Bauernproteste: Was ist rechtlich erlaubt und was nicht?

    FAQ

    Bauernproteste:Was ist rechtlich erlaubt und was nicht?

    von Lara Leidig und Rebekka Solomon
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    Grundsätzlich ist die Versammlungsfreiheit in der Demokratie ein hohes Gut. Daher sind friedliche Versammlungen durch das Grundgesetz geschützt. Dieser Schutz kennt aber Grenzen.

    An einem Traktor ist bei einer Demonstration von Bauern ein Galgen befestigt, an dem eine Ampel hängt.
    Zehntausende Landwirte waren heute mit ihren Traktoren im gesamten Land unterwegs, blockierten Autobahnauffahrten und teils ganze Städte. Das Ziel: die Pläne der Ampel stoppen. 08.01.2024 | 2:05 min
    Eine Versammlung verliert nicht automatisch ihren Schutz, wenn Unbeteiligte einfach in ihrem Tagesablauf beeinträchtigt werden. So hat anlässlich des aktuellen Protests das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einer Eilentscheidung die geplanten Blockaden der Autobahnauffahrten grundsätzlich erlaubt, sofern Rettungsgassen gewährleistet werden.
    Selbst im Rahmen von friedlichen Versammlungen ist aber eine Grenze erreicht, wenn Straftaten durch einzelne Teilnehmer begangen werden. Hier lohnt sich der Blick auf die bisherigen Protestaktionen: Insbesondere die strafrechtliche Beurteilung der blockierten Autobahnauffahrten ist rechtlich komplex und nicht pauschal zu beantworten.
    Menschen halten bei der Kundgebung des Verbands der Freien Bauern gegen die Subventionskürzungen in der Agrarwirtschaft vor dem Brandenburger Tor ein Schild mit der Aufschrift "Wir brauchen unsere Bauern"
    Auch wenn die Bundesregierung die Subventionskürzungen aufgeweicht hat, ist die Wut vieler Bauern groß. Doch: Kritiker stellen die Verhältnismäßigkeit der Proteste infrage. 08.01.2024 | 1:37 min
    Eine strafbare Nötigung läge nur dann vor, wenn sie im Verhältnis zum beabsichtigten Zweck als verwerfliches Mittel anzusehen ist. Gerade vor dem Hintergrund des hohen Stellenwertes der Versammlungs- und Meinungsfreiheit ist eine sorgfältige Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall erforderlich.
    Dagegen sind auf der Straße platzierte Misthaufen oder brennende Heuballen als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zu werten, da sie den Verkehrsfluss gravierend nachteilig beeinträchtigen. Ein solcher Eingriff ist nicht mehr durch die Versammlungsfreiheit gerechtfertigt.

    Ab wann darf die Polizei eingreifen?

    Es besteht die Möglichkeit, eine Versammlung im Voraus zu verbieten oder auch nachträglich aufzulösen, wenn eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit besteht. Eine solche Gefährdung kann sich bereits aus Verstößen gegen das Strafgesetzbuch ergeben.
    Eine Auflösung ist aber das letzte Mittel. Es gilt insoweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zunächst muss die Polizei also mögliche mildere Maßnahmen ergreifen, z. B. könnte sie Auflagen erlassen, die die Versammlungsteilnehmer einzuhalten haben. Sollten sie dagegen verstoßen, wäre das ein Grund, die Versammlung aufzulösen.
    ZDF spezial: Die Wut der Bauern - Start der Protestwoche
    Seit Montag protestieren die Bauern im Rahmen ihrer Aktionswoche gegen die geplanten Kürzungen der Ampelregierung. Deutschlandweit ziehen sich Traktorenkonvois durch Städte.08.01.2024 | 14:03 min

    Bauern lassen sich Passierscheine zeigen: Wie ist das einzuordnen?

    In Mecklenburg-Vorpommern wurde erwogen, Mitarbeitern von Krankenhäusern und Kitas einen Passierschein auszustellen, um Versorgungsproblemen vorzubeugen. Präventiv stattete bereits die Asklepios Klinik Pasewalk alle Mitarbeiter mit einem Schreiben aus.
    Maßnahmen, die Ausnahmen von der Blockade für Rettungskräften schaffen, können insbesondere Einfluss auf eine mögliche Auflösung der Versammlung haben. Die Gefahren für Leib und Leben verletzter Personen werden maßgeblich verringert, wenn systemrelevante Personen zur Versorgung der Bevölkerung zu ihren Einsatzorten durchgelassen werden. Unter diesen Umständen kann die Auflösung einer Versammlung unverhältnismäßig sein. Eine etwaige Strafbarkeit wegen Nötigung nicht ausgenommener Personen bleibt davon jedoch unberührt.
    07.01.24: Christian Sievers spricht in einem Interviem mit Joachim Rukwied.
    Die Landwirtschaft sei auf staatliche Unterstützung angewiesen, sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied zu den Protesten am Montag.07.01.2024 | 6:31 min

    Was unterscheidet die Proteste von Aktionen der "Letzten Generation"?

    Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Bauernproteste im Voraus angemeldet wurden. Dadurch konnten sich Einsatzkräfte auf Auswirkungen der Proteste einstellen. Die Behörden konnten den Versammlungen mit Auflagen zur Durchführung begegnen. Die Landwirte wollen sich zudem dadurch von der "Letzte Generation" abgrenzen, dass sie Rettungskräften den Durchweg ermöglichen.
    Straßenblockaden durch die "Letzten Generation" wurden von den Gerichten häufig als strafbare Nötigung eingestuft. Einen dahingehenden Anfangsverdacht sah die Polizei auch bezüglich des Bauernprotests und der Blockierung der Fähre, auf der sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befand. Dass einzelne Straftaten im Rahmen der anstehenden Bauernproteste begangen werden, ist daher nicht ausgeschlossen.
    Ein Traktor, daneben Menschen mit Banner
    Die Bauernproteste gehen in mehreren Bundesländern mit Verkehrsbehinderungen weiter. Unter anderem protestieren die Landwirte gegen Kürzungen von Subventionen für Agrar-Diesel.09.01.2024 | 0:14 min
    Dabei spielt der zweite wesentliche Unterschied der Bauernproteste eine Rolle: Diese sind regelmäßig nicht auf Dauer angelegt. Die Landwirte können durch Wegfahren die Straßen wieder unmittelbar freigeben. Ein festgeklebter Aktivist kann das nicht. Im Einzelfall kann das die Strafbarkeit wegen Nötigung unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit beeinflussen.

    Deutschlandweit Bauernproteste
    :Aktuelles zur Aktionswoche der Landwirte

    Zum Abschluss ihrer Aktionswoche haben die Landwirte heute zu einer Großdemonstration in Berlin aufgerufen. Aktuelle News zu den Bauernprotesten im Liveblog.
    Zahlreiche Traktoren, Lastwagen und Autos stehen am Morgen auf der Straße des 17. Juni.
    Liveblog
    Lara Leidig und Rebekka Solomon arbeiten in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF.

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