Cannabis-Strafenkatalog: "Bußgelder sind unverhältnismäßig"

    Interview

    Strafverteidiger Grubwinkler:Bayerns Cannabis-Strafen "unverhältnismäßig"

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    Bayerns Ministerpräsident Söder will bei Verstößen gegen das Cannabis-Gesetz Härte zeigen - mit hohen Bußgeldern. Ein Strafverteidiger sagt, die Strafen seien überzogen.

    Der Jurist Konstantin Grubwinkler bei ZDFheute zu Söders Cannabis-Bußgeldkatalog.
    Strafverteidiger Konstantin Grubwinkler: Söders Strafen könnten "Ankerwirkung" für andere Bundesländer haben. 10.04.2024 | 12:33 min
    Bis zu 1.000 Euro für das Kiffen in Gegenwart von Minderjährigen: Bayern hat als erstes Bundesland nach der Teillegalisierung von Cannabis zum 1. April einen Bußgeldkatalog für Verstöße gegen das Bundesgesetz vorgelegt. Hohe und harte Strafen zur konsequenten Abschreckung - damit will Ministerpräsident Markus Söder verhindern, dass der Freistaat "zum Kiffer-Paradies" wird.
    Söder auf X: Cannabis-Gesetz restriktiv anwenden
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    Den Rahmen für die Höhe der möglichen Bußgelder gibt das Bundesgesetz vor (§ 36 KCanG). Dort ist festgehalten, dass Strafen von bis zu 30.000 Euro möglich sind, je nach Ordnungswidrigkeit. Wie sie den vorgegebenen Rahmen aber ausschöpfen, ist Sache der Bundesländer.
    Im Gespräch mit ZDFheute live bewertet Strafverteidiger Konstantin Grubwinkler den Vorstoß aus Bayern.
    Sehen Sie das Interview in voller Länge oben im Video und lesen Sie hier Auszüge. Das sagt Konstantin Grubwinkler zu...

    ... der Verhältnismäßigkeit des bayrischen Vorstoßes

    Die Höhe der Strafen bei Verstößen gegen das Cannabis-Gesetz sei "unverhältnismäßig", sagt Grubwinkler. Insbesondere, wenn man sie mit anderen Ordnungswidrigkeiten und Bußgeldern vergleiche.

    Wenn wir jetzt vergleichen: Wenn jemand einen Joint raucht in Sichtweite einer Schule, sind es 500 Euro Bußgeld. Wenn ich mit 80 Kilometer pro Stunde durch die Tempo-30-Zone vor der Schule fahre, ist es billiger.

    Konstantin Grubwinkler, Strafverteidiger

    Wenn man in der Öffentlichkeit Cannabis konsumiere, müsse man sich immer vergewissern, ob ein Kindergarten, eine Schule oder ein Spielplatz in Sichtweite sei. Solche Gesetzesverletzungen könnten sehr schnell passieren, sagt Grubwinkler.
    Bayrischer Bußgeldkatalog "Konsumcannabis"
    Quelle: ZDF

    Auch müssten Gruppen beachten, ob Minderjährige dabei sind. Der Rechtsexperte führt folgendes Beispiel an: Treffe sich eine Gruppe im Park, wo man völlig legal Cannabis konsumieren dürfe, und eine minderjährige Person sei darunter, dann drohen den Volljährigen bei Konsum jeweils 1.000 Euro Bußgeld.
    Grubwinkler betonte: Das Bußgeld werde nicht dafür fällig, dass die Volljährigen dem Freund unter 18 Jahren etwas abgeben - denn das sei eine Straftat. Sondern die 1.000 Euro müssten dafür gezahlt werden, in Anwesenheit eines Minderjährigen Cannabis konsumiert zu haben.

    Zum Vergleich: Wenn alle Personen sich mit Wodka ins Koma saufen, wäre es völlig straffrei.

    Konstantin Grubwinkler, Strafverteidiger

    Grubwinkler warb dafür, einen anderen Maßstab anzulegen. Er würde Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz mit "kleineren Geschwindigkeitsüberschreitungen" vergleichen: "Dass man im Bereich 30, 50, 100 Euro liegt. Also ein Zehntel von dem, was wir jetzt haben."
    Es dürfe Bußgelder geben und es könne auch, wenn man es mit dem Jugendschutz begründen will, eine Ordnungswidrigkeit sein. Aber die Höhe sei deutlich überzogen.
    Mann raucht Cannabis
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    ... zur Frage, ob hohe Strafen wirklich Abschreckungswirkung haben

    Als Strafverteidiger sei er für mehr Prävention und Aufklärung, anstatt immer alles mit Verbot und Strafe regeln zu wollen, sagte Grubwinkel bei ZDFheute live. Eins müsse man Markus Söder lassen: Es sei ein relativ kluger Schachzug. Bayern sei das erste Bundesland, das einen Bußgeldkatalog erlassen habe. Das habe Ankerwirkung.

    Die anderen Bundesländer werden sich daran erst einmal orientieren. Sie werden es zumindest im Hinterkopf haben und werden nicht drastisch drunter gehen.

    Konstantin Grubwinkler, Strafverteidiger

    Söder habe ein Zeichen gesetzt. Grubwinkler geht nicht davon aus, dass andere Länder Bayerns Vorlage 1:1 übernehmen werden. Aber kein Bundesland werde ein Bußgeld von nur 50 Euro verhängen, es werde "schon irgendwie in Relation bleiben".

    ... zur Umsetzung der Strafen

    Es sei wie bei Verkehrsdelikten, erklärt Strafverteidiger Grubwinkler. "Wenn ich falsch parke, dann kann die Polizei einschreiten, das Ordnungsamt oder die Stadtverwaltung. Polizeibehörden und Verwaltungsbehörden können verantwortlich sein für die Umsetzung." Auch Sicherheitswachten könnten solche Delikte anzeigen. Hauptsächlich aber werde es bei der Polizei bleiben, weil die am häufigsten unterwegs seien.
    Die Umsetzung des Strafkatalogs werde vor allem bei den Abstandsregelungen hochkompliziert. So gebe es bislang keine Definition dafür, was die "unmittelbare Nähe eines Minderjährigen" bedeute.

    Was ist denn unmittelbare Anwesenheit? Ist das, wenn ich im Café mit einem Minderjährigen am Tisch sitze? Reicht der Nachbartisch? Reicht es im Park auf zwei Bänken, die nebeneinander sind, oder muss die Person direkt neben mir sitzen?

    Konstantin Grubwinkler, Strafverteidiger

    Das werde noch sehr interessant zu ermitteln sein.

    ... zu den Möglichkeiten eines Wider- oder Einspruchs

    Sich juristisch gegen ein Bußgeld zu wehren, sei schwierig, so Grubwinkler. Man könne ganz normal dagegen vor Gericht ziehen, wie bei einem Blitzerfoto oder wenn man falsch geparkt hat. Aber der Bußgeldkatalog sei von offizieller Seite und auch rechtmäßig erlassen worden. Das heißt, man müsste eher in Richtung Bundesverfassungsgericht schauen. Das habe aber faktisch "wenig Erfolgsaussichten".

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