Migrationsbeauftragter Stamp spricht bei Lanz von "Versagen"

    Joachim Stamp bei "Lanz":Migrationsbeauftragter spricht von "Versagen"

    von Felix Rappsilber
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    Die Ampel habe das Thema Migration "unterschätzt", sagt Joachim Stamp, Migrationsbeauftragter der Regierung - und spricht von europaweiten Schwächen.

    Markus Lanz vom 7. März 2023: Markus Lanz, Joachim Stamp, Seyran Ateş, Kristin Helberg, Martin Machowecz
    Zur Flüchtlingssituation, den migrationspolitischen Herausforderungen Deutschlands, die Lage im nordsyrischen Erdbebengebiet sowie über den Einfluss demokratiefeindlicher muslimischer Organisationen07.03.2023 | 73:55 min
    Eine Aufgabe mit höchster Dringlichkeit: Joachim Stamp (FDP) soll der Bundesregierung helfen, Zuwanderung besser zu steuern.
    Doch in den ersten sechs Wochen seit seinem Amtsantritt fragten sich viele: Wo ist der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen? Fast keine Interviews oder öffentlichen Auftritte gab es von Stamp.

    Koalitionsvertrag schreibt Sonderbeauftragten vor

    Dabei hat er ohnehin schon ein Jahr Verspätung. Zumindest laut Koalitionsvertrag, der schon zu Beginn der Legislaturperiode die Einführung eines Sonderbeauftragten für Migration festschrieb.
    "Das Thema hat man vielleicht anfangs auch ein Stück weit unterschätzt", sagte Stamp am Dienstagabend bei Markus Lanz in seinem ersten großen Medienauftritt in neuer Rolle. Kritik an der Bundesregierung, die laut Stamp "nicht den Fokus auf diesem Thema" gehabt habe. Darum kann er erst jetzt loslegen.

    Stamp: Pandemie und Ukraine-Krieg haben "viel gelähmt"

    Sowohl der "Ausfluss der Pandemie", als auch der "Überfall von Putin auf die Ukraine" habe "sehr, sehr viel gelähmt, auch in den Prozessen". Die Politik habe über Jahre, "wenn nicht Jahrzehnte, Dinge liegen lassen. Wir haben viele Projekte gestartet, die dann in der Praxis nicht funktioniert haben."
    Und Stamp ging noch weiter: Er sehe an manchen Stellen "ein Versagen über viele, viele Jahre, gilt übrigens auch europaweit", was das Thema Migration betrifft.

    Stamp: Ministerien gehen unterschiedlich vor

    Dennoch wolle Stamp "nicht zurück, sondern nach vorne" schauen:

    Es geht darum, dass wir einen gemeinsamen Ansatz der Bundesregierung entwickeln wollen.

    Joachim Stamp (FDP), Migrationsbeauftragter

    Beim Thema Migration seien verschiedene Ministerien bis jetzt unterschiedlich vorgegangen. So habe sich das Bundesinnenministerium "immer klassisch auf die Rückführungen konzentriert". Das Entwicklungshilfeministerium sei "da, um zu helfen". "Diplomatie, die deutschen außenpolitischen Interessen insgesamt" habe das Auswärtige Amt im Blick.

    Stamp: unterschiedliche Ansätze zusammenführen

    Diese unterschiedlichen Ansätze, "die es mit den Ländern gibt", wolle man "so zusammenführen, dass wir auf der einen Seite reguläre Migration stärken und auf der anderen Seite irreguläre reduzieren können", sagte Stamp.

    Wir haben jetzt im Nachgang zu dem Flüchtlingsgipfel der Bundesinnenministerin eine Arbeitsstruktur mit den Ländern und den Kommunen, Bund, Land, wo wir auch darüber sprechen, wo es logistische Probleme gibt, auch was das Rückführungsmanagement angeht.

    Joachim Stamp (FDP), Migrationsbeauftragter

    Eine "Rückführungsoffensive" war es, die im Ampel-Koalitionsvertrag vereinbart worden war. Was des einen Rückführung, des anderen Abschiebung. Ein Wort, das Joachim Stamp ungern benutzt, "weil das Abschieben in dem Sinne - man will nur jemanden lästig loswerden - eine schwierige Konnotation hat".
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    Keine exakte Zahl der vorzunehmenden Abschiebungen

    Dabei habe die Ampel einen "sehr, sehr starken Fokus auf Gefährder, Straftäterinnen und Straftäter" gelegt. Eine exakte Zahl vorzunehmender Abschiebungen konnte der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung nicht nennen: "Wir haben sehr schlechtes Datenmaterial." Stichwort "Versagen".
    Innerhalb einer "Größenordnung von 50.000, 60.000" vollziehbar Ausreisepflichtigen würden Abschiebungen "möglicherweise schneller" gehen und seien "eher möglich als bei anderen". Bei "vollziehbar Ausreisepflichtigen" handele es sich um einen juristischen Fachbegriff, der bedeute, "dass jemand ausländerrechtlich keine dauerhafte Bleibeperspektive hier hat".

    Stamp: Geduldete teils sehr gut integriert

    Es könne aber sein, dass derjenige seit Jahrzehnten geduldet, krank oder inhaftiert sei. Von den Geduldeten gebe es "bei denen, die schon sehr lange hier sind, einen Teil, der sich fantastisch integriert hat".
    Über das Chancenaufenthaltsrecht beabsichtige die Ampel daher, den "gut Integrierten, die sich hier jenseits des Aufenthaltsstatus nie was haben zuschulden kommen lassen, die straffrei sind, die die Sprache gelernt haben, die hier selber ihren Unterhalt verdient" eine dauerhafte Perspektive zu geben. "Den anderen Teil" wolle man "stärker zurückführen", sagte Stamp.

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