jahr brutto 12.659,28 Euro als Haftpflichtprämie. Einen Teil davon bekommen sie zwar über einen "Sicherstellungszuschlag" erstattet, dieser deckt jedoch nur knapp 8.000 Euro. Die immens hohen Kosten bleiben ein Grund dafür, dass sich die Selbstständigkeit für viele freie Hebammen nicht mehr rechnet. Da sich die Prämien nicht am Bildungsgrad orientieren, wird das Problem auch Absolventen der Bachelorstudiengänge begleiten.
Hebammenstudium stärkt Kompetenzen
Seit 1. Januar 2023 kann in Deutschland keine schulische Ausbildung zur Hebamme mehr angefangen werden. Stattdessen qualifizieren Bachelorstudiengänge für den Beruf. Angehende Hebammen, die ihre Ausbildung vor Beginn dieses Jahres angefangen haben, müssen die Ausbildung bis 2027 abgeschlossen haben. Der veränderte Ausbildungsweg geht auf das Gesetz zur Reform der Hebammenausbildung zurück, das Bundestag und Bundesrat 2019 beschlossen haben.
Für Nina Knape, Professorin für Hebammenwissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen (HWG), ist der Hebammenberuf kein "Assistenzberuf", das Berufsbild werde immer anspruchsvoller.
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Studium für Hebammen dual aufgebaut
Lia studiert mittlerweile im zweiten Semester. Sie konnte noch wählen, hat sich aber für den Bachelorstudiengang und gegen eine Ausbildung zur Hebamme entschieden. Für sie haben die Vorteile des Studiums an der HWG Ludwigshafen überwogen:
Studierende wie Lia absolvieren ihr Studium dual. Sie durchlaufen dabei neben Theoriephasen auch Arbeitseinsätze in Kliniken oder bei freien Hebammen. Das vermittelte medizinische Wissen ist im Vergleich zur Ausbildung breiter aufgebaut. In den Kliniken können die Studierenden dadurch beispielweise schneller eigenhändig Aufgaben übernehmen. Im Studium lernen sie zudem den Umgang mit neuen Forschungserkenntnissen.
Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Mit der Reform der Hebammenausbildung und ihrem Inkrafttreten hat die große Koalition eine EU-Richtlinie umgesetzt. Diese sah für die Hebammenausbildung neben einer Anhebung des Ausbildungsniveaus auch eine 12-jährige allgemeine Schulbildung, also das Abitur, vor. Das Studium soll es Hebammen zukünftig erleichtern, international Arbeit zu finden. Gerade im EU-weiten Vergleich hing Deutschland mit seinem Fokus auf einer schulischen Ausbildung für Hebammen lange hinterher.
Aufbauende Masterstudiengänge oder Promotionen bedeuteten für das weiblich geprägte Berufsbild neben dem Ende einer Bildungssackgasse auch ein Ende der systematischen Benachteiligung von Frauen, erklärt Prof. Nina Knape.
Hebammen-Beruf in mehrfacher Hinsicht herausfordernd
Lia kennt auch die Schattenseiten des Berufes. Sie erlebte schon während ihres Studiums, wie belastend die Arbeit als Hebamme etwa durch Arbeitszeiten, aber auch bei Komplikationen oder stillen Geburten sein kann. Dennoch bleibt der Kreißsaal ihr berufliches Ziel.
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Bachelorarbeit plus staatliche Prüfung
Im Alltag begegnen Lia häufig Fragen und Unsicherheiten zum Hebammenberuf. Deshalb hat sie angefangen, über ihr Studium unter "hebammen_reise" auf Instagram zu berichten. Sie klärt auf und zeigt ihren Followern, wie man zum Beispiel für Klausuren oder Übungseinsätze mit anderen Studierenden lernen kann.
Bis zu ihrem Abschluss muss sie noch fünf Semester studieren und neben ihrer Bachelorarbeit eine staatliche Prüfung mit einem mündlichen, schriftlichen und praktischen Teil bestehen. "Im Grunde weiß ich, dass es mein Weg ist und dass ich den auch gut beschreiten werde“, sagt Lia. Die Entscheidung für das Studium bereut sie nicht.
Quelle: dpa
Zwischen Januar und November 2022 kamen in Deutschland laut Statistischen Bundesamt rund 675.600 Kinder zur Welt. Diese vorläufigen Zahlen würden einen Geburtenrückgang von etwa 6,4 Prozent im Vergleich zu den Jahren 2019 bis 2021 bedeuten. Die meisten Kinder werden hierzulande in Krankenhäusern geboren. Dem Deutschen Hebammenverband zufolge fanden im Jahr 2020 nur rund 1,5 Prozent der Geburten geplant außerhalb von Kliniken und damit etwa als Hausgeburt oder in einem Geburtshaus statt.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Deutscher Hebammenverband