Leben im Schatten Russlands: Für oder gegen Putin?

    Ex-Sowjetstaaten gespalten:Georgien und Moldau: Für oder gegen Putin?

    von Sebastian Ehm, Jenifer Girke und Nina Niebergall
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    Moldau hat Angst: Wird Putin ihr Land als Nächstes angreifen? Mit Russland wollen viele in dem Ex-Sowjetland nichts mehr zu tun haben. So auch in Georgien. Geht das so einfach?

    Frau hinter ihrem Marktstand
    Viele in Moldau haben Angst, dass Russland auch sie angreift. Doch die Hälfte der Bevölkerung ist pro-russisch. In Georgien kommen immer mehr russische Geflüchtete an. 20.06.2023 | 19:27 min
    Moldau ist mehr denn je gespalten: Etwa die Hälfte der Menschen will in die EU, die andere Hälfte ist pro Russland. Besonders in den Städten treffen wir auf Menschen, die Angst haben, dass Russland sie als nächstes angreift.
    Im Mai demonstrieren Zehntausende in der Hauptstadt Chisinau. "Ich kann nicht akzeptieren, was unter russischer Herrschaft passiert, welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt werden", so die Demonstrantin Angela Vartic.

    Unsere Zukunft ist Europa.

    Angela Vartic, Demonstrantin aus Moldau

    Moldau - Aufbruch nach Europa?
    Die Republik Moldau - jüngster Beitrittskandidat der EU. Einblicke aus der Hauptstadt Chisinau, Transnistrien und Gagausien. Wie hat der Angriff Russlands auf die Ukraine das Land verändert?01.06.2023 | 55:48 min
    Doch wie lange ist Moldau noch sicher? Das Land hat eine lange Grenze mit der Ukraine. Der Grenzpolizist Boris Nicșan ist zwölf Stunden pro Tag auf Patrouille - mit der Angst, der Krieg könne auf sein Land übergehen. Seine Hoffnung: die EU. "Ich spüre wegen des Kriegs so eine Unruhe in meiner Seele."

    Ich glaube fest daran, dass die Republik Moldau der europäischen Union beitreten wird.

    Boris Nicșan, Grenzpolizist aus Moldau

    Boris hofft auf eine Union, ohne Grenzen, die ihn und die Moldauer behindern, sagt er.

    Ein Jahr lang sind die zwei ZDF-Reporter Nina Niebergall und Sebastian Ehm in der ehemaligen Sowjetunion unterwegs gewesen, in sechs Ländern, die einst gemeinsam mit der Ukraine zur UdSSR gehörten. Und die vor allem seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Umbruch sind. Manche streben die EU an, andere sind massiv abhängig von Russland, wieder andere sind gespalten und unterstützen in Teilen Russlands Politik.
    Moldau, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kirgisistan und Kasachstan - in allen Ländern ist der Einfluss des Kreml deutlich zu spüren, das Leben vieler Menschen ist bestimmt von Putins Macht. In einer dreiteiligen Serie wird in die diese Region geblickt und gezeigt, wie sich Kulturen, Wirtschaften und Politik verändern.

    EU-Beitrittskandidat Moldau
    Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 gibt es Befürchtungen, dass auch die Republik Moldau zum Ziel der Machtansprüche des Kreml werden könnte.31.05.2023 | 2:24 min

    Prorussische Meinung auf dem Land

    Auf dem Land sieht das anders aus: Im Wohnzimmer von Galina Skalosub läuft russisches Staatsfernsehen in Dauerschleife. Sie ist der Meinung, dass Russland keine Schuld hat am Krieg in der Ukraine: "Es gibt niemanden außer Selenskyj, der diesen Krieg so sehr möchte. Er will, dass dieser Krieg sehr lange dauert. Das sagen sie in Europa und selbst Biden hat das gesagt."
    Galina ist wütend. Sie sagt, sie habe wenig Geld und müsse nun im Winter auch noch mit Holz heizen. Sie wirft einen Holzscheit ins Feuer und fragt mit zusammengekniffenen Augen. "Sieht das aus wie das Zentrum Europas im 21. Jahrhundert?" Für Galina ist klar, an alledem sei die pro-europäische Regierung von Präsidentin Maia Sandu Schuld und die werde gesteuert vom Westen, der NATO und den USA.

    Warum so viele Russen nach Georgien fliehen

    Auch Georgien will in die EU. Doch Russland will das nicht zulassen. Seit dem Kaukasus-Krieg 2008 besetzen russische Truppen 20 Prozent ihres Territoriums. Die Panzer des Kreml standen damals wenige Kilometer vor der Hauptstadt Tiflis.
    Auch deswegen sehen sich viele Georgier an der Seite der Ukraine. Spannungen waren also vorprogrammiert, als Zehntausende Russen Zuflucht ausgerechnet in Georgien suchen. September 2022: Putin verkündet die Teilmobilmachung und aus Russland setzte eine Massenflucht ein.
    Die abchasische Sängerin Natia Todua steht neben Ruinen in Georgien und blickt in die Ferne.
    Im Georgienkrieg 2008 testet Wladimir Putin, wie weit er gehen kann. Gezielt heizt er dafür alte Konflikte der Region an. Die Folge: Georgien ist bis heute ein gespaltenes Land.08.09.2022 | 45:06 min

    Aktivist "empfängt" Russen am Flughafen in Georgien

    Für Badri Grigalashvili war das eine Katastrophe. Er ist Teil der Jugendorganisation Girchi, strikt anti-russisch und für Solidarität mit der Ukraine. Der Georgier hält die Russen in seinem Land für eine Gefahr. Auf einem Plakat steht: "Grüße an alle russischen Deserteure". Damit empfängt er sie am Flughafen von Tiflis.
    "Es geht um die Menschen, die Putins Regime eigentlich stützen. Die auf der einen Seite den Krieg und die Repression gegen die Ukraine unterstützt haben, aber sich dann, als ihr Leben in Gefahr war, dazu entschieden haben, wegzulaufen und in Georgien Schutz zu suchen", so der Aktivist.

    Anti-russische Stimmung in Georgien wächst

    Diese Stimmung spiegelt sich auch in Teilen der Politik wider. Der Oppositionspolitiker Mamuka Khazaradze, Vorsitzender der Oppositionspartei Lelo, kritisiert im Interview die Regierung als prorussisch und fordert eine härtere Gangart gegenüber den Russen: "Wir sind das einzige Land im Kaukasus, das ein einjähriges Visum für russische Besucher ausgibt."
    Das ist nur eine Forderung der Opposition. Eine andere ist die Ausweisung von denen, die sich nicht klar gegen die russische Invasion in der Ukraine stellen. Die Regierung Georgiens hat sich noch nicht klar positioniert. Doch der Druck auf sie wächst.
    Frau mit Gewehr
    Armenien fühlt sich von seiner ehemaligen Schutzmacht Russland allein gelassen. Die Region Bergkarabach ist umkämpft. Aserbaidschan setzt selbstbewusst seine Interessen durch.20.06.2023 | 23:40 min
    Russland ist für einige Länder wichtige Schutzmacht, zum Beispiel für Armenien. Bricht Russland weg, wird Erzfeind Aserbaidschan angreifen, so die Befürchtung. Sehen Sie hier Teil zwei der Reihe "Leben im Schatten Russlands":

    Hohe Mieten wegen geflüchteter Russen in der Stadt

    Giorgi ist neu in der Stadt. Der 19-Jährige ist aus einem kleinen georgischen Bergdorf nach Tiflis gezogen, um zu studieren. Bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist fast unmöglich, seit das Land von etlichen russischen Geflüchteten aufgesucht wird.
    Seine Wohnung hat keine Tür und im Bad muss man mit einem Eimer spülen. Die Küche ist klein und nur mit dem Allernötigsten versehen. Gleich neben dem Herd ist die Dusche. Das Schlafzimmer hat zehn Quadratmeter, er teilt es sich mit seiner Schwester.

    Wir haben sehr viele Besucher aus anderen Ländern, vor allem aus Russland. Deswegen haben die Vermieter alle ihre Preise erhöht.

    Giorgi, Student in Tiflis

    Die Georgier, vor allem die vom Land, hätten es schwer. Er könne nicht so viel bezahlen. Aber eine Wohnung müsse er ja trotzdem irgendwie finden. Und zwar eine, die billig und trotzdem gut ist. Er und seine Schwester zahlen für diese Wohnung umgerechnet 110 Euro pro Monat. Für Giorgi ist das viel Geld. Seine Wut auf die russischen Einwanderer wächst:

    Klar bin ich wütend, ich finde, erst sollte man sich um die Georgier kümmern, dann um alle anderen wie die Russen.

    Giorgi, Student in Tiflis

    Demonstrantin hält Pro-EU Poster während Protest vor Parlamentsgebäude in Tiflis, Georgien
    Georgien sucht den Weg in die NATO und EU, denn die Angst vor dem mächtigen Nachbarn Russland ist groß. Bereits 2008 marschierten russische Truppen in das Land ein. Und die Grenzen werden immer weiter verschoben, zu Gunsten Russlands. 06.07.2022 | 15:44 min

    Geflohene Russen verändern die Gesellschaft

    Die Flucht der Russen ändert die Zivilgesellschaften wie in Georgien. Aber auch einige der Geflüchteten sind einer schwierigen Situation ausgeliefert. Katerina Kiltau ist Putin-Kritikerin und musste Russland Anfang März verlassen. In ihrem Heimatland gilt sie als ausländische Agentin, eine Feindin des Volkes. Wir treffen sie in Tiflis.
    "Auszuwandern ist nicht so angenehm und toll wie manche es sich vorstellen. Das ist ein fremdes Land, eine fremde Stadt, das sind neue Menschen, ein neuer Alltag, ein neues Leben, an das man sich gewöhnen muss", so Katerina.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
    Liveblog
    Sie kümmert sich mit vielen Freiwilligen um die, die neu in der Stadt ankommen und vermittelt Wohnungen, Arbeitsplätze, organisiert Informationsveranstaltungen. In einem heruntergekommenen Teil der Altstadt zeigt sie uns, wie viele der geflüchteten Russen hausen. In einem Keller wohnen 14 Männer auf engstem Raum. Darunter auch Alexander: "Man spürt die Abneigung gegenüber Russen."

    Die Menschen hier haben Angst, dass irgendwann die russische Armee kommt, um russische Interessen zu schützen, wenn zu viele Russen hier sind.

    Alexander, russischer Geflüchteter

    Georgier leiden unter den gestiegenen Preisen, Russen fühlen sich alles andere als willkommen - die Spannungen sind spürbar. Wie so oft in diesem Krieg gibt es auf keiner Seite einen Gewinner.

    Aktuelle Nachrichten zur Ukraine