Neue Regelung: Wie der Strom künftig gedrosselt werden kann

    FAQ

    Drohen Überlastungen im Netz?:Wie der Strom künftig gedrosselt werden kann

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
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    Netzbetreiber dürfen in Krisenlagen bald Strom für Wärmepumpen drosseln, aber die Stromnetze können das noch gar nicht richtig leisten. Warum? Und was heißt das für Verbraucher?

    Baden-Württemberg, Rottweil: Die Lüftungsanlage einer Wärmepumpe steht vor einem Wohnhaus.
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    Wärmepumpen, E-Autos - für eine große Masse dieser neuen Stromfresser sind viele ältere Stromleitungen der Netzbetreiber nicht ausgelegt. Deshalb gilt ab 2024 eine neue Regel: Droht eine Überlastung, dürfen Netzbetreiber künftig den Strombezug von neuen, steuerbaren Wärmepumpen oder Ladestationen für E-Autos zeitweise einschränken.
    Die Regelung hat jedoch ihre Tücken: Die Stromnetze in Deutschland sind im Gegensatz zu den Netzen in vielen anderen EU-Staaten nicht digitalisiert - eine dynamische Steuerung mit Drosselungen in Krisensituationen ist deshalb nicht möglich. Das gilt für jeden der fast 900 Betreiber der Verteilnetze in Deutschland. Droht uns deshalb eine Überlastung der Netze? Wie sollen Einschränkungen künftig möglich gemacht werden und was kommt auf die Verbraucher zu? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.
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    Was besagen die neuen Dimm-Regeln?

    Wenn eine Überlastung des Stromnetzes droht, also zu viele Verbraucher zu viel Strom durch die Leitungen fließen lassen, dürfen die Netzbetreiber den Strombezug von steuerbaren Wärmepumpen oder Ladestationen von E-Autos vorübergehend drosseln. Wichtig: Dabei geht es nicht um den regulären Haushaltsstrom für Kühlschrank, Herd oder Fernseher.
    Und auch für Wärmepumpen und E-Autos muss immer eine Mindestleistung von 4,2 Kilowatt zur Verfügung stehen. "Damit können Wärmepumpen weiter betrieben und E-Autos in aller Regel in zwei Stunden für 50 Kilometer Strecke nachgeladen werden", heißt es von der Bundesnetzagentur. Vollständige Abschaltungen sind nicht mehr zulässig.
    Auf dem Bild sieht man eine Wärmeanlage.
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    Dafür dürfen die Netzbetreiber den Einbau einer Wärmepumpe oder einer privaten Ladesäule für E-Autos künftig nicht mehr unter Verweis auf eine mögliche Überlastung des Stromnetzes verweigern oder verzögern, Anträge sollen so schneller genehmigt werden. Außerdem sollen Betreiber steuerbarer Geräte deutlich günstigeren Strom bekommen.

    Wie funktioniert eine Drosselung?

    Für eine intelligente Netzsteuerung braucht es intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Meter: Stromzähler und Kommunikationseinheit in einem. Smart Meter können in Echtzeit Daten an die Netzbetreiber übermitteln und ermöglichen so eine bessere Netz- und Ressourcensteuerung. Bei einer drohenden Überlastung des Netzes kann der Netzbetreiber ein entsprechendes Signal über das Smart Meter an eine Steuerungseinheit senden, die dann eine Dimmung auslöst.
    Moderne Wärmepumpen und Ladestationen für E-Autos lassen sich nach Angaben der Bundesnetzagentur auch heute schon vom Netzbetreiber direkt ansteuern und dimmen.
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    Können die Netzbetreiber ihre Netze bereits smart steuern?

    Nein. Auch, wenn einzelne Anlagen heruntergeregelt werden können - die rund 900 Netzbetreiber in Deutschland sind derzeit nicht in der Lage, ihr Gesamtnetz dynamisch, also angebot- und nachfrageorientiert zu steuern. Dafür gibt es mehrere Gründe:
    • Es sind nur wenig Smart Meter installiert: Deutschland gehört bei dem Thema im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern - von den gut 52 Millionen in Deutschland verbauten Stromzählern waren Ende 2022 gerade mal 270.000 intelligente Messsysteme. Das geht aus aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur hervor und entspricht einer Quote von etwa fünf Prozent. Zum Vergleich: In Dänemark, Schweden, Spanien, Finnland, Italien, Norwegen und weiteren Ländern sind so gut wie alle Stromzähler moderne Smart Meter.
    • Technische Standards fehlen noch: Die Kommunikationsschnittstellen zwischen Smart Metern und den steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, wie Wallboxen, Wärmepumpen und Heimspeichern sind noch nicht abschließend technisch standardisiert.

    Wird das Netz bald überlastet?

    Einerseits dürfen die Netzbetreiber ab 2024 Wärmepumpen oder Ladesäulen für E-Autos nicht mehr verweigern oder verzögern mit dem Hinweis, dass das Stromnetz überlastet werden könnte, gleichzeitig besteht noch nicht die Möglichkeit, die Netze dynamisch zu steuern - droht so vielfach eine Überlastung der Netze?
    Diese Gefahr sieht Felix Janssen, Energieexperte beim Digitalverband Bitkom, nicht. Es sei zwar nicht völlig auszuschließen, dass in Einzelfällen lokale Netze an ihre Grenzen stoßen:

    An einem kalten Tag, wenn alle in einer Straße E-Autos laden und alle Wärmempumpen auf Hochtouren laufen, kann es punktuell zu Überlastungen kommen.

    Felix Janssen, Energieexperte

    Aber es werde deshalb in den nächsten zwei Jahren ziemlich sicher keine größeren Netznotfälle geben, die eine Steuerung zwingend notwendig machen, so Janssen. Ähnlich sieht es Tobias Federico, Chef der Energieberatungsagentur Energy Brainpool: "Vielleicht ist mal ein Straßenzug betroffen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering - noch gibt es nicht so viele Ladestationen für E-Autos und Wärmepumpen springen auch nicht alle gleichzeitig in einer Staße an."
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    Fiete Wulff, Sprecher der Bundesnetzagentur, schließt gänzlich aus, dass die Netze durch die Neuregelung in Gefahr geraten. Grund: Die Netzbetreiber könnten in Krisensituationen jederzeit eingreifen, auch wenn die Netze noch nicht ausreichend digitalisiert seien - nicht nur, indem sie einzelne Anlagen ansteuern und deren Verbrauch senken.

    Netzbetreiber dürfen auch präventiv tätig werden, weil sie ja aus Erfahrung wissen, wann der Stromverbrauch am höchsten ist. Sie können übergangsweise beispielweise Anlagen statisch steuern, zum Beispiel werktags von 17 bis 19 Uhr.

    Fiete Wulff, Sprecher der Bundesnetzagentur

    Sprich: Zu Zeiten hohen Verbrauchs würden Wärmepumpen regelmäßig nur reduziert arbeiten. Das gelte aber nur, bis die Netze insgesamt digitalisiert sind, so Wulff. Er nennt die Neuregelung einen "erheblichen Digitalisierungspush" für die Netzbetreiber: "Um die Netze vernünftig steuern zu können, muss da einiges passieren."

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