Ukraine: Wie glaubwürdig britische Geheimdienstberichte sind

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    Britische Meldungen zur Ukraine:Wie glaubwürdig sind UK-Geheimdienstberichte?

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Täglich veröffentlicht der britische Militärgeheimdienst Analysen zum Ukraine-Krieg in den sozialen Medien. Wie zuverlässig sind die Berichte und was ist die Strategie dahinter?

    Das Bild zeigt ukrainische Soldaten, die eine Drohne bedienen. (Archivbild)
    Die Informationsgewinnung, hier von der ukrainischen Armee, und -Verbreitung spielt in Kriegen laut dem britischen Ex-Presseoffizier Roche eine wichtige Rolle. (Archivbild)
    Quelle: epa

    "London: Putin rüstet Nationalgarde auf", "London: Russische Luftwaffe ineffektiv", "London: Russland geht gegen VPN-Zugänge vor": Nahezu täglich erscheinen bei ZDFheute und vielen anderen Medien Artikel zum Ukraine-Krieg mit solchen Überschriften. Immer wieder verweisen Nachrichten auf Großbritannien als Quelle, wenn es um Entwicklungen in der Ukraine geht. Was steckt dahinter?

    Woher kommen die britischen Berichte?

    Dass Großbritannien so regelmäßig Quelle von Ukraine-Berichten ist, liegt am britischen Militärgeheimdienst "Defence Intelligence". Über den Kurznachrichtendienst X, das frühere Twitter, verbreitet das britische Verteidigungsministerium jeden Tag ein Ukraine-Update basierend auf Analysen des Geheimdiensts.
    Ukraine-Geheimdienstbericht vom 12. August 2023
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    Teils geht es dabei um neueste Entwicklungen der zurückliegenden 24 Stunden, oft aber auch um mittel- und längerfristige Veränderungen auf dem Schlachtfeld. Im Fokus stehen vor allem die Stärken und Schwächen der russischen Streitkräfte. Die ukrainische Seite wird offensichtlich aus Rücksichtnahme auf deren operative Sicherheit deutlich seltener besprochen.
    Solche Berichte sind eine normale Aufgabe der Geheimdienste - nur sind sie meist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern richten sich an Politik und Behörden.
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    Welche Strategie verfolgen die Briten mit den Ukraine-Updates?

    "Stand jetzt gibt es in der Ukraine etwas, das man eine Schlacht der Narrative nennen könnte. Es geht darum, unsere Version der Wahrheit schnellstmöglich zu verbreiten", beschreibt Laurence Roche das Ziel des britischen Geheimdiensts gegenüber ZDFheute. Roche war bis 2021 Major der britischen Armee und Sprecher verschiedener Militäreinheiten. Dabei erkannte er früh das Potenzial der sozialen Medien und war 2009 der erste britische Soldat, der offiziell aus dem Einsatz im Irak heraus twitterte.
    "Wie so viele Organisationen hat das Militär eine Vielzahl an Abkürzungen und Fachausdrücken. Es geht darum, unsere Aktivitäten auf eine Weise zu kommunizieren, die die breite Öffentlichkeit versteht", sagt Roche. Dass die Berichte eine große Verbreitung finden und von Medien aufgegriffen werden, sei ein großer Erfolg.

    Für das Militär sind Informationen vermutlich so wichtige Werkzeuge wie unsere Panzer. Wenn Soldaten eine Ortschaft einnehmen, aber niemand hört davon, hat es dann wirklich stattgefunden?

    Laurence Roche, ehemaliger britischer Presseoffizier

    Wie verifizieren Medien die Geheimdienstberichte?

    Die Berichte befassen sich oft mit militärischen Themen, zu denen Korrespondenten vor Ort in Russland und der Ukraine nur einen begrenzten Zugang haben. Das erschwert die unabhängige Verifizierung. Quellen für seine Analysen führt der Geheimdienst nicht an.
    "Im Verteidigungsbereich ist es grundsätzlich Priorität Nummer eins, die Menschen, mit denen man dient, und seine Informationsquellen zu schützen", betont Roche. "Es wird genau darauf geachtet, dass die Information so zutreffend ist, wie wir sie verifizieren können. Aber wenn man solche Inhalte veröffentlicht, würde man niemals etwa genaue Ortsangaben offenbaren."
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    Gleichzeitig sind die Beobachtungen der Briten für Militärexperten nur selten überraschend. Oft dreht es sich um Themen, die unter Fachleuten bereits diskutiert werden. Das hat dem Militärgeheimdienst schon den Vorwurf eingebracht, sich teils bei anderen Analysten zu bedienen oder Gerüchte aus russischen Telegram-Kanälen aufzugreifen.
    Anders als bei Meldungen der russischen Behörden gibt es bislang keine Anzeichen für gezielte und systematische Falschinformationen in den britischen Dossiers. Das würde auffallen und sich unter Experten herumsprechen. Dennoch wirft Moskau dem britischen Verteidigungsministerium eine "Desinformationskampagne" vor.
    Das Bild vom 06.06.2023 zeigt die von Russland behauptete Zerstörung eines in Deutschland hergestellten Leopard-Panzers.
    Beispiel für eine Falschinformation: Anfang Juni veröffentlichte Russland dieses Bild eines angeblich zerstörten Leopard-Panzers. Es stellte sich als brennender Mähdrescher heraus. (Archivbild)
    Quelle: AP

    Wie muss man die Formulierungen der Geheimdienste interpretieren?

    "Nach Geheimdienstinformationen" klingt für viele Leser automatisch wichtig - das birgt die Gefahr, den Analysen zu viel Bedeutung beizumessen. Tatsächlich sind viele der Beobachtungen vergleichsweise banal und bedeuten nicht automatisch eine Wendung des Krieges. So ein falscher Eindruck kann auch durch die Kürze der Analysen erweckt werden, die oft wenig Raum für Nuancen lässt. Kommunikationsexperte Roche wendet dagegen ein:

    Soziale Medien müssen zugänglich sein. Es können keine langen Essays sein. Es geht also mehr darum, das, was passiert, in Schlagzeilen zu packen.

    Laurence Roche, ehemaliger britischer Presseoffizier

    Um die Meldungen richtig zu interpretieren, muss man auch auf Formulierungen achten, mit denen Geheimdienste ausdrücken, für wie gesichert sie eine Information ansehen. Die Briten definieren es so: Wenn etwas "unwahrscheinlich" ("unlikely") ist, entspreche das einer Wahrscheinlichkeit von 25 bis 35 Prozent. Es wird auch zwischen "wahrscheinlich", "höchstwahrscheinlich" und "nahezu sicher" unterschieden, wobei "wahrscheinlich" ("likely") eine Wahrscheinlichkeit von 55 bis 75 Prozent ausdrücke. Die britische Regierung hat auf ihrer Webseite weitere Hinweise veröffentlicht.
    Grafik des britischen Verteidigungsministeriums
    So stuft der britische Militärgeheimdienst Wahrscheinlichkeiten ein.
    Quelle: Britisches Verteidigungsministerium

    Fazit zu den britischen Geheimdienstberichten

    Die täglichen britischen Geheimdienstberichte sind eine der erfolgreichsten PR-Maßnahmen westlicher Kräfte seit Russlands Invasion der Ukraine. Das muss nicht automatisch gegen sie sprechen. Am Ende sind die Dossiers eine gleichermaßen informative wie mit Blick auf das Fehlen transparenter Belege problematische Quelle.
    Ein umfassendes oder gar die Ukraine bloßstellendes Lagebild liefern sie nicht, sind aber ein nützliches Puzzleteil zum besseren militärischen Verständnis - sofern Leser sie richtig einzuschätzen wissen.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

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