Verhaltene Freude in London: Ein Jahr Premier Rishi Sunak

    Tories in Großbritannien:Sunak ein Jahr Premier: Wenig Grund zu feiern

    Yacin Hehrlein
    von Yacin Hehrlein
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    Londons Premierminister Rishi Sunak ist nun ein Jahr im Amt und hat doch wenig Grund zur Freude. Seine Partei schwächelt, die Probleme in Großbritannien häufen sich. Eine Bilanz.

    Premierminister Rishi Sunak seit einem Jahr im Amt
    Premierminister Rishi Sunak ist seit einem Jahr im Amt - eine Bilanz.
    Quelle: dpa

    Eigentlich hatte Rishi Sunak vor einem Jahr ausgezeichnete Startbedingungen. Er musste eigentlich nur anders sein als seine beiden Vorgänger im Amt des britischen Regierungschefs. Anders als Boris Johnson, von dessen Skandalen und laxem Umgang mit Wahrheit die Briten müde geworden waren, und anders als Liz Truss, die mit ihrer abenteuerlichen Finanzpolitik die Märkte ins Rutschen brachte und nach bereits 45 Tagen als Premierministerin abdanken musste.

    Sunak präsentierte sich als Macher

    Entsprechend pragmatisch legte Sunak - Großbritanniens erster Premier asiatischer Abstammung - dann auch los, indem er den gordischen Knoten des lang umkämpften Nordirland-Protokolls durchschlug. Jahrelang ließ sich im Streit, wie man mit den im Brexit-Abkommen festgeschriebenen Zollkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs umgehen solle, keine Einigung finden.
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    Teils auch deshalb, weil es Johnson wie auch Truss allem Anschein nach nicht allzu dringend daran gelegen war, die Bürokraten in Brüssel als Feindbild aufzugeben. Das Lächeln auf dem Gesicht von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch auf der Insel im Zuge der Unterzeichnung des sogenannten Windsor-Rahmenabkommens sprach Bände. "Endlich jemand, mit dem man reden und verhandeln kann", schien es zu sagen.

    Schwierige Ausgangslage für Sunak

    Auch ansonsten versuchte er, sich die Aura des nüchternen Machers zu geben, insbesondere in der Wirtschaftspolitik. Unter Johnson bekleidete Sunak schließlich den Posten des Schatzkanzlers, das zweitwichtigste politische Amt im Lande.
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    Doch die Voraussetzungen waren denkbar schlecht. Die Nachwirkungen des Truss-Schocks, eine Inflationsrate, die sich hartnäckig über Kontinentaleuropa hält und die anhaltenden negativen Folgen des Brexits setzen der britischen Wirtschaft zu.

    Asylpolitik: Immer schärfere Maßnahmen, ohne Erfolg

    Sunak hat fünf Prioritäten für seine Regierung formuliert: Die Inflationsrate halbieren, die Wirtschaft wieder wachsen lassen, die Staatsverschuldung reduzieren, die Wartezeiten im Gesundheitswesen abbauen und "die Boote stoppen". Hinter dem schmissigen Slogan Nummer 5 verbirgt sich eine Verbeugung an den rechten Rand seiner Partei.
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    Um der irregulären Einwanderung mittels kleiner Boote über den Ärmelkanal Einhalt zu gebieten, werden immer schärfere Maßnahmen diskutiert wie die Abschiebung Asylsuchender nach Ruanda oder deren Unterbringung auf einem schwimmenden Wohn-Container mit dem Namen Bibby Stockholm. Das alles mit bisher denkbar geringem Erfolg, aber Hauptsache, das Thema bleibt - vor allem in der rechten Boulevardpresse - in den Schlagzeilen.

    Konservative liegen in Umfragen zurück

    Doch die meisten Briten treibt zurzeit anderes um: die zuletzt extrem gestiegenen Lebenshaltungskosten und der Zustand des Sozialwesens und öffentlicher Einrichtungen. Erschöpftes Krankenhauspersonal, baufällige Schulen, überfüllte und überteuerte Züge, Streiks - im Land scheint sich eine allgemeine Erschöpfung breitzumachen.
    Allerspätestens im Januar 2025 wird gewählt. Die Labour-Partei liegt in den Umfragen klare 18 Prozentpunkte vor den Konservativen. Selbst in Wirtschaftsfragen - eigentlich die Domäne der Tories - und sogar in der Einwanderungspolitik halten die Wähler Labour unter ihrem Parteiführer Keir Starmer inzwischen für kompetenter.

    Sunak versucht sich als Premier zu halten

    Da roch es schon ein wenig nach einer Panikreaktion, als Rishi Sunak zuletzt eine autofahrerfreundlichere Politik ankündigte und beschloss, umweltfreundliche Maßnahmen einzukassieren, um noch ein paar Stammwähler zu mobilisieren. Doch es scheint alles nichts zu nutzen. Bei Nachwahlen zum Parlament musste Sunaks Partei vergangene Woche zwei katastrophale Niederlagen einstecken.
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    Zumindest eines lässt sich für Rishi Sunak unter diesen zuletzt so misslichen Umständen konstatieren: Ein Jahr im Amt ist um einiges besser als 45 Tage. Mehr als ein weiteres wird es, so wie es aussieht, wohl aber auch nicht werden.

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