Hitzewellen durch Klimawandel: Flucht als einzige Option?

    Extremwetter: Über 45 Grad Hitze:Wird der Klimawandel zur Fluchtursache?

    Zu sehen ist Emina Mujagić.
    von Emina Mujagić
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    Das Weltklima ändert sich und das in einer Geschwindigkeit, die die meisten Voraussagen übertrifft. In Südostasien werden Hitzewellen zu einer immer größer werdenden Bedrohung.

    Philippinen, Bulacan: Mitarbeiter schieben Eisblöcke in einen Swimmingpool in einem Resort
    In Südostasien werden durch den Klimawandel vor allem Hitzewellen zu einer immer größer werdenden Bedrohung. Das Fliehen vor der Hitze ist meist die letzte Option.
    Quelle: dpa

    Manila, Ende April: Das Thermometer zeigt in der philippinischen Hauptstadt 38 Grad Celsius. Gefühlt sind es allerdings um die 55 Grad, denn Manila kämpft mit hoher Luftfeuchtigkeit und extremer Schwüle.

    Anders als die Temperatur, die wir mit einem Thermometer messen, ist die gefühlte Temperatur eine sogenannte "abgeleitete Größe". Es gibt verschiedene Berechnungsverfahren, die Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit, Sonnenstand und Wolkenbedeckung zusätzlich zur "Thermometer-Temperatur" berücksichtigen. Die Fühlwärme kann bis zu 15 Grad von der gemessenen Temperatur abweichen. Zudem empfinden Menschen dieselbe "gefühlte Temperatur" höchst unterschiedlich. Der Deutsche Wetterdienst zum Beispiel bezieht seine Angaben auf einen "Standardmenschen": 35 Jahre alt, 75 Kilo schwer, 1,75 m groß.

    Wir kennen das Problem der Hitzebelastung auch aus Mitteleuropa. Trockene Hitze ertragen wir weit besser als feuchte Hitze. Denn bei hoher Luftfeuchtigkeit und Hitze, also bei großer Schwüle kann der Schweiß, den unser Organismus produziert, um uns zu kühlen, nicht mehr verdunsten. Das empfinden wir als belastend, besonders wenn es absolut windstill ist und wir in der prallen Mittagssonne körperlich schwer arbeiten.

    Katja Horneffer, ZDF-Wetterredaktion

    "Gefühlte Temperatur" steigt an

    Manila ist nur eine Stadt von vielen in Süd- und Südostasien, die einen noch nie dagewesenen Temperaturhöchststand erleben: In Teilen von Bangladesch wurden mehr als 43 Grad gemessen, ebenso in China und Laos. In Thailand, Indien und Myanmar sogar 46 Grad. Die Gefühlten Temperaturen sind auch hier deutlich höher.

    Viele Länder in der Region erlebten 2023 ihr heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, begleitet von einer Flut extremer Bedingungen, von Dürren und Hitzewellen bis hin zu Überschwemmungen und Stürmen.

    Celeste Saulo, Generalsekretärin, Weltorganisation für Meteorologie

    Ein Rekord folgt dem nächsten: Laut dem EU-Erdbeobachtungsdienst Copernicus war der April 2024 der heißeste seit Aufzeichnungsbeginn. Und der elfte Monat in Folge, in dem der Rekord für den heißesten Monat gebrochen wurde.

    Extreme Hitze
    :Thailand: 61 Menschen erleiden Hitzetod

    Eine langanhaltende Trockenperiode mit Temperaturen über 44 Grad hat für Extrembedingungen in Thailand gesorgt. Über 60 Menschen haben die Hitze nicht überlebt.
    Ein Fußgänger benutzt einen Regenschirm, um sich vor der Sonne zu schützen, während er eine Straße bei heißem Wetter in Bangkok, Thailand, überquert, 01.05.2024.
    mit Video

    Haupttäter: Der Klimawandel

    Extremwetter, wie diese Hitze, ist durch den Klimawandel wahrscheinlicher geworden. Das haben Mitglieder der World Weather Attribution Group (WWA) in einer kürzlich durchgeführten Studie herausgefunden. Die Studie hat aufgrund der Aktualität noch keine Peer-Review-Verfahren durchlaufen, die Methode wurde jedoch bereits in einem solchen Verfahren überprüft.
    Beim Thema Hitze sei der Klimawandel ein absoluter "Game Changer", sagte die an der Studie beteiligte Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College London.

    Hitzewellen hat es schon immer gegeben. Aber die zusätzliche Hitze, die durch Emissionen aus Öl, Gas und Kohle verursacht wird, bringt vielen Menschen den Tod.

    Studie der World Weather Attribution Group (WWA)

    Abkühlung am Brunnen
    Hitzewellen, Dürren, Starkregen: der Klimawandel verändert den Planeten. Die Sommer der Zukunft werden heißer. Was macht das mit unserer Gesundheit und wie können wir uns schützen?20.11.2023 | 28:39 min
    Das Ausmaß der Schäden und Belastung durch Hitze hänge davon ab, wie gut eine Gesellschaft auf Veränderung reagieren könne. Es fehle aber vor allem an finanziellen Mitteln, um die Menschen im globalen Süden besser vor den Auswirkungen extremer Wetterereignisse zu schützen. Davon ist auch die Klimawissenschaftlerin Dr. Lisa Thalheimer überzeugt. Sie forscht zu den Auswirkungen des Klimawandels mit Schwerpunkt auf Migration, Konflikte und Ernährungssicherheit.

    "Die Menschen wollen ihre Heimat nicht verlassen"

    Mit zunehmenden Extremwetterereignissen werde auch die Rolle des Klimawandels für Migration und Flucht in der Politik und Öffentlichkeit immer heftiger diskutiert. Dabei seien noch viele Fragen offen: Die Kausalkette - Klimawandel bis zur Flucht - sei sehr komplex. Es gäbe einfach zu viele unterschiedliche Fluchtursachen, die zusammenspielen, gibt Dr. Thalheimer zu bedenken.

    Dass der Klimawandel direkt für mehr Migration verantwortlich sein wird, ist sehr unwahrscheinlich.

    Dr. Lisa Thalheimer, Klimawissenschaftlerin

    Frau mit Brille schaut in Sonnenfinsternis
    Hochwasser plagten Russland, Dubai und China. Zypern und Österreich haben die Badesaison eröffnet, bei uns gab es Schnee. Taiwan erlebte das schwerste Erdbeben seit 25 Jahren. 26.04.2024 | 15:24 min
    Man müsse auch verstehen, dass die Menschen vor Ort nicht migrieren möchten. Sie wollen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Dafür werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Aber bei der Frage der Klimamigration müsse man auch auf die soziale Komponente achten:

    Wenn die Lebensgrundlage beeinträchtigt oder gar zerstört ist, haben die Menschen im globalen Süden keine finanziellen Mittel, um vor dem Klimawandel zu flüchten.

    Dr. Lisa Thalheimer, Klimawissenschaftlerin

    Klimamigration bleibt lokal

    Die allermeisten Menschen, die aufgrund der Klimawandels ihr Zuhause verließen, flohen derzeit aber nicht über Staatsgrenzen, sondern suchen sich innerhalb ihres Heimatlandes Zuflucht. Das seien vor allem vorübergehende Bewegungen, so der Migrationsforscher Prof. Jochen Oltmer.
    Das zeigte etwa auch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021: Die Klimamigrant*innen blieben vorwiegend eher in nahe gelegenen Städten, als in das entfernte Ausland zu flüchten.

    Das heißt, dass wir in diesem Kontext nicht so etwas wie die Süd-Nord-Migration haben. Wenn überhaupt, dann ist es die Süd-Süd-Migration.

    Prof. Jochen Oltmer, Migrationsforscher

    An einem heißen Sommertag in Islamabad am 23. Mai 2024 baden Menschen im Wasser des Rawal-Staudamms.
    In Pakistan herrscht eine extreme Hitzewelle. Die Temperaturen erreichen teilweise über 50 Grad. Um ihre Familien durchzubringen, können sich dennoch viele keine Pause gönnen.28.05.2024 | 0:14 min
    Aber auch der Migrationsforscher sehe hier die soziale Komponente als allerwichtigsten Faktor. Denn der Klimawandel würde die Ressourcen der Menschen zerstören, sodass sie eher in ihrer Umgebung gefangen seien, als dass sie woanders hin fliehen könnten.
    Hier bräuchte es vor allem mehr politisches Engagement und Unterstützung aus den Ländern des globalen Nordens. Diese dürfen sich nicht ihrer Verantwortung entziehen. Denn die westlichen Industrieländer seien die Hauptverursacher von Klimaschäden, unter denen Menschen in den Ländern des globalen Süden leiden.

    Seit Sommer 2023 übernehmen wir im ZDF die Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes. Wir warnen vor einer starken Wärmebelastung, wenn an zwei Tagen hintereinander die gefühlte Temperatur 32 Grad überschreitet (Hitzewarnung Stufe 1). Vor einer extremen Wärmebelastung (Hitzewarnung Stufe 2) wird ab einer gefühlten Temperatur von 38 Grad und mehr gewarnt.

    Katja Horneffer, ZDF-Wetterredaktion

    Fliehen vor dem Klimawandel
    Die Dürre in Kenia verschärft sich. Wanderhirten kämpfen tagtäglich mit Hunger, Durst und Armut. Kilometerweit ziehen sie durch trockenes Land, denn jeder Tropfen Wasser bedeutet Hoffnung für die unterernährten Menschen. 26.07.2023 | 13:53 min
    Emina Mujagic arbeitet im Auslandsressort der ZDF-Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen.

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