Nato-Beitritt: "Besonderer Tag für Finnland"

    Interview

    Ex-Ministerpräsident Stubb:Nato-Beitritt: "Besonderer Tag für Finnland"

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    Als "einen Nato-Puffer gegen Russland" versteht Finnlands ehemaliger Ministerpräsident Alexander Stubb die neue Rolle seines Landes. "Wir sind jetzt da, wo wir hingehören."

    Das Bild zeigt Banner mit dem Bündnis-Logo vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel.
    Finnland ist 31. Mitglied der Nato.
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Was bedeutet der Nato-Beitritt für Finnland?
    Alexander Stubb: Er ist in vielerlei Sicht historisch. Das ist ein wichtiger Moment für Finnland, ein wichtiger Moment für die nördlichen Länder und ein wichtiger Moment für die Allianz. Die Nato hat jetzt eine zusätzliche Grenze von 1.340 Kilometern mit Russland und ein sehr starkes zusätzliches Militärsystem.

    Finnlands ehemaliger Premierminister Alexander Stubb
    Quelle: Imago

    Alexander Stubb (geb. 1. April 1968) ist ein ehemaliger finnischer Politiker der konservativen Nationalen Sammlungspartei. In seiner langen Karriere war er unter anderem finnischer Ministerpräsident (2014 bis 2015), davor und danach Finanzminister, Europaminister und Außenminister. Von 2004 bis 2008 gehörte er dem Europaparlament an. Heute ist Stubb Professor am European University Institute in Florenz, wo er die School of Transnational Governance leitet.

    ZDFheute: Sie haben schon für einen Nato-Beitritt geworben, als er in Finnland noch unpopulär war. Was bedeutet dieser Ihnen persönlich?
    Stubb: Wir sind jetzt da, wo wir hingehören. Als der Kalte Krieg vorbei war, gab es nicht nur die Möglichkeit für Finnland, der EU beizutreten, sondern auch einer militärischen und sicherheitspolitischen Allianz zuzugehören, mit der man die gleichen Werte teilt.

    Der Nato-Beitritt ist für Finnland nun der letzte Schritt auf dem langen Weg in den Westen. Er bedeutet sehr viel.

    Alexander Stubb, ehemaliger Ministerpräsident Finnlands

    ZDFheute: Welchen Mehrwert bringt die finnische Armee für die Nato?
    Stubb: Wir bringen einen sehr großen Mehrwert für die Sicherheit. Wir haben 280.000 Soldatinnen und Soldaten, die wir in Kriegszeiten mobilisieren können. Hinzu kommen über 60 Kampfflugzeuge und andere militärische Ausrüstung.
    NATO, Finnland, Schweden, Karte
    Finnland ist jetzt Nato-Mitglied, Schweden will folgen.
    Quelle: ZDF

    ZDFheute: Eigentlich hätte Finnland zusammen mit Schweden der Nato beitreten sollen, das hat nun nicht geklappt. Bedauern Sie das?
    Stubb: Ich hätte es schon vorgezogen, der Nato mit Schweden zusammen beizutreten. Wir sind sehr enge politische und militärische Verbündete. Aber es gab externe Umstände, die wir nicht ändern konnten, nämlich die fehlende Ratifizierung Ungarns und der Türkei.
    Das war deren Entscheidung, nicht unsere. Ich bin aber nicht besorgt, aus zwei Gründen: Ich glaube, dass Schweden noch vor dem Nato-Gipfel im Juli ein volles Nato-Mitglied sein wird, und ich denke, dass die Sicherheitssituation in der Ostsee und den nördlichen Ländern sehr stabil ist. Schweden hat ja de facto jetzt schon Sicherheitsgarantien. Das macht mir also keine Sorge.  
    ZDFheute: Schwächt die Blockade Ungarns und der Türkei nicht die Nato und spielt damit Russland in die Hände?
    Stubb: Ich bin sehr sicher, dass die Ratifizierung kommen wird. Ich kann nicht sagen, in welcher Reihenfolge, aber in der Türkei stehen im Mai Wahlen an, die die Situation auch noch einmal verändern könnten. Schweden ist nur noch einen Hauch von der Nato-Mitgliedschaft entfernt, da bin ich zu 99,9 Prozent sicher.
    ZDFheute: Finnland und Schweden sollten eigentlich gleichzeitig beitreten, warum hat Finnland nicht bis zum Nato-Gipfel im Juli gewartet?
    Stubb: Hier steht die Sicherheit im Vordergrund. Wir brauchen auf jeden Fall einen Nato-Puffer gegen Russland. Die Situation wäre komplexer, wenn Schweden hätte beitreten können und Finnland draußen geblieben wäre. Aber so ist Schweden eingebettet in seine Nato-Verbündeten.
    ZDF-Korrespondent Florian Neuhann
    "Dieser Tag heute zeigt einfach, wie sehr Putins Krieg die Sicherheitswahrnehmung in Europa verändert hat", so der ZDF-Korrespondent Florian Neuhann zu Finnlands Beitritt in die Nato.04.04.2023 | 3:02 min
    ZDFheute: Finnland und Schweden arbeiten militärisch sehr eng zusammen - ist es militärisch ein Problem, dass jetzt nur Finnland beigetreten ist?
    Stubb: Nein, nicht wirklich. Wir haben eine sehr enge Kooperation. Wir führen gemeinsame militärische Übungen durch und koordinieren schon lange unsere militärischen Kräfte zu Wasser und zu Land.

    De facto ist Schweden ja schon ein volles Nato-Mitglied, nur noch nicht offiziell.

    Alexander Stubb

    ZDFheute: Macht der Beitritt Finnlands den 74. Geburtstag der Nato zu einem besonderen Tag?
    Stubb: Das ist ein besonderer Tag für Finnland und eine gute Art, den 74. Geburtstag der Nato zu feiern.
    Das Interview führte Julia Rech, ZDF-Studio Brüssel

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