Bezahlbarer Wohnraum: Das Preisproblem im Wohnungsmarkt

    Bezahlbarer Wohnraum:Das Preisproblem im deutschen Wohnungsmarkt

    Florence-Anne Kälble
    von Florence-Anne Kälble
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    Vor allem in Ballungsgebieten ist bezahlbarer Wohnraum gerade ein kaum vorhandenes Gut. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 verschärft die Situation auf dem Wohnungsmarkt.

    Energieeffiziente Neubauten
    Die Wohnungsnot in Deutschland ist groß. Es gibt verschiedene Ansichten, wie sie gelöst werden kann.
    Quelle: dpa

    Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum gestaltet sich in deutschen Ballungsgebieten mehr als schwierig: Der Bedarf ist groß, das Angebot kaum vorhanden. Die Bundesregierung hat das Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, ausgegeben - und scheitert an der Umsetzung.
    "Mit Glück landen wir 2023 zwischen 200.000 und 250.000 neuen Wohnungen", erklärt Dirk Wohltorf, Vizepräsident des Immobilienverband Deutschland (IVD). Dazu gibt es die Wohnungen im Bestand. Wegen fehlender energetischer Ertüchtigung und explodierender Energiekosten sind hier die Nebenkosten in manchen Lagen höher als die Miete.
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    Immobilienverband: Hohe CO2-Standards und niedrige Mieten unvereinbar

    "Bei einer Nettokaltmiete von fünf oder sechs Euro pro Quadratmeter kommen heute oft vier bis fünf Euro pro Quadratmeter Heiz- und Nebenkostenkosten hinzu. Mit der Instandhaltungsrücklage, die der Eigentümer trägt, belaufen sich Nebenkosten manchmal auf sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter", erklärt Wohltorf.

    Wie sollen Mieter oder Eigennutzer, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, das stemmen?

    Dirk Wohltorf, Vizepräsident des IVD

    Die aktuelle politische Diskussion und deren Dynamik gehen laut Wohltorf an der Lebensrealität der Menschen und auch der Umsetzbarkeit vorbei. Vor allem müsse man sich am wohnungspolitischen Tisch von dem Gedanken verabschieden, die höchsten CO2-Standards in Europa umsetzen zu wollen, aber gleichzeitig niedrige Mieten behalten zu können: "Das ist zwar wünschenswert, aber unrealistisch."

    Vonovia: Politik muss bei Anforderungen Maß im Auge behalten

    Vonovia erwartet, dass die Politik bei den geforderten energetischen Sanierungen das Maß im Auge behält. "Es geht nicht darum, dass wir nicht sanieren wollen, unsere Sanierungsquote lag in den vergangenen Jahren mit drei Prozent über dem Durchschnitt. Aber je höher die Effizienzstandards werden, umso aufwändiger wird es", sagt Nina Henckel, Sprecherin des Unternehmens.
    Beispielhaft führt sie aus, dass der Sprung auf den Gebäudestandard KfW 40 teurer ist als der Sprung auf KfW 55. "KfW 55 ist bereits ein guter Standard, der jetzt aber nicht mehr gefördert wird. Jetzt muss es KfW 40 sein. Wir wünschen uns eine realistische Einschätzung, was tatsächlich gemacht werden muss".



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    Noratis AG: Maßnahmen müssen gut durchdacht sein

    Igor Christian Bugarski, CEO der Noratis AG, mahnt, dass die durchzuführenden Maßnahmen in Hinblick auf ihre Machbarkeit gut durchdacht sein müssen: "Hier dominieren Finanzierbarkeit, technische Herausforderungen und Toleranz der Bewohner". Bugarski ist sicher, dass das ambitionierte Programm nur Fortschritte erzielen wird, wenn Immobilien weiter wirtschaftlich bleiben und die Lebensqualität der Bewohner dabei wächst.

    Der Bestandsentwickler investiert aktuell in Pilotprojekte mit neuen Sanierungsverfahren. Ziel soll dabei sein, die Einsparungen und Mehrkosten für Mieter im Einklang zu halten und die Belastung durch die Sanierung auf ein Minimum zu begrenzen.

    Bei dem Großteil der Objekte prüft das Unternehmen konventionelle Einzelmaßnahmen, bei denen ein gutes Verhältnis zwischen Investition, Aufwand und Mieterzufriedenheit zu erreichen ist. Aktuell sind das häufig der Austausch von 40 Jahre alten Fenstern und Erneuerung von Heizungsanlagen.

    Viele kleinere Schritte bringen auch häufig sehr gute Ergebnisse wie Reparaturen, Dämmung von Heizanlagen, Austausch von defekten Thermostatknöpfen und die Sammlung von Daten, um die richtigen Ansätze zu finden.

    Um vor allem Wohnraum zu niedrigen Mieten anbieten zu können, benötigen Anleger und Investoren eine auskömmliche Marge, konstatiert Adalbert Pokorski, Geschäftsführer der Greenwater Capital GmbH.
    Das könne man, wie bereits in der Vergangenheit, durch Zuschüsse für Neubauvorhaben, kurze Abschreibungszeiträume oder zinsgünstige Darlehen erreichen. "Jedenfalls wäre es erforderlich, das Angebot an Wohnraum so auszuweiten, dass es dämpfend auf die Preise wirkt", erklärt Pokorski.

    Die Wohnimmobilien Investment- und Asset Management Gesellschaft setzt verstärkt auf die Entwicklung des eigenen Bestands. Hierfür werden eigene Handwerker engagiert, die Energiesparpotenziale analysieren und sich um die technische Umsetzung kümmern.

    Experte für Wohnungspolitik: Wohnungslücke nicht alleine im Bestand lösen

    Matthias Bernt, Experte für Wohnungspolitik, hält das nicht für den richtigen Weg: "Die Vorstellung ist sehr weit verbreitet, dass man, wenn man neu baut und das Angebot erhöht, ein neues Gleichgewicht auf dem Markt herstellen kann und die Preise sinken." Beispiele aus anderen Ländern hätten jedoch gezeigt, dass dem nicht so ist. Bernt findet die Fixierung der Politik auf Neubau nicht angebracht:

    Quantitativ haben wir zu wenig Wohnraum. Und die Wohnungslücke können wir nicht alleine im Bestand lösen. Aber gleichzeitig ist es so, dass wir vor allem ein Preisproblem haben - und die Preisbildung findet im Bestand statt.

    Matthias Bernt, Experte für Wohnungspolitik

    Der Staat habe sich seit Jahrzehnten aus der Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums zurückgezogen und sich so seines Einflusses bei der Gestaltbarkeit von Mietpreisen beraubt.

    Eine Möglichkeit zum Erhalt bezahlbarer Mieten sieht Bernt in der Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit, über die in der Politik seit vielen Jahren diskutiert wird. Die Politik diskutiere hier über Anreize wie Steuervorteile für Unternehmen, die gemeinnützig wirtschaften. Dieser Vorschlag stehe laut dem Stadtbau-Experten auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung.

    Wie sozial ist der soziale Wohnungsbau?

    Gleichzeitig gab es einen sozialen Wohnungsbau, der laut Bernt eine Investitionsförderung mit sozialer Zwischennutzung war: "Der Bauträger bekommt Subventionen und verpflichtet sich, 20 bis 30 Jahre die Miete zu deckeln und Wohnraum für einkommensschwache Gruppen bereitzustellen. Nach dieser Zeit kann der Träger zu marktüblichen Mieten übergehen, was zum Verlust des bezahlbaren Wohnraums führt."
    Auch sind mehr Finanzinvestoren in den Wohnungsmarkt geströmt, haben sich in große Bestände eingekauft und sind an der Ausnutzung sämtlicher Mietsteigerungsmöglichkeiten interessiert.
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    Energetische Sanierungen stellen Gesellschaft vor neue Probleme

    In Bezug auf die notwendigen energetischen Sanierungen sieht Bernt die Gesellschaft in neue Probleme schlittern:

    Die Maßnahmen sind nötig, aber es müssen im Anschluss auch bezahlbare Mieten rauskommen.

    Matthias Bernt, Experte für Wohnungspolitik

    Gerade einkommensschwache Haushalte kommen sonst in eine enorme Zwickmühle: zu hohe Heizkosten und zu hohe Mieten. Beides können sie nicht stemmen. Bestehende Mieter können so verdrängt und die Wohnungen teuer neu vermietet werden.
    Klimafreundliche Sanierung sei zum Teil ein Verdrängungsgeschäft geworden, so der Stadtforscher. "Ich denke, es ist notwendig, die Gesetzeslage stärker nachzubessern und dafür zu sorgen, dass die modernisierungsbedingten Mietpreiserhöhungen mit einer Warmmieten-Neutralität stärker in Einklang gebracht werden".

    Wohnungswirtschaft erzürnt
    :Verschärft der Klimaschutz die Wohnungsnot?

    Gleich zwei Gesetzespläne treiben Eigentümer und Mieter um. Beide Vorhaben sollen den Klimaschutz im Gebäudesektor vorantreiben. Beides wird Wohnen teurer machen.
    von Frank Bethmann
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