Seenotrettung: Verfahren gegen "Iuventa" eingestellt

    Etappensieg für Seenotrettung:Verfahren gegen "Iuventa" eingestellt

    Andreas Postel
    von Andreas Postel
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    Nach einem Mammut-Prozess wurde das Verfahren gegen die Crew der "Iuventa" eingestellt. Der Konflikt um Seenotrettung im Mittelmeer schwelt unterdessen weiter.

    Flüchtlinge sitzen bei einem Einsatz an Bord des Schiffes "Iuventa".
    Der "Iuventa-Fall": Italiens größtes Strafverfahren gegen zivile Seenotretter
    Quelle: dpa

    Fast sieben Jahre nach Beschlagnahmung des Seenotrettungsschiffs "Iuventa" durch italienische Behörden ist das Verfahren gegen die damalige Crew eingestellt worden. Dies entschied ein Gericht im italienischen Trapani auf Sizilien.
    Die "Iuventa" war 2016 eines der ersten privaten Schiffe zu Rettung von Migranten im Mittelmeer. Nach Angaben der Hilfsorganisation "Jugend Rettet" konnte sie bis zur Festsetzung durch die Behörden mehr als 14.000 Menschen retten. Am Freitagmittag war es dann so weit: Der Richter in Trapani auf Sizilien stellt das Verfahren ein. Der sogenannte "Iuventa-Fall" war das größte Strafverfahren gegen zivile Seenotretter in Italien.
    Bootsmigranten im Mittelmeer. Archivbild
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    "Iuventa"-Prozess dauerte sieben Jahre

    In dem sieben Jahre dauernden Prozess, der drei Millionen Euro gekostet hat, wurden die Angeklagten der "Beihilfe zur illegalen Immigration" beschuldigt. In einer ersten Reaktion begrüßt die "Iuventa"-Crew die Entscheidung, um gleichzeitig deutliche Kritik zu üben. Die Ermittlungen und das langwierige Verfahren habe einen großen Schaden für die Seenotrettung bedeutet.
    Das Schiff, das im Auftrag der deutschen Organisation "Jugend Rettet" zur Hilfe für Migranten auf dem Mittelmeer unterwegs war, wurde im Sommer 2017 beschlagnahmt. Gegen die Crew und andere Helfer wurde wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung ermittelt. Ihnen wurde zur Last gelegt, mit Schleusern aus Libyen zusammengearbeitet zu haben.
    Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer, der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der zyprische Präsident Nikos Christodoulides, der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni während ihres Gipfeltreffens in Kairo.
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    Konflikt um Seenotrettung dauert an

    Doch all das ließ sich nicht belegen. Auf dem Mittelmeer sind auch heute noch mehrere Schiffe von Nichtregierungsorganisationen unterwegs, um Migranten aus Seenot zu retten. Immer wieder kommt es auf der gefährlichen Überfahrt von Afrika nach Europa zu tödlichen Katastrophen. Gleichzeitig schränkt die italienische Regierung die Arbeit der privaten Hilfsorganisationen immer wieder ein. Die NGOs seien mitverantwortlich für die Zunahme des Menschenhandels aus Afrika. Die Komplizenschaft zwischen Menschenhändlern und NGO wurde allerdings durch den am Freitag beendeten Prozess widerlegt.
    Ein wichtiger Etappensieg, denn der Konflikt mit den Hilfsorganisationen schwelt weiter. Allein in der ersten Aprilwoche 2024 stoppte die italienische Regierung drei unter deutscher Flagge fahrende NGO-Rettungsschiffe: die Humanity 1, Sea Watch 5 und Sea Eye 4. Gegen letztere wurde eine 60-tägige Blockade verhängt. Seit Januar 2023 wurden nach Angaben von United4Rescue neun Schiffe der Flotte in 19 Fällen von den italienischen Behörden festgehalten.

    Seenotretter riskieren Beschuss

    Nicht besser ergeht es der unter italienischer Flagge fahrenden Mare Jonio, die am 4. April 2024 riskierte, während einer Rettungsaktion von der libyschen Küstenwache beschossen zu werden. Die Organisation Mediterranea beschuldigte Italiens Innenminister Matteo Piantedosi der Lüge, als dieser im Parlament erklärte, die NGO habe "Migranten dazu angestiftet, ins Meer zu springen, um die Rettung durch die libysche Küstenwache zu unterbrechen".
    Der Konflikt ist lang. Im Sommer 2017, zur Zeit der Ereignisse um die "Iuventa", erarbeitete der damalige Innenminister Marco Minniti einen Verhaltenskodex, der die Rettung von Migranten in internationalen Gewässern nördlich von Libyen regeln sollte. Im selben Jahr unterzeichnete Italien mit Ministerpräsident Paolo Gentiloni das Memorandum Italien-Libyen, das den libyschen Behörden wirtschaftliche Hilfe und technische Unterstützung bei der Eindämmung der Migrationsströme bietet.
    Das Versprechen einer militärischen Seeblockade, das Giorgia Meloni seit Jahren wiederholt hat, ist zwar mittlerweile vom Tisch, aber die NGOs sind ein erklärter Feind der Premierministerin und ihres Innenministers Matteo Piantedosi geblieben. Anfang 2023 erließ die italienische Regierung ein Dekret, das die NGOs verpflichtet, nach jeder Rettungsaktion an Land zu gehen. Eine Maßnahme, die weitere Rettungsaktionen erschwert, zumal die NGO-Schiffe in weit vom Mittelmeer entfernte Häfen wie Ancona und Ravenna geschickt werden, wodurch sich die Zeit für die Rückkehr der NGO-Boote in das Such- und Rettungsgebiet verlängert.

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