Polnisch-ukrainische Grenze: Probleme der Bauern ungelöst

    Polnisch-ukrainische Grenze:Bauern-Blockaden: Keine Lösung in Sicht

    von Thomas Dudek
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    Seit Wochen blockieren polnische Landwirte die Grenze in die Ukraine. Doch die innenpolitischen Verhältnisse in Polen und der Ukraine verhindern eine schnelle Lösung des Problems.

    Polen, Warschau: Polnische Landwirte demontrieren in Warschau gegen die EU-Agrarpolitik und die Einfuhr günstiger Agrarprodukte aus der Ukraine.
    Der Streit über ukrainische Getreideexporte dauert seit Monaten an (Archivfoto).
    Quelle: dpa

    Als Polens Ministerpräsident Donald Tusk Ende Januar in Kiew weilte, geizte er nicht mit solidarischen Worten. "Jeder, der heute in der freien Welt Neutralität mimt, der sowohl zu Russland als auch der Ukraine die gleiche Distanz vorspielt oder gar präsentiert, verdient den dunkelsten Platz in der politischen Hölle", so Tusk damals.
    Dass zwischen Worten und der Realität jedoch eine gewisse Diskrepanz herrschen kann, zeigt seit Monaten die Situation an der polnisch-ukrainischen Grenze.
    Nachdem im Herbst vergangenen Jahres zuerst strenge polnische Grenzkontrollen den Grenzverkehr behinderten und später Spediteure die polnischen Grenzübergänge blockierten, sind es nun die polnischen Landwirte, die an den Grenzübergängen zu der Ukraine für Stillstand sorgen.
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    Die Blockaden sind Teil der seit Wochen auch in Polen landesweit stattfindenden Bauernproteste, die am kommenden Mittwoch ihre Fortsetzung finden werden. Diese richten sich gegen die Agrarpolitik der EU und gegen den Import von landwirtschaftlichen Produkten aus Nicht-EU-Ländern, insbesondere der Ukraine. Nach Meinung polnischer Bauern gefährdet beides ihre wirtschaftliche Existenz. Zudem fordern sie Garantien für polnische Zuchtbetriebe.

    Stimmung zwischen Polen und Ukraine scheint endgültig zu kippen

    Obwohl der Streit über ukrainische Getreideexporte bereits seit dem vergangenen Jahr andauert, scheint mit den aktuellen Bauernprotesten die Stimmung zwischen den beiden Staaten endgültig zu kippen. Am Sonntag klagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj:

    Die Situation an der Grenze hat schon längst jede ökonomische und moralische Grenze überschritten.

    Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Präsident

    Was sich auch in den politischen Beziehungen offenbart. So soll Kiew, zumindest wenn man einigen Medienberichten glauben mag, den polnischen Präsidenten Andrzej Duda von der zentralen Gedenkfeier zum 2. Jahrestag des Beginns der russischen Großinvasion in Hostomel ausgeladen haben.
    Ein für den 24. Februar von Selenskyj vorgeschlagenes Treffen beider Regierungen an der Grenze, wurde hingegen von der polnischen Seite abgelehnt. Laut Ministerpräsident Tusk seien dafür die gemeinsamen Regierungskonsultationen am 28. März in Warschau ausreichend.
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    Tusk-Vorschlag sorgt für Verwunderung in Ukraine

    Stattdessen präsentierte Tusk vergangene Woche einen Vorschlag, der wiederum in Kiew für Verwunderung sorgte. Der polnische Regierungschef erklärte:

    Ich bin bereit, harte Entscheidungen zu treffen, wenn es um die Grenze mit der Ukraine geht. Damit es keine Unstimmigkeiten gibt, in Zusammenarbeit mit der Ukraine.

    Donald Tusk, polnischer Regierungschef

    Er kündigte an, dass man mit dieser über eine temporäre Schließung der Grenze mit Kiew verhandele. Was von Mitgliedern der ukrainischen Regierung jedoch umgehend dementiert wurde. "Die Ukraine hat nicht vor, die Grenze mit Polen zu schließen. Niemand von der ukrainischen Seite führt dementsprechende Verhandlungen" verkündete Vize-Ministerpräsident und Infrastrukturminister Oleksandr Kubrakow via X, vormals Twitter.
    X-Post des ukrainischen Infrastrukturministers Oleksandr Kubrakow
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    Polnische Landwirte sind wichtige Wählerklientel

    Dass der Streit politisch so eskaliert ist, hat auch mit der Situation in den beiden Ländern zu tun. In Polen sind die Landwirte, darunter viele Kleinbauern, eine wichtige Wählerklientel, die rund 2 Prozent des Bruttosozialprodukts erarbeitet und auf die Tusk schon aus Koalitionsgründen Rücksicht nehmen muss.
    Denn neben der altehrwürdigen PSL und der relativ jungen Agrounia sind in der Regierungskoalition gleich zwei Bauernparteien vertreten. Und obwohl auch in Polen darüber diskutiert wird, ob die Bauernproteste von Moskau unterwandert werden, zeigen aktuelle Umfragen, dass eine Mehrheit der Polen diese unterstützt. Eine Meinung, die Tusk nicht ignorieren kann.

    Ukraine braucht reibungslosen Ablauf an der Grenze für Verteidigung

    Wenig Spielraum hat jedoch auch die ukrainische Regierung. Die Landwirtschaft ist für das Land ein bedeutender Wirtschaftszweig, der für fast elf Prozent des Bruttosozialprodukts verantwortlich ist. Und die Grenze zu Polen spielt seit der russischen Großinvasion eine wichtige Rolle für den Export der landwirtschaftlichen Erzeugnisse.
    Doch noch aus einem anderen Grund ist ein reibungsloser Ablauf an der Grenze für die Ukraine von enormer Bedeutung. Über diese gelangt ein großer Teil der militärischen und humanitären Unterstützung in das Land. Eine Hilfe, die für die Ukraine überlebenswichtig ist.
    Eine wichtige Rolle bei der Suche nach einer Lösung des Problems dürfte die EU-Kommission spielen. So bemüht sich die polnische Regierung unter anderem um Ausnahmen für Polen bei der EU-Klimapolitik. Man erhofft sich, die Landwirte zumindest etwas zu beruhigen.

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