Ärztemangel: Warum das Problem in Deutschland so komplex ist

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    Gibt es zu wenig Ärzte?:Warum der Ärztemangel komplexer ist

    von Luisa Billmayer
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    198 Patienten je Arzt - nie war die Versorgungsdichte höher. Warum ist trotzdem immer wieder von Ärztemangel die Rede? Eine Spurensuche.

    Symbolbild: ein Tisch mit Laptop und Stethoskop in einem Raum, der wie eine Praxis wirkt.
    Mancherorts droht in Deutschland ein Mangel an Ärzten. Die Gründe dafür sind vielschichtig.
    Quelle: iStock / dragana991

    Immer wieder hört man Menschen im Umfeld berichten: "Ich habe Wochen auf einen Termin gewartet." - "Die Praxis hat gerade Aufnahmestopp." Aber lässt sich diese gefühlte Wahrheit auch bestätigen? Mangelt es in Deutschland tatsächlich an Ärzt*innen?
    Fakt ist: Es gibt so viele Ärzt*innen wie nie und auch die Versorgung pro Kopf lag laut Daten der Bundesärztekammer 2022 auf einem Rekordhoch. Doch einige wichtige Faktoren weichen in den vergangenen Jahren vom Status Quo ab.
    Ausgebildete Ärzt*innen ergreifen häufiger andere Berufe.
    Immer mehr Ärzte arbeiten in anderen Bereichen

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    Zudem nimmt die Beschäftigung in Teilzeit zu. In der Vergangenheit war es üblich, dass Ärzt*innen in Vollzeit arbeiten.
    Immer mehr Ärzte arbeiten in Teilzeit

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    Stereotyp Arzt, männlich, immer im Dienst - ein Auslaufmodell

    Im hausärztlichen Bereich ist der Unterschied zwischen Voll- und Teilzeit noch nicht ganz so groß. 2023 übernahmen 85 Prozent der Hausärzt*innen eine ganze Stelle - doch auch hier ist ein starker Rückgang zu beobachten. 2009 lag die Vollzeitquote noch bei 98 Prozent.
    Prof. Antonius Schneider forscht an der TU München zum Ärztemangel in Bayern. Besonders bei den jüngeren Generationen sieht er einen Wandel. "Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte haben in der Vergangenheit pro Kopf mehr gearbeitet als heute. Wir brauchen drei nachwachsende Arbeitskräfte, um zwei zu ersetzen. Die Work-Life-Balance wird wichtiger", erklärt Antonius Schneider. "Gerade die Jüngeren bevorzugen Anstellung statt Selbstständigkeit und arbeiten vermehrt in Teilzeit."
    Allerdings ist Teilzeit in der Medizin nicht unbedingt mit anderen Branchen zu vergleichen. Die Belastung in den Kliniken ist enorm. "Eine Vollzeitkraft in der Klinik arbeitet nicht selten 50 oder 60 Stunden pro Woche. Wer auf eine 70-Prozent-Stelle reduziert, könnte auf 40 Stunden pro Woche kommen", so Antonius Schneider. Auch eine Befragung des Marburger Bunds unter Klinikärzt*innen kommt zu einer ähnlichen Aussage.
    Bundesminister für Gesundheit, gibt eine Pressekonferenz.
    Bei Hausärzten gibt es immer wieder volle Wartezimmer und überlastete Ärzte. Gesundheitsminister Lauterbach will mit einem Gesetzentwurf entgegensteuern.27.03.2024 | 1:43 min
    Hinzu kommt, dass die Medizin weiblicher wird.
    Immer mehr Frauen in der Medizin

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    Seit 2022 sind laut den Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erstmals mehr Frauen als Männer ärztlich tätig. Was aus Sicht der Gleichstellung wünschenswert ist, kann in der Realität Probleme bereiten: In der Vergangenheit arbeiteten überwiegend Männer in den Krankenhäusern und Praxen. Sie wurden nicht schwanger, gingen nicht in Elternzeit, kümmerten sich nicht um den Haushalt und waren bereit, 50 bis 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Ein Modell, das nicht mehr zeitgemäß ist.

    Die Bereitschaft zur Selbstausbeutung ist in jüngeren Generationen weitaus geringer ausgeprägt als in älteren Generationen. Die sagen: Ich brenne für meinen Beruf, aber ich möchte nicht ausbrennen.

    Hans-Jörg Freese, Pressesprecher Marburger Bund

    Immer mehr Frauen unter ärztlichem Personal machen Veränderungen nötig

    Auch heute noch steigen Frauen häufiger aus dem Arztberuf aus, um den Haushalt zu übernehmen oder in Elternzeit zu gehen. So hat das System offenbar Schwierigkeiten, sich umzustellen. "Beruf und Privatleben müssen besser vereinbar sein. Da müssen gerade die Krankenhäuser deutlich mehr tun. Hier ist noch ganz viel Luft nach oben", so Hans-Jörg Freese.
    Aus den Entwicklungen zu folgern 'Heute ist die Versorgung schlechter als noch vor 20 oder 30 Jahren' wäre allerdings auch falsch. Antonius Schneider spricht stattdessen von einer Über-, Unter- und Fehlversorgung. An attraktiven Orten - vorrangig im städtischen Raum - gebe es viele Ärzt*innen und die Versorgung sei wohl besser denn je. Mancherorts scheine es sogar zu viele Ärzt*innen zu geben. Das könne laut dem Experten dazu führen, dass die Versorgung wegen mangelnder Koordination chaotisch und weniger effizient ablief. In unattraktiven Regionen drohe hingegen ein Mangel.
    Ein Start-Up testet eine "hybride Praxis".
    Besonders in ländlichen Regionen Deutschlands herrscht ein Mangel an Hausärzten, dieses Start-Up will das Problem angehen. Die Idee: Ärzte werden nach Bedarf virtuell zugeschaltet.05.04.2024 | 1:32 min

    Warum der Ärztemangel nicht nur ein Stadt-Land-Gefälle ist

    Dabei ist die Unterteilung in "Stadt = attraktiv" und "Land = unattraktiv" übrigens zu leicht. Auch sozialschwache Regionen im städtischen Raum können Probleme bekommen. Klicken Sie sich durch die Karte für genaue Daten vor Ort.
    Wo Hausärtz*innen fehlen

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    Die Fehlversorgung kommt nicht nur durch regionale Unterschiede. Sondern auch die Verteilung nach Disziplinen entfernt sich vom Status Quo. Immer weniger Ärzt*innen arbeiten im hausärztlichen Bereich.
    Immer weniger Ärzte im hausärztlichen Bereich

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    Aus diesen Faktoren ergibt sich: Während sich in manchen Regionen eine Überversorgung bildet, droht anderen Orten eine Unterversorgung. Besonders betroffen ist die hausärztliche Versorgung an unattraktiven Orten - vorrangig auf dem Land. Durch die immer älter werdende Ärzteschaft und immer mehr Frauen in der Medizin könnten sich die Probleme zukünftig noch verschärfen.
    Zwei Männern mit weißen Hemden lächeln in die Kamera
    Der Ärztemangel auf dem Land wird zu einem immer gravierenderen Problem. In Frankreich kämpft Martial Jardel gemeinsam mit einer Bürgerinitiative erfolgreich dagegen an. 25.11.2023 | 29:45 min
    Doch nicht nur die Bedingungen auf der Angebotsseite spielen eine Rolle. Auch eine erhöhte Nachfrage der Patient*innen könnte zum gefühlten und tatsächlichen Mangel an Ärzt*innen beitragen.
    Dem Marburger Bund zufolge könnten unter anderem neue Studienplätze die Situation verbessern. Antonius Schneider von der TU München sieht auch eine Lösung darin, die verfügbaren Ressourcen durch gesetzliche Maßnahmen besser zu verteilen. So wären am Ende alle Regionen - egal ob auf dem Land oder in der Stadt - gut versorgt und gleichermaßen keine Region überversorgt.
    Redaktion: Robert Meyer, Petra Riffel, Kevin Schubert

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