Ukraine-Krieg: Was bedeutet Macrons Bodentruppen-Aussage?

    Neue Strategie in Paris:Was bedeutet Macrons Bodentruppen-Aussage?

    ZDFheute Update - Jan Schneider
    von Jan Schneider
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    Frankreichs Präsident schließt die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht aus. Was bezweckt er mit dieser Aussage und welche Konsequenzen hätte dieser Schritt?

    Macron
    Frankreichs Präsident Macron will den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht ausschließen. Kanzler Scholz erteilte diesem Gedanken eine klare Absage.27.02.2024 | 1:57 min
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat kurz vor dem Ende der internationalen Ukraine-Konferenz in Paris mit einer Aussage für Aufsehen gesorgt. Am Montagabend sagte er bei dem Treffen von über 20 Staats- und Regierungschefs, dass er den Einsatz französischer Bodentruppen in der Ukraine nicht ausschließe. Es gebe zwar keinen Konsens, offiziell Truppen zu senden, aber man werde "alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann."

    Also ist alles möglich, wenn es hilfreich ist, um unser Ziel zu erreichen.

    Emmanuel Macron, französischer Präsident

    Später bekräftigte auch der französische Premierminister Gabriel Attal Macrons Aussage: "Man kann nichts ausschließen in einem Krieg (...) im Herzen Europas", sagte Attal am Dienstag im Radiosender RTL.
    Diana Zimmermann und Thomas Walde
    Macron dachte am Montag laut über eine Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nach, Scholz lehnt das ab. Diana Zimmermann und Thomas Walde berichten über die Hintergründe. 27.02.2024 | 2:12 min

    Was ist über die Pläne bekannt?

    Bisher ist wenig bekannt darüber, was auf der Konferenz in Paris zum Thema Bodentruppen besprochen wurde. Als Ergebnis des Treffens wurde die Bildung einer Koalition präsentiert, die die Ukraine mit Raketen und Bomben mittlerer und längerer Reichweite für Schläge weit hinter die russischen Linien versorgen soll. Außerdem ging es um Möglichkeiten, Kiew schneller mit mehr Munition zu versorgen.
    Robotyne an der Front
    "Für das Jahr 2024 sehe ich kein Ende für diesen Krieg", sagt Politikwissenschaftler Carlo Masala. Da gebe es nichts, was Hoffnung geben könnte.24.02.2024 | 2:28 min
    Geäußert zu den Überlegungen bezüglich Bodentruppen hat sich aber der slowakische Ministerpräsident Robert Fico. Er bestätigte die Pläne einiger EU- und Nato-Staaten, eine Entsendung von Soldaten in die Ukraine in Betracht zu ziehen. Fico sprach dabei von einem Dokument, das ihm "einen Schauer über den Rücken jagt". Er warnte damit vor einer "gefährlichen Eskalation der Spannungen" mit Russland und einer Ausweitung des Konflikts.
    Welche Staaten genau die Entsendung diskutiert haben, gab auch Fico nicht preis. Der slowakische Ministerpräsident gilt als äußert Russland-freundlich und beklagte erst kürzlich die "falsche Dämonisierung" des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
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    Laut Außenministerin Baerbock sei es Ziel des russischen Präsidenten, dass die Ukraine sich ergebe. "Das ist für Putin Frieden."24.02.2024 | 4:48 min

    Was könnte hinter der Ankündigung stecken?

    Macron versuche mit seiner Aussage, die "strategische Ambiguität" wiederherzustellen, erklärt der Militärexperte Carlo Masala gegenüber ZDFheute. Dahinter steckt die militärische Strategie, den Gegner - in diesem Fall Russland - im Unklaren darüber zu lassen, was man selbst bereit ist zu tun in dem Konflikt. Im Kern sei es also erstmal eine Aussage zur Abschreckung und keinesfalls die Garantie, dass Frankreich in naher Zukunft Truppen in die Ukraine sendet. Das entspricht auch der üblichen Rhetorik der USA, wonach "alle Optionen" auf dem Tisch liegen.
    Dass Macron bei seiner Aussage sehr vage bleibt, sei dabei Teil der Strategie: Er nennt keine klare rote Linie, bei der - sollte sie von Putin überschritten werden - sofort Truppen geschickt werden. Damit halte sich der französische Präsident allerdings auch die Hintertür offen, die Truppen nie zu schicken.

    Meines Erachtens ist das die richtige strategische Haltung: Lass deinen Gegner im Unklaren darüber, was du zu tun bereit bist.

    Carlo Masala, Universität der Bundeswehr

    Allerdings sei Macron auch der "Ankündigungsweltmeister und zögerlicher Lieferer", es sei also fraglich, wie groß die Abschreckungswirkung der Aussage für Russland ist.
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    Welche Rolle spielt "Ankündigungsweltmeister" Macron?

    Frankreich stand in den vergangenen Wochen mehrfach in der Kritik, weil es nicht genug Waffen liefere an die Ukraine. Mit seiner Äußerung stellt sich Macron nun offensiv auf der internationalen Bühne als Antreiber dar, verpflichtet sich aber zu nichts. Deutsche Diplomaten beeilten sich zu betonen, dass Frankreich für seine Pläne keinerlei Unterstützung während der Konferenz bekommen habe und diese schlicht nicht möglich seien, berichtet unser ZDF-Korrespondent Thomas Walde aus Paris.

    Wenn Macron das ernst meinte mit seinen Äußerungen, hätte er das vorher international abgestimmt. Das hat er aber nicht getan.

    Thomas Walde, ZDF-Korrespondent in Paris

    Das zeige die Zerrissenheit unter den westlichen Unterstützern der Ukraine angesichts des russischen Vormarschs.
    Der Konfliktforscher Andreas Heinemann-Grüder vom Bonn International Centre for Conflict Studies gibt noch zu bedenken, dass eine solche Entscheidung weder durch die Nato noch die EU als Ganzes legitimiert werden könne. Frankreich bräuchte für die Entsendung also nicht die Zustimmung anderer Staaten. Denkbar sei etwa auch die Verstärkung der ukrainischen Territorialverteidigung durch Fremdenlegionäre, so Heinemann-Grüder . 
    Schaltgespräch mit Thomas Walde aus Paris
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schließt den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht mehr aus. ZDF-Korrespondent Thomas Walde mit einer Einschätzung aus Paris.27.02.2024 | 1:15 min

    Welche Konsequenzen hätte der Einsatz von Bodentruppen?

    Sobald französische Bodentruppen den Fuß in die Ukraine setzen, ist Frankreich offiziell Kriegsteilnehmer in diesem Konflikt, erklärt Masala weiter. Die Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine berge daher ein erhebliches Eskalationspotential. Die Eskalation - etwa auch der Einsatz von Atomwaffen - sei aber kein Automatismus. Dahinter stecke das sogenannte "Stabilität-Instabilität-Paradoxon", eine Theorie der internationalen Beziehungen in Bezug auf die Wirkung von Atomwaffen und deren Zerstörungskraft.
    Mit Frankreich würde eine weitere Nation mit Atomwaffen in den Konflikt eintreten. Sollte Russland dies mit einem Atomschlag beantworten, muss es in Kauf nehmen, das Paris ebenfalls Atomwaffen einsetzt - man nennt das die "Zweitschlagsfähigkeit". Es sei daher möglich, dass Frankreich mit Bodentruppen in den Ukraine-Krieg eingreift, ohne diese maximale Eskalation auszulösen.
    Fazit: Macrons Ankündigung ist in erster Linie strategischer Natur und weniger ein konkretes Vorhaben. Sollte es zu einem Einsatz von westlichen Bodentruppen in der Ukraine kommen, erhöht das die Gefahr einer Eskalation des Konflikts, diese ist aber nicht garantiert.
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