Experte: Ukraine-Krieg "wird in Verhandlungslösung enden"

    Politikberater zu Ukraine-Krieg:"Krieg wird in Verhandlungslösung enden"

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    Die Ukraine müsse sich auf Verhandlungen mit Russland vorbereiten, meint der US-Politikberater Samuel Charap. Wann und unter welchen Bedingungen der Krieg endet, sei aber offen.

    US-Politikberater Samuel Charap bei ZDFheute live
    Wann und unter welchen Bedingungen der Krieg durch Verhandlungen beendet wird, sei unklar, so Politologe Samuel Charap. Die Ukraine und Russland müssten Teil der Lösung sein. 25.01.2024 | 14:45 min
    Welche Perspektiven gibt es langfristig für die Ukraine? Wie kann der russische Angriffskrieg einmal enden? Westliche Regierungen, darunter Deutschland und die USA, betonen stets, dass die Zeit für Verhandlungen noch nicht gekommen sei und allein die Ukraine über Bedingungen für Gespräche entscheiden müsse.
    Doch es gibt auch Stimmen, die klare Ausstiegsszenarien fordern. Der Krieg sei militärisch nicht zu gewinnen, daher müsse eine Verhandlungslösung her. Eine dieser Stimmen ist der US-Politikwissenschaftler Samuel Charap. Bei ZDFheute live schildert er seine Sicht auf mögliche Perspektiven für den Ukraine-Krieg.
    Sehen Sie das komplette Interview im Video oben oder lesen Sie es hier in Auszügen. Samuel Charap erklärt, ...

    ...warum er Verhandlungen für das richtige Mittel hält

    Es sei angemessen, in einer Situation, in der keine Seite einen "absoluten militärischen Sieg" davon tragen könne, über Verhandlungen zu sprechen. "Die Alternative zu einem solchen Sieg ist ein verhandeltes Konfliktende", so Charap. Und er ist sich sicher: "Irgendwann wird der Krieg in einer Verhandlungslösung enden. Die Frage ist, wann und unter welchen Bedingungen."
    Die meisten Konflikte seien gelöst worden, während beide Parteien gleichzeitig kämpften und sprachen, statt dass man erst aufhörte zu kämpfen und dann anfing zu sprechen. "Ich glaube, so wird das hier auch sein."
    Kuscheltiere als Gedenksymbol
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    ...welche Bedingungen eine Verhandlungslösung beinhalten müsste

    Charap gibt zu bedenken, dass eine Lösung ohne Gespräche mit Russland nicht möglich sei. "Russland ist ja der Aggressor, der Kriegstreiber in diesem Krieg. Und daher ist es so, dass jede Verhandlung über ein Ende des Krieges auch Russland involvieren muss."
    Eine zentrale Bedingung sei aber die volle Unterstützung der Ukrainer für eine Verhandlungslösung. "Verhandlungen oder Abkommen ohne deren Unterstützung wären nicht durchführbar, denn die Ukrainer müssen ja Teil der Lösung sein", sagt der Politikwissenschaftler.
    Sollte Russland unrealistische Forderungen stellen, habe die Ukraine zudem jederzeit die Möglichkeit, die Verhandlungen abzubrechen. Die Kapitulation der Ukraine etwa, das ursprüngliche Kriegsziel Putins, sei "nicht auf dem Tisch und sollte es auch nicht sein". Charap meint:

    Auch wenn Russland nicht ernsthaft verhandeln will, verlieren wir nichts dadurch, dass wir Vorschläge mal ausprobieren.

    Samuel Charap, US-Politikwissenschaftler

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    ...welche Rolle der Westen bei möglichen Verhandlungen übernehmen könnte

    Charap sieht die westlichen Partner der Ukraine in einer guten Position, um mit der ukrainischen Regierung über die Frage nach möglichen Verhandlungen zu diskutieren. "Es wäre schlecht für alle, wenn sie irgendwann an den Verhandlungstisch gehen und nicht vorbereitet sind", meint er.

    Vorbereitung ist wichtig, selbst, wenn die Zeit jetzt noch nicht bereit ist, um formelle Verhandlungen zu starten. Und jetzt ist, ganz klar, nicht die richtige Zeit. Aber es ist die richtige Zeit, um sich für diesen Moment vorzubereiten.

    Samuel Charap, US-Politikwissenschaftler

    Man müsse jetzt mit diesen Gesprächen anfangen, "selbst, wenn der Prozess vielleicht erst in sechs oder zwölf Monaten oder egal, wie lange es noch dauert, beginnen kann."
    ZDF-Korrespondenten Elmar Theveßen und Andreas Kynast bei ZDFheute live
    Die ZDF-Korrespondenten Elmar Theveßen und Andreas Kynast erläutern, wie sich die Regierungen in Washington und Berlin zu Ukraine-Hilfen und Friedensverhandlungen positionieren.25.01.2024 | 14:08 min

    ...was die Ukraine vor einem erneuten Angriff Russlands schützen würde

    Der Politikberater räumt ein:

    Letztlich hat Putin gezeigt, dass er willens ist und bereit ist, Abkommen zu verletzen, wann immer es ihm gefällt.

    Samuel Charap, US-Politikwissenschaftler

    Man könne aber "eine Reihe von Anreizen" schaffen, die ein mögliches Waffenstillstandsabkommen aufrechterhielten. "Vielleicht unter Bedingungen eine Befreiung von Sanktionen oder negative Sanktionen, wenn das Waffenstillstandsabkommen verletzt wird", so Charap.
    Die Ukraine und ihre westlichen Partner würden bereits daran arbeiten, dass der Krieg Russland teuer zu stehen komme. "Das Wichtige ist, dass es einfach unattraktiv sein muss für Russland, so zu handeln", sagt Charap. Dann könne er sich keinen künftigen russischen Führer vorstellen, der mit Blick auf den Februar 2022 sagt: "Das war eine tolle Idee, das machen wir nochmal."
    Charap gibt aber auch zu bedenken: "Egal, wo die Konfliktlinie ist, selbst, wenn die Ukraine all sein international anerkanntes Territorium wiedererlangt, wird es immer noch das Risiko geben, dass Russland wieder angreift."

    Russland wird eine potenzielle Bedrohung für die Ukraine und die anderen Nachbarn bleiben, egal, wie der Krieg endet. Das ist nun mal eine Tatsache, mit der wir langfristig zurechtkommen müssen.

    Samuel Charap, US-Politikwissenschaftler

    Das Interview führte ZDF-Moderatorin Alica Jung und wurde aus dem Englischen übersetzt.
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    Quelle: ZDF
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