Hauptstadt-Wahl: Bildung in Berlin als große Baustelle

    Hauptstadt-Wahl:Bildung in Berlin: Eine große Baustelle

    von Stephanie Gargosch
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    In Berlin wird die Wahl wiederholt. Großes Thema: Bildungspolitik. Und seien es marode Schulen, Integration oder fehlende Lehrkräfte: Die Hauptstadt hat mehr als ein Problem.

    Grundschule in Berlin Neuköln
    Wie können Kinder erfolgreich lernen? Bildungspolitik beschäftigt viele Menschen in Berlin.
    Quelle: Jens Kalaene/dpa

    "Im ersten Semester, haben sie uns gesagt, dass der Lehrerberuf einer mit dem höchsten Risiko ist, ein Burnout zu bekommen", erzählt die Lehramtsstudentin Katharina Schorn - "da überlegt man sich schon, ob man das will. Weil das mit dem Lehrermangel wird ja nicht besser."

    10.000 Lehrkräfte fehlen

    Schorn studiert an der Freien Universität in Berlin. Sie will Grundschullehrerin werden und ist damit eine gefragte Fachkraft. Neben dem Studium arbeitet die Lehramtsstudentin bereits an einer Schule, denn bundesweit fehlen 10.000 Lehrkräfte. Die Kultusministerkonferenz hätte das vorhersehen müssen. Gehandelt hat sie zu spät.
    "Tja, dieses Problem hat sich schon länger abgezeichnet, da hätte man hinschauen müssen", erklärt entsprechend Astrid Busse (SPD), Schulsenatorin in Berlin und seit Januar Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, kurz KMK und ergänzt:

    Jetzt ist das Problem so groß, dass wir uns fragen müssen, wie es mit unserem Land weitergeht, unserer Zukunft.

    Astrid Busse, Schulsenatorin in Berlin

    Realitätsferne Lösungsvorschläge

    Busse war nicht in der Verantwortung, als wichtige Weichen nicht gestellt wurden. Doch was die KMK erst kürzlich als Lösung für den Lehrermangel vorschlug, klingt hilflos und realitätsfern. Da sollen Lehrkräfte aus dem Ruhestand geholt, ausländische Fachkräfte angeworben, mehr Quereinsteiger akquiriert werden, Lehrer sollen länger arbeiten und mehr unterrichten.
    "All dies macht den Lehrerberuf noch unattraktiver", reagierte der Präsident des Lehrerverbandes Heinz-Peter Meininger auf die Vorschläge, "und das Potenzial an Quereinsteigern ist eigentlich ausgeschöpft." In den nächsten Jahren werde man mit dem Mangel wohl leben müssen. "Denn aus den Universitäten kommen ebenfalls nicht genug Lehrkräfte. Da hat man in den letzten Jahrzehnten die Studienplätze abgebaut und nun gibt es in einigen Bundesländern zu wenige Studienplätze", sagt Meidinger.

    Berlin besonders unattraktiv

    In der Hauptstadt tobt derweil der Wahlkampf, die Vorkommnisse der Silvesternacht spülten das Thema Integration an die Oberfläche. Lokalpolitiker fordern nun gerne auch eine bessere Förderung von Zugewanderten und Migranten an den Schulen.
    Doch dies kann - angesichts des aktuellen Lehrermangels - nur eine Wunschvorstellung bleiben. Im Schuljahr 22/23 fehlen in Berlin 14.000 Lehrkräfte, vor allem an den Grundschulen und in der Sekundarstufe I. Denn gerade Berlin galt bei Lehrkräften lange als unattraktiver Arbeitgeber. Zwar verbeamtet das Land inzwischen wieder, aber attraktiv erscheint vielen eine Anstellung an einer sogenannten Brennpunktschule weiterhin nicht.
    Dazu hat die Hauptstadt den Schulneubau verschlafen. Seit 2016 gibt es zwar die sogenannte Schulbauinitiative, aber Bau- und Energiekosten verzögern und verteuern den Ausbau. Geld für dringende Sanierungen fehlt dadurch. In der gesamten Stadt drohen durch fehlende Sanierungen weitere Schulplätze wegzufallen.

    Schulplatz-Lotto in der Hauptstadt

    Dabei fehlen in Berlin bereits rund 20.000 Schulplätze. Als Konsequenz werden die Klassen, gerade im Grundschulbereich, immer größer. Eine gezielte Förderung von schwachen Schülern ist meist kaum noch möglich.
    Darunter zu leiden haben Kinder wie Eleonore. Sie geht in die zweite Klasse, hat eine Lernschwäche. "Mathematik, da komme ich einfach nicht so mit", erzählt sie. Eleonore hat Förderbedarf, ihre Schule aber ist am Limit. Daher wird die Achtjährige die Klasse wiederholen.

    Wohnungsprobleme der Hauptstadt
    :Berliner Politik muss Bau-Booster starten

    Im Jahr 2022 sind 65.000 Menschen neu nach Berlin gekommen. Tausende leben nun in Containern oder Zelten. Alle drängen auf den völlig überlasteten Wohnungsmarkt der Metropole.
    von Sylvia Bleßmann
    Bauprojekt für neue Wohnungen in Berlin-Pankow
    Sanierungsstau, zu kleine Klassen, zu enge Gänge: Schlechte technische Ausstattung macht es den Schulen nicht leichter. Hinzu kommt die zusätzliche Belastung durch ukrainische Kinder, denen sie in Berlin gerne helfen.
    Egal welche Partei am 12. Februar 2023 in der Hauptstadt siegen wird, welche Koalitionen danach regiert, alle werden in diese Bildungsmisere hinein und mit ihr regieren müssen. Eine mögliche Besserung ist in Berlin erst ab 2026 realistisch.

    Recht auf Bildung - was ist mit der Qualität?

    In Deutschland gibt es das Recht auf Schulbildung und die Schulpflicht. Ein Recht auf Bildungsqualität gibt es nicht. Der Lehrermangel und die daraus resultierende Bildungsmisere werden sich in absehbarer Zeit nicht lösen lassen.
    Damit hängt der Bildungsaufstieg eines Kindes in Deutschland, wie in kaum einem anderen europäischen Land, weiterhin stark von seiner Herkunft ab. Ein Land, das vor allem auf kluge Köpfe setzt, verpasst somit beim Thema Bildung weiterhin den Anschluss. Und seine Hauptstadt gleich mit.

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