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Gründungsparteitag in Berlin:Wie funktioniert die Methode Wagenknecht?
von K. Belousova, D. Gebhard, U. Stoll
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Sahra Wagenknecht polarisiert und scheut dabei weder russlandfreundliche Positionen noch populistische Rhetorik. Was will ihre neue Partei? Und kann sie der AfD gefährlich werden?
Wer verstehen will, wie die Methode Sahra Wagenknecht funktioniert, muss einen ihrer vielen öffentlichen Auftritte besuchen. Etwa eine Friedens-Demo Ende November in Berlin, bei der Wagenknecht eine der Hauptrednerinnen war.
Zu hören bekamen die Teilnehmenden ihre Ukraine-Forderung "Verhandlungen statt Waffen" und jede Menge Kritik an der Ampel-Regierung. "Er will, dass Deutschland das Handwerk des Krieges wieder beherrscht", sagte sie etwa über Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
Für solche Botschaften gab es Beifall - viele Menschen waren gerade wegen der Person Wagenknecht gekommen. "Ich halte Sahra Wagenknecht für eine sehr kluge Frau, die viele richtige Dinge sagt", erklärte eine Teilnehmerin aus Marburg im Gespräch mit ZDF frontal.
Aber ich bedauere die Spaltung der Linken.
Teilnehmerin der Friedens-Demo
Neue Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht"
Zu sehen gab es also die klassische Sahra Wagenknecht: populistisch, populär, polarisierend. Die ehemalige Linken-Politikerin zieht Aufmerksamkeit auf sich und spaltet. Nicht nur ihre ehemalige Fraktion im Bundestag. Die ist bekanntlich seit Dezember Geschichte.
Seit Januar gibt es - neben der auf eine Parlaments-Gruppe geschrumpften Linken - im Bundestag die Abgeordneten der neuen Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht - Vernunft und Gerechtigkeit" (BSW). Am Samstag findet der Gründungsparteitag in Berlin statt.
Mit dabei: einige prominente frühere Mitstreiter der Linken. Unter anderem die Ex-Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali, die nun Co-Vorsitzende des BSW ist.
Programm für Europawahl 2024
Ein wichtiger Tagespunkt am Samstag wird im ehemaligen Berliner Kino Kosmos auch das Programm für die Europawahl 2024 sein. In einem Entwurf dafür unterbreitet das BSW eine bunte Mischung aus linken Wirtschafts- und Sozialstaatsideen, einer strengeren Kontrolle von Migration sowie einer russlandfreundlicheren Außenpolitik, die auch die Niederlage der Ukraine einkalkuliert.
- Russland durch einen sofortigen "Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine" zur Aufnahme von Verhandlungen zu "motivieren"
- Öl- und Gaslieferung aus Russland wieder aufzunehmen
- Technologie-Offenheit anstelle eines Verbrenner-Aus
- Ende der Privatisierung und Kommerzialisierung existentieller Dienstleistungen wie Wohnen, Wasser- und Energieversorgung
- Mindeststeuersatz auf Unternehmensgewinne von 25 Prozent
- Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und in Drittstaaten
Doch letztlich ist allen klar: Bei dem Projekt geht es vor allem um Sahra Wagenknecht. Ihr bekannter Name soll einen Wiedererkennungswert auf dem Wahlzettel erzeugen - und Stimmen einfangen. Daher behält die Partei bis zur Bundestagswahl 2025 ihren Namen. Auch deshalb besucht sie eine Veranstaltung nach der nächsten: Talkshows, Lesungen, Pressekonferenzen. Sie ist das Gesicht der Partei. Um Inhalte und Fachpolitik sollen sich andere kümmern.
Wagenknecht fehlt oft im Bundestag
Es ist eine altbewährte Methode - bekannt auch aus dem Bundestag. Laut Webseite des Bundestags blieb Wagenknecht in der aktuellen Legislaturperiode (Stand 1.11.21 bis 18.1.24):
- 67 von 132 namentlichen Abstimmungen fern, nahm an der Hälfte der Abstimmungen nicht teil. Das ist weit über dem Schnitt.
- Laut exklusiver Auswertung von Abgeordnetenwatch wurden im selben Zeitraum insgesamt nur etwas mehr als elf Prozent der möglichen Stimmen von anderen Abgeordneten nicht abgegeben.
Wagenknecht begründet ihre Abwesenheit mit den vielen öffentlichen Veranstaltungen, an denen sie teilnimmt, und die längerfristig geplant würden. Abstimmungen im Bundestag würden hingegen oft erst kurzfristig anberaumt.
Will man diesen öffentlichen Teil der politischen Arbeit so stark reduzieren, in Erwartung, dass es vielleicht Abstimmungen gibt? […] Ich finde das andere letztlich wichtiger.
Sahra Wagenknecht auf ihrem Youtube-Kanal am 13.7.23
Wählerpotenzial besonders im Osten
Ihre Anhänger scheinen diese "Volksnähe" zu goutieren - vor allem im Osten Deutschlands. Dort ist ihr Wählerpotenzial besonders hoch.
Wählerpotenzial Bündnis Sahra Wagenknecht Ost und West
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Ähnlich hoch klingt Wagenknechts Anspruch. "Wir müssen darauf vorbereitet sein, uns eventuell auch an einer Regierung zu beteiligen", sagte sie gerade erst der "Zeit". Dabei zielt die Partei auch darauf, der AfD massiv Stimmen wegnehmen - mit zum Teil umstrittener Rhetorik.
Wenn Wagenknecht die etablierten Parteien etwa als "Kungel-Kartell" bezeichnet - und es nach dem "Altparteien-Kartell" der AfD klingt. Oder im Programmentwurf für die Europawahl davor gewarnt wird, "Vasall der USA zu sein". Eine Formulierung, die so auch Spitzenpolitiker der AfD verwenden.
Wagenknecht als Alternative zur AfD?
Wird sie damit Erfolg haben? Laut jüngstem ZDF-Politbarometer schadet die Wagenknecht-Partei aktuell eher der Linken als der AfD.
Auch der Jenaer Parteienforscher Torsten Oppelland hat Zweifel daran, dass Wagenknecht der AfD wirklich gefährlich werden kann. "Nach dem bisherigen Eindruck ist es so, dass die Erwartung, dass Wagenknecht sozusagen das Werk von Friedrich Merz vollendet und die AfD halbiert, dass sie diese Wirkung nicht ausüben wird", erklärt er ZDF frontal.
Populistisch, populär, polarisierend - so funktioniert die Methode Sahra Wagenknecht. Gegen die AfD zeigt sie bislang noch nicht die von ihr erhoffte Wirkung.
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