Die Ampel habe das Thema Migration "unterschätzt", sagt Joachim Stamp, Migrationsbeauftragter der Regierung - und spricht von europaweiten Schwächen.
Zur Flüchtlingssituation, den migrationspolitischen Herausforderungen Deutschlands, die Lage im nordsyrischen Erdbebengebiet sowie über den Einfluss demokratiefeindlicher muslimischer Organisationen
Eine Aufgabe mit höchster Dringlichkeit: Joachim Stamp (FDP) soll der Bundesregierung helfen, Zuwanderung besser zu steuern.
Doch in den ersten sechs Wochen seit seinem Amtsantritt fragten sich viele: Wo ist der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen? Fast keine Interviews oder öffentlichen Auftritte gab es von Stamp.
In seinem neu angetretenen Amt will sich der Bundesmigrationsbeauftragte Joachim Stamp für eine konsequentere Abschiebung von kriminellen und illegalen Migranten einsetzen. "Es wird keine schnellen Erfolge geben", so Stamp.
Koalitionsvertrag schreibt Sonderbeauftragten vor
Dabei hat er ohnehin schon ein Jahr Verspätung. Zumindest laut Koalitionsvertrag, der schon zu Beginn der Legislaturperiode die Einführung eines Sonderbeauftragten für Migration festschrieb.
"Das Thema hat man vielleicht anfangs auch ein Stück weit unterschätzt", sagte Stamp am Dienstagabend bei Markus Lanz in seinem ersten großen Medienauftritt in neuer Rolle. Kritik an der Bundesregierung, die laut Stamp "nicht den Fokus auf diesem Thema" gehabt habe. Darum kann er erst jetzt loslegen.
Stamp: Pandemie und Ukraine-Krieg haben "viel gelähmt"
Sowohl der "Ausfluss der Pandemie", als auch der "Überfall von Putin auf die Ukraine" habe "sehr, sehr viel gelähmt, auch in den Prozessen". Die Politik habe über Jahre, "wenn nicht Jahrzehnte, Dinge liegen lassen. Wir haben viele Projekte gestartet, die dann in der Praxis nicht funktioniert haben."
Und Stamp ging noch weiter: Er sehe an manchen Stellen "ein Versagen über viele, viele Jahre, gilt übrigens auch europaweit", was das Thema Migration betrifft.
Stamp: Ministerien gehen unterschiedlich vor
Dennoch wolle Stamp "nicht zurück, sondern nach vorne" schauen:
Beim Thema Migration seien verschiedene Ministerien bis jetzt unterschiedlich vorgegangen. So habe sich das Bundesinnenministerium "immer klassisch auf die Rückführungen konzentriert". Das Entwicklungshilfeministerium sei "da, um zu helfen". "Diplomatie, die deutschen außenpolitischen Interessen insgesamt" habe das Auswärtige Amt im Blick.
Wegen des hohen Flüchtlingszustroms nach Deutschland, fordern Landkreise und Kommunen Unterstützung vom Bund. Im Bundesinnenministerium findet heute ein Flüchtlingsgipfel statt.
Stamp: unterschiedliche Ansätze zusammenführen
Diese unterschiedlichen Ansätze, "die es mit den Ländern gibt", wolle man "so zusammenführen, dass wir auf der einen Seite reguläre Migration stärken und auf der anderen Seite irreguläre reduzieren können", sagte Stamp.
Eine "Rückführungsoffensive" war es, die im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbart worden war. Was des einen Rückführung, des anderen Abschiebung. Ein Wort, das Joachim Stamp ungern benutzt, "weil das Abschieben in dem Sinne - man will nur jemanden lästig loswerden - eine schwierige Konnotation hat".
Für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, CSU, war der Flüchtlingsgipfel "wirklich entäuschend". Der Bund müsse sich stärker an den Kosten beteiligen und die "Zahl der Flüchtlinge begrenzt werden", fordert er.
Keine exakte Zahl der vorzunehmenden Abschiebungen
Dabei habe die Ampel einen "sehr, sehr starken Fokus auf Gefährder, Straftäterinnen und Straftäter" gelegt. Eine exakte Zahl vorzunehmender Abschiebungen konnte der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung nicht nennen: "Wir haben sehr schlechtes Datenmaterial." Stichwort "Versagen".
Innerhalb einer "Größenordnung von 50.000, 60.000" vollziehbar Ausreisepflichtigen würden Abschiebungen "möglicherweise schneller" gehen und seien "eher möglich als bei anderen". Bei "vollziehbar Ausreisepflichtigen" handele es sich um einen juristischen Fachbegriff, der bedeute, "dass jemand ausländerrechtlich keine dauerhafte Bleibeperspektive hier hat".
Seit 36 Jahren wohnt Pham Phi Son in Chemnitz – nun sollen er und seine Familie abgeschoben werden. Trotz großer öffentlicher Unterstützung ist ihre Zukunft ungewiss.
Stamp: Geduldete teils sehr gut integriert
Es könne aber sein, dass derjenige seit Jahrzehnten geduldet, krank oder inhaftiert sei. Von den Geduldeten gebe es "bei denen, die schon sehr lange hier sind, einen Teil, der sich fantastisch integriert hat".
Über das Chancenaufenthaltsrecht beabsichtige die Ampel daher, den "gut Integrierten, die sich hier jenseits des Aufenthaltsstatus nie was haben zuschulden kommen lassen, die straffrei sind, die die Sprache gelernt haben, die hier selber ihren Unterhalt verdient" eine dauerhafte Perspektive zu geben. "Den anderen Teil" wolle man "stärker zurückführen", sagte Stamp.