Ischinger: "Kein Anzeichen, dass Putin die Luft ausgeht"

    Ischinger bei illner:"Kein Anzeichen, dass Putin die Luft ausgeht"

    von Torben Schröder
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    Ein baldiges Kriegsende scheint nicht in Sicht. Die "illner"-Diskussionsrunde stimmt die Bevölkerung auf Jahrzehnte im Zeichen von Krieg, Abschreckung und Wiederaufbau ein.

    von links: Wolfgang Ischinger, Roderich Kiesewetter, Maybrit Illner, Lars Klingbeil, Nicole Deitelhoff, André WüstnerSchalte: Alica Jung
    Reicht die Unterstützung des Westens oder zieht sie den Krieg nur in die Länge?15.06.2023 | 62:30 min
    Heftig, sagt ZDF-Reporterin Alica Jung, seien die Kämpfe im Süden und Südosten der Ukraine derzeit. Sie ist vor Ort - und berichtet von großer Hoffnung auf weitere Unterstützung.
    Sowie vom Schrecken, den vor allem die Drohnenangriffe weit jenseits der Frontlinie in der Zivilbevölkerung auslösen, wenn Supermärkte oder mitten in der Nacht Wohnhäuser beschossen werden.
    Alica Jung in weißer Bluse und  brauner Lederjacke mit orange ZDF-Mikrophon. Im Hintergrund eine glatte Wasserfläche in der Abenddämmerung.
    Ständiger Beschuss sei für die Menschen normal, berichtet ZDF-Reporterin Alica Jung in Saporischschja. Fast den ganzen Tag über gebe es Flugalarm.15.06.2023 | 6:24 min

    Deitelhoff: Gegenoffensive nicht das Ende

    "Die Bilder sind grausam", sagt der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil in der ZDF-Sendung "maybrit illner", "sie gehören zu einem Krieg, den wir alle schnell beenden wollen." Und die Bilder werden, sagt Friedensforscherin Nicole Deitelhoff, noch brutaler, noch hässlicher werden.
    Die Erwartungen seitens der hiesigen Bevölkerung, mit der ukrainischen Gegenoffensive werde das Kriegsgrauen bald sein Ende finden, sollten tunlichst gedämpft werden - da ist sich die Diskussionsrunde einig.
    Schützengräben des russischen Militärs
    Die ukrainische Armee kommt bei ihrer Gegenoffensive nur langsam voran. Und - der Chef der Internationalen Atom-Energiebehörde Grossi besuchte das bedrohte AKW Saporischschja.16.06.2023 | 1:54 min

    Geht Putin die Luft aus?

    "Dieser Krieg ist ein Marathonlauf", sagt Roderich Kiesewetter (CDU). "Ich kenne kein Anzeichen, dass Putin jetzt die Luft ausgeht", betont auch Wolfgang Ischinger, ehemaliger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz.
    "Wir kommen jetzt in eine brutale Phase", betont auch Oberst André Wüstner. Russland habe reichlich Zeit gehabt, seine Verteidigung zu organisieren. Eine Chance, den Krieg zeitnah zu beenden, sieht die Runde nicht. Das liege in der Hand Putins, des Aggressors.

    Weitere Unterstützung für die Ukraine

    Die Unterstützer sollten, auch das ist Konsens, das angegriffene Land weiter unterstützen. Klingbeil spricht vom Hochfahren der Produktionskapazitäten, die Gespräche dazu würden laufen:

    Bei uns waren die Lager nicht voll. Das wird jetzt nachgeholt.

    Lars Klingbeil, SPD-Chef

    "Die Industrie in Europa muss jetzt die Produktionslinien anwerfen", fordert Kiesewetter. Und kritisiert, dass nach der ukrainischen Offensive im Herbst die Unterstützung zunächst gestoppt worden sei.
    Eine Collage: Im Hintergrund eine graphische Karte der Ostukraine. Links, Militärexperte Marcus Keupp im Anzug. Rechts, ein Panzer, der in Richtung Osten feuert.
    Kiew meldet die Rückeroberung weiterer Gebiete und Gegenwehr, der Westen berät über Waffenlieferungen. Militärexperte Marcus Keupp ordnet die Lage bei ZDFheute live ein.15.06.2023 | 40:51 min

    Kiesewetter rechnet mit langem Krieg

    "Die Ukraine wird ohne unsere Unterstützung den Krieg nicht durchstehen. Deshalb müssen wir mehr tun und unsere Bevölkerung darauf vorbereiten, dass wir in einen langen Krieg gehen." Kiesewetter plädiert dafür, dass der Bundestag sich für mehr Unterstützung der Ukraine mit weiter reichenden Waffen stark macht. Auch Eurofighter würde er gern zur Verfügung stellen. Denn:

    Wir unterstützen da unsere Interessen. Überall, wo wir zurückhaltend waren, hat Russland weiter eskaliert.

    Roderich Kiesewetter (CDU)

    Man müsse aufpassen, dass der Krieg keine Nachahmer finde, so Kieserwetter weiter.
    Der Veranstaltungsort während des Treffens der NATO. Brüssel, 15.06.2023
    Die Nato-Staaten gehen davon aus, dass der Krieg in der Ukraine noch lange andauern könnte. Sie wollen mehr Waffen produzieren lassen - und weiter an die Ukraine liefern. 15.06.2023 | 3:03 min
    Das Ziel sei, dass die Ukraine ihre Gebiete befreit, samt der Krim, und dass Russland nach dem Krieg nicht mehr willens und in der Lage ist, einen neuen Überfall vom Zaun zu brechen.
    Ischinger verweist auf die Asymmetrie des Krieges, der fast gar nicht auf russischem Terrain stattfindet, sodass die Nachschubproduktion ungehindert laufen könne - auch wenn Russland sich in einer "Mangelwirtschaft" befinde.
    Sein Vorschlag: Ein Zusammenschluss europäischer Staaten, samt Deutschland, solle weiter reichende Marschflugkörper zur Verfügung stellen.

    Deitelhoff: Brauchen Abschreckung

    Entscheidend ist, wie Wüstner betont, dass der Westen nicht aufhört nachzuliefern:

    Bei Munition sind wir wirklich zu spät.

    André Wüstner

    Deitelhoff sieht es genauso, vor allem Munition und Flugabwehrsysteme würden derzeit benötigt. Die Friedensforscherin rechnet damit, dass der Krieg noch lange dauern wird. Und danach brauche es weiter Abschreckung sowie den Wiederaufbau: "Das Thema wird uns Jahre und Jahrzehnte beschäftigen."
    Ischinger und Wüstner rechnen mit einem "schmutzigen Frieden" mit wiederholten Kämpfen an der Waffenstillstandslinie. Dringend sei, so der Oberst, die Ausstattung der Bundeswehr auf Vordermann zu bringen. "Die Frage der Landes- und Bündnisverteidigung ist eine neue Normalität, die zurückgekehrt ist", sagt Klingbeil. Die Ukraine bekomme die Unterstützung so lange, wie sie sie benötige.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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