Militärische Lage in Nahost: Die Tore zur Hölle geöffnet

    Analyse

    Militärische Lage in Nahost:Die Tore zur Hölle geöffnet

    von Carlo Masala
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    Geiseln, Bodenoffensive, Ausweitung der Kämpfe - wie könnte es im Konflikt zwischen Israel und der Hamas weitergehen? Eine militärische Einschätzung.

    Israelische Soldaten beziehen am zweiten Tag des andauernden Konflikts zwischen Israel und der militanten Palästinensergruppe Hamas entlang der Grenze zum Gazastreifen Stellung. (08.10.2023)
    Nach dem Beginn der schweren Angriffe durch die Hamas, wird noch immer auf israelischem Boden gekämpft. 08.10.2023 | 16:14 min

    Viele Angaben zu Konflikthandlungen, Schäden und Totenzahlen in Gaza lassen sich nicht unabhängig überprüfen. So berichtet das ZDF über die Lage vor Ort - hier finden Sie Fragen und Antworten.

    Seit das israelische Sicherheitskabinett der Hamas am Samstag den Krieg erklärt hat, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann Israel mit einer massiven Bodenoffensive im Gazastreifen beginnen wird, deren Ziel die endgültige Zerschlagung der Terrororganisation Hamas ist.
    Zunächst gilt es für die israelischen Streitkräfte jedoch, die Kontrolle über das von den Terroristen in Israel im Zuge der Anschläge besetzte Territorium zurückzuerobern. Und hier gibt es noch immer schwere Kämpfe.

    Prof. Dr. Carlo Masala
    Quelle: unibw.de

    … ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Zuvor arbeitete der Experte für Sicherheitspolitik und transatlantische Beziehungen am Nato Defence College in Rom.

    Israelische Luftwaffe soll Kommandozentralen der Hamas angreifen

    Währenddessen fliegt die israelische Luftwaffe Einsätze im Gazastreifen, deren Ziel es ist, bekannte Hamas-Kommandozentralen (die sich zumeist in zivilen Gebäuden befinden) zu zerstören.
    Um Kollateralschäden bei der Zivilbevölkerung in Gaza zu vermeiden, hat Premierminister Netanjahu diese bereits gestern aufgefordert, Gebäude, in denen sich Hamas-Posten befinden, zu verlassen. Aber aus früheren Operationen ist bekannt, dass die Hamas Zivilisten gern als humane Schutzschilde benutzt.

    Geiseln befreien, Bodenoffensive möglich

    Wenn Israel die Kontrolle über sein eigenes Territorium zurückerlangt hat, beginnt die heiße Phase der Bodenoperation. Dabei wird Israel sich aller Wahrscheinlichkeit zunächst auf die Befreiung der israelischen Geiseln konzentrieren.
    Sollte der Geheimdienst Informationen darüber haben, wo sich die Geiseln aufhalten, werden wohl zunächst Spezialkräfte in Gaza operieren, um diese zu befreien. Erst danach würde es zu einer massiven Bodenoffensive kommen, die im urbanen Gelände stattfindet und aller Wahrscheinlichkeit nach einen hohen Blutzoll nach sich ziehen wird - auch auf israelischer Seite.
    Soldaten stehen am 08.102023 vor einer israelischen Polizeistation, die bei Kämpfen zur Vertreibung der darin stationierten Hamas-Kämpfer beschädigt wurde.
    Noch immer gehen die Angriffe der Hamas gegen Israel weiter. 08.10.2023 | 2:06 min

    Was passiert nach einer Bodenoffensive Israels?

    Unklar ist, was nach einer erfolgreichen Bodenoffensive (die Monate dauern kann) passieren wird. In Israel gibt es durchaus Stimmen, die fordern, den Gazastreifen erneut zu besetzen.
    Man sollte sich dabei aber keine Illusionen machen. Eine dauerhafte Besetzung des dichtbesiedelten Fleckens würde jahrelange Spannungen und terroristische Aktivitäten gegen Israel in Gaza und in Israel nach sich ziehen. Deshalb erscheint es eher unwahrscheinlich, dass Israel diese Option ernsthaft ins Auge fasst.
    Bundeskanzler Scholz mit Stellungnahme zu Israel
    Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zu den Angriffen der Hamas auf Israel geäußert. "Diese Taten sind barbarisch", so Scholz.08.10.2023 | 0:25 min

    Zweite Front mit der Hisbollah im Libanon möglich

    Doch Israel kann sich nicht nur auf die Operation in Gaza konzentrieren. Es muss auch sicherstellen, dass keine ihm feindlich gesonnenen Akteure eine zweite Front eröffnen.
    Und diese zeichnet sich gerade im Libanon ab, wo die Hisbollah Raketen auf den Norden Israels abfeuert. Und auch aus Syrien könnte die Gefahr einer Eskalation gegenüber den Golanhöhen drohen. Solange der Beschuss aus dem Libanon "nur" durch Raketen erfolgt, wird die israelische Luftwaffe in der Lage sein, damit zurechtzukommen.
    ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge berichtet in der Nähe von Sderot.
    Nach dem Großangriff der Hamas versucht Israel, die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen. ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge berichtet in der Nähe von Sderot.08.10.2023 | 2:30 min
    Kritisch wird es erst, wenn Hisbollah-Terroristen aus dem Libanon nach Israel einsickern, um dort Anschläge zu verüben. Dann befindet sich Israel in einem Zwei-Fronten-Krieg, den es im Gazastreifen und gegen Hisbollah-Stellungen im Libanon führen muss.

    Hamas kann eskalieren - Iran könnte eingreifen

    Aber auch die Hamas hat die Möglichkeit der Eskalation. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt versucht sie die Front um das Westjordanland zu erweitern, wo sich israelische Siedlungen befinden.
    Sollte es Israel gelingen, sowohl mit der Hamas, aber auch der Hisbollah militärisch fertig zu werden, ist dies noch kein Signal der Entwarnung. Denn dann könnte sich der Iran, der der Hauptsponsor des Terrorismus gegen Israel ist, gezwungen sehen, seinerseits mit Raketen längerer Reichweite aktiv in diesen Konflikt einzugreifen, um seine wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen Israel vor der endgültigen Zerschlagung zu retten.
    Und dann wären im Nahost-Konflikt in der Tat die Tore zur Hölle geöffnet worden, wie es ein hochrangiger israelischer Vertreter mit Blick auf die terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel nannte.
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