Fukushima-Abwasser: China reagiert mit Anti-Japan-Propaganda

    Fukushima-Abwasser:China reagiert mit Anti-Japan-Propaganda

    von Elisabeth Schmidt, Peking
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    Seit Tagen warnen chinesische Staatsmedien vor dem "verstrahlten" Abwasser, das Japan nun aus dem Kernreaktor Fukushima ins Meer leitet. Die Propaganda ist politisch motiviert.

    Ein Mann steht in Peking vor einem Bildschirm, auf dem Nachrichten über japanische und südkoreanische Proteste gezeigt werden am 24.08.2023.
    Chinas Nachrichten berichten über Proteste in Japan und Südkorea, nachdem mit dem Ableiten des Kühlwassers aus Kernkraftwerk Fukushima begonnen wurde.
    Quelle: AP

    Einige chinesische Supermarkt-Regale sind bereits leer: Jodsalz ist in diesen Tagen heiß begehrt in der Volksrepublik. "Meine Kollegin sagt, sie will Salz für die nächsten drei bis fünf Jahre holen", schreibt ein Nutzer auf dem sozialen Netzwerk Weibo. Ein anderer schreibt:

    Ich habe gerade Leute Dutzende Packungen Salz kaufen sehen.

    Weibo-Nutzer

    Die renommierte Pekinger Tsinghua-Universität veröffentlichte eine Studie zur Ausbreitung des radioaktiven Kühlwassers von Fukushima: 240 Tage brauche es, um die chinesische Küste zu erreichen, 1.200 Tage, um sich im gesamten Nordpazifik zu verteilen.

    China stoppt Importe von Fisch und Meerestieren aus Japan

    Dass die Konsistenz des radioaktiven Isotops Tritium dann so gering sein wird, dass es nicht mehr als "Fukushima-Wasser" identifizierbar ist, wird verschwiegen. Auch die chinesische Propaganda verbreitet sich rasend schnell, die Hamsterkäufe sind ein Zeichen davon.
    Fukushima: Reaktorwasser in Pazifik geleitet
    Der Betreiber Tepco hält das für notwendig, weil die zahlreichen Sammeltanks voll sind. Grundsätzlich halten viele Experten diesen Schritt für unbedenklich.24.08.2023 | 1:47 min
    Aus dem Atomkraftwerk Fukushima soll aufbereitetes Kühlwasser in den Pazifik abgelassen werden:
    Fast zeitgleich mit dem Beginn der Verklappung im havarierten Kernkraftwerk Fukushima Daiichi, verkündet das chinesische Zollamt: Ab sofort werden jegliche Importe von Fisch und Meerestieren aus Japan gestoppt.

    Auch Demonstrationen in Südkorea

    So weit geht Nachbar Südkorea zwar nicht. Doch auch in dessen Hauptstadt Seoul gibt es an diesem Donnerstag wütende Proteste. 16 Menschen seien festgenommen worden, verkündet die Polizei.
    Selbst in Japan versammeln sich, wie schon in den vergangenen Tagen, dutzende Demonstrierende vor dem Hauptsitz des Energiebetreibers TEPCO. "Ich mache mir Sorgen", sagt der 39-jährige Satoshi Matsuda.

    Warum hat die Regierung nicht mehr Beweise vorgelegt, dass das Wasser keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat?

    Satoshi Matsuda, japanischer Demonstrant

    Die Skepsis ist auch damit begründet, dass AKW-Betreiber TEPCO nach der Nuklear-Katastrophe 2011 Untersuchungsergebnisse geschönt hatte.

    Universität Hannover: Abgeleitetes Tritium weit unter WHO-Empfehlung

    Und dennoch: Das Tritium, das nun abgeleitet wird, sei in einer Konzentration vorhanden, die siebenfach geringer sei als die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation für Trinkwasser, erklärt Prof. Clemens Walther, Strahlenschutzexperte an der Leibniz Universität Hannover.
    Fukushima Kernkraftwerk von oben
    Seit der Katastrophe wurden rund 1,3 Millionen Tonnen radioaktiv belastetes Kühlwasser in Tanks gefüllt. 06.07.2023 | 4:42 min
    Was bedeutet es, wenn Kühlwasser ins Meer geleitet wird? Georg Steinhauser, Radioökologe an der TU Wien mit einer Einschätzung:
    Das Wasser könne man "wenn es kein Salzwasser wäre, gefahrlos trinken", sagt Walther. Doch TEPCOs Glaubwürdigkeitsproblem ist groß, wissenschaftliche Erkenntnisse kommen dagegen nur schwer an. Dass das Ableiten von Tritium-Wasser aus Kernkraftwerken allerdings eine weltweit gängige Praxis ist, wird in den Staatsmedien in China nicht erwähnt.

    Professor: Auch China und Südkorea leiten Wasser aus Kernkraftwerken ab

    "Auch Südkorea und China tun das", erläutert Prof. Walther.

    In China leitet das Kernkraftwerk in Zhanjiang das Fünffache dessen ab, was TEPCO jetzt vorhat.

    Prof. Clemens Walther, Strahlenschutzexperte Leibniz Universität Hannover

    "Sehen wir uns die Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Frankreich an, so leitet sie das 500-Fache dessen pro Jahr ab", ergänzt Walther.

    Fukushima-Propaganda kommt für China gerade recht

    Die wabernde Angst in vielen Anrainerstaaten im Indopazifik hat vor allem damit zu tun, dass Langzeitstudien zum Tritium-Wasser fehlen. In China werden in den Staatsmedien internationale, wissenschaftliche Fakten gerne ausgeklammert.
    Historisch bedingte Animositäten mit Japan sitzen vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg tief.
    Ein chinesisches Patrouilleboot bei einer Fahrt in den Gewässern zwischen China und Taiwan am 5. April 2023.
    Japan rüstet auf - im Wettkampf gegen China. 01.06.2023 | 10:31 min
    Aufgrund der jüngsten Spannungen um den Inselstaat Taiwan rüstet Japan auf:
    Hinzu kommt Japans derzeitige Allianz mit den USA hinsichtlich der Spannungen im Indopazifik. Die Fukushima-Propaganda gegen die Regierung in Tokio kommt Peking derzeit politisch zu pass.

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