Scholz: "Wir dulden Antisemitismus nicht"

    Bundestag zum 9. November:Scholz: "Dulden Antisemitismus nicht"

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    Zum 85. Jahrestag der NS-Pogromnacht hat Kanzler Scholz jede Form von Antisemitismus in Deutschland verurteilt. Innenministerin Faeser betonte, die Demokratie setze sich zur Wehr.

    Jahrestag Pogromnacht · Berlin
    Unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen hat Deutschland der Novemberpogrome von 1938 gedacht. Im Bundestag: eine Debatte über den Schutz jüdischen Lebens ‎im Land.09.11.2023 | 3:01 min
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Parteien im Bundestag haben sich für ein hartes Vorgehen gegen Antisemitismus ausgesprochen. Scholz bezeichnete antisemitische Vorfälle in der Rede zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht in der Berliner Synagoge Beth Zion als eine Schande für Deutschland.

    Mich empört und beschämt das zutiefst.

    Olaf Scholz, Bundeskanzler

    Es gerate "etwas aus den Fugen", wenn heute Gewalttaten der radikal-islamischen Hamas gefeiert und jüdische Mitbürger bedroht würden. Die Fraktionen der Ampel und die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag forderten in Resolutionen unter anderem eine Verschärfung des Strafrechts.

    Scholz: Antisemitismus vergiftet Gesellschaft

    Der Jahrestag steht wegen der Entwicklungen im Nahen Osten besonders im Fokus. Seit dem Überfall der radikal-islamischen Hamas auf Israel und den nachfolgenden israelischen Angriffen im Gazastreifen ist die Zahl antisemitischer Straftaten deutlich gestiegen.
    Demo-Antisemitismus
    Im dritten Quartal diesen Jahres wurden deutschlandweit 540 antisemitisch motivierte Straftaten registriert. Die Straftaten häuften sich bereits vor dem Hamas-Angriff auf Israel. Ein grundlegendes Problem in Deutschland?06.11.2023 | 1:49 min
    Jede Form von Antisemitismus vergifte die Gesellschaft, sagte Scholz. "Dabei darf es nicht darauf ankommen, ob Antisemitismus politisch motiviert ist oder religiös, ob er von links kommt oder von rechts, ob er sich als Kunst tarnt oder als wissenschaftlicher Diskurs, ob er seit Jahrhunderten hier gewachsen ist oder von außen ins Land gekommen."

    Kanzler verspricht Schutz jüdischer Einrichtungen

    Das Versprechen "Nie wieder" bedeute zuallererst den physischen Schutz von jüdischen Einrichtungen und Gemeinden und die konsequente Durchsetzung geltenden Rechts durch Polizei und Justiz.

    Wer Terrorismus unterstützt, wer antisemitisch hetzt, den werden wir strafrechtlich verfolgen.

    Olaf Scholz, Bundeskanzler

    Der Kanzler fügte hinzu, dass das angepeilte neue Staatsangehörigkeitsrecht klar regele, dass Antisemitismus einer Einbürgerung entgegensteht. "Wir dulden Antisemitismus nicht. Nirgendwo." 
    Steinmeier
    Bundespräsident Steinmeier hat sich kritisch gegenüber den antisemitischen Vorfällen in Deutschland geäußert. Er fordert arabisch- und palästinensisch-stämmige Bürger auf, sich davon zu distanzieren.08.11.2023 | 2:23 min

    Schuster warnt vor Angst und Verunsicherung bei Juden

    Bei der Gedenkveranstaltung in der Berliner Synagoge Beth Zion warnte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, vor neuer Angst und Verunsicherung bei Jüdinnen und Juden in Deutschland. Er erkenne zuweilen dieses Land nicht wieder, sagte er. Der Zentralratspräsident zog eine Linie von den Gewaltakten der Nationalsozialisten im November 1938 zu heutigen Angriffen, die seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober deutlich zugenommen haben.
    Die Pogromnacht vom 9. November 1938 in Bildern:
    Vor 80 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brennen im gesamten Deutschen Reich, in Österreich und der Tschechoslowakei die Synagogen.
    Anlass ist das Attentat des 17-jähhrigen polnischen Juden Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst von Rath in Paris zwei Tage zuvor, am 7. November 1938.
    •	Organisierte Schlägertrupps der SA, der Hitlerjugend und anderer NS-Organisationen setzen jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand. Beinahe alle Synagogen und mehr als 7.000 jüdische Geschäfte und Wohnungen werden zerstört.
    Mehr als 30 000 Menschen werden verhaftet, viele von ihnen in Konzentrationslager verschleppt.  Nach offiziellen Angaben werden 91 Juden ermordet.
    Durch die aufgeheizte antisemitische Stimmung wird auch indirekte Gewalt auf die jüdische Bevölkerung ausgeübt: Die Zahl der Suizide jüdischer Bürger nimmt in der Zeit nach der Pogromnacht stark zu.
    •	Als organisierter Pogrom markiert die Reichspogromnacht den Übergang von der administrativen und legislativen Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung zur offenen Verfolgung.
    Diese Nacht ist das offizielle Signal zum größten Völkermord in Europa.

    Banner an Leipziger Rathaus erinnert an Pogromnacht

    Vor 81 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brennen im gesamten Deutschen Reich, in Österreich und der Tschechoslowakei die Synagogen.

    Quelle: dpa


    Wer verstehen wolle, was Juden in diesen Tagen fühlen, der müsse sich der historischen Pogromerfahrungen im jüdischen Denken bewusst sein, sagte er. "Die Jagd auf Juden, dort wo sie zu Hause sind, brennt sich tief ein in das kollektive Bewusstsein von Jüdinnen und Juden", sagte er.

    Faeser kündigt weitere Verbote an

    Im Bundestag kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) weitere Verbote von Organisationen an, die antisemitische Positionen vertreten. Der Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland ist nach Faesers Worten Aufgabe der ganzen Gesellschaft. "Nie wieder, meine Damen und Herren, ist jetzt", sagte sie.
    Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte, dass sich einige muslimische Verbände zwar auf deutsch vom Antisemitismus distanzierten, aber auf türkisch oder arabisch das Gegenteil vertreten.
    Berlin, 04.11.2023: Teilnehmer einer Pro-Palästina-Kundgebung auf der Straße Unter den Linden in Berlin zünden Pyrotechnik.
    Die Pro-Palästina-Demos vom Wochenende blieben weitgehend friedlich, trugen aber zum Teil erneut Judenhass auf die Straße. Für den Staat eine schwierige Situation.07.11.2023 | 1:20 min
    Ampel-Fraktionen und Union hatten sich im Vorfeld nicht auf eine gemeinsame Resolution einigen können, weshalb diese in die Bundestags-Ausschüsse überwiesen wurden. In beiden Resolutionen wird aber übereinstimmend etwa die Überprüfung deutscher Hilfsleistungen im Gazastreifen sowie die Schließung des Islamischen Zentrums in Hamburg gefordert. Die Ampel-Fraktionen fordern die Bundesländer auf, Ausweisungen von Ausländern nach antisemitischen Straftaten zu erleichtern.
    Die Zusammenarbeit mit muslimischen Verbänden müsse überprüft werden. Gefordert wird in beiden Anträgen eine engere militärische Zusammenarbeit mit Israel. Die Union fordert in ihrem Antrag zudem, dass es keine Rüstungsexportbeschränkungen für Israel mehr geben sollte.

    Anne-Frank-Zentrum bangt
    :Sparen an der Demokratie?

    Die Ampel will ausgerechnet bei der Aufklärung zu Antisemitismus sparen, obwohl antisemitische Straftaten deutlich zunehmen. Das Anne-Frank-Zentrum bangt um wichtige Projekte.
    von Julia Theres Held
    Tagebuch der Anne Frank
    Quelle: dpa

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