Blinddarmentzündung bei Kindern: Was ist zu tun?

    Wenn Kinder Bauchweh haben:Blinddarmentzündung: Wann es gefährlich wird

    von Olaf Schwabe
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    Die Blinddarmentzündung ist die häufigste Baucherkrankung bei Kindern. Und: Sie kann lebensbedrohlich werden. Eltern sollten wissen, wann sie mit ihrem Kind zum Arzt müssen.

    Blinddarmentzündung bei Kindern
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    Jährlich werden in Deutschland über 100.000 Blinddarmoperationen durchgeführt. Betroffen sind am häufigsten Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren. Beim Verdacht auf eine Blinddarmentzündung taucht immer die Frage auf: Soll operiert werden oder nicht? Die Praxis zeigt, dass bei jeder zehnten Operation der Blinddarm nicht Ursache der Beschwerden war.

    Ursachen einer Blinddarmentzündung

    Bei einer Blinddarmentzündung entzündet sich der am Blinddarm anliegende Wurmfortsatz, der sogenannte Appendix. Dies ist ein sackförmiges Hohlorgan mit vielen Lymphknoten. Wenn sich hier Kotsteine oder Fremdkörper wie z.B. Fruchtkerne ansammeln, kann dies zu einer Verstopfung und dann zu einer Entzündung führen. Während Ärzte lange Zeit annahmen, dass der Wurmfortsatz keine Funktion hat, weiß man inzwischen, dass er Teil des Immunsystems ist.

    Blinddarmentzündung: Wann sollte man zum Arzt?

    Wenn Kinder über Bauchschmerzen klagen, die vom Bauchnabel in den rechten Unterbauch wandern, sollten Eltern hellhörig werden. Denn dies könnten Zeichen einer Blinddarmentzündung, einer Appendizitis sein. Wenn zudem Übelkeit und Erbrechen auftreten, sollten sie mit ihrem Kind unbedingt schnell zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen, denn eine unbehandelte Blinddarmentzündung kann tödlich verlaufen.

    • Schmerzen in der Region des Bauchnabels
    • Schmerzen wandern in den rechten Unterbauch
    • Fieber (bis 38 Grad)
    • Übelkeit, Appetitlosigkeit und Erbrechen
    • Angespannte Bauchdecke
    • Loslassschmerz: Wenn nach einem Drücken in den linken Oberbauch beim plötzlichen Loslassen ein Schmerz im rechten Unterbauch auftritt
    • Erschütterungsschmerz beim Hüpfen auf dem rechten Bein

    Gefährlicher Blinddarmdurchbruch

    Eine gefürchtete Komplikation ist der Blinddarmdurchbruch. Dabei platzt der Blinddarm und entzündliches Gewebe und Bakterien gelangen in den Bauchraum. Dies kann zu einer Entzündung des Bauchfells, einer Peritonitis, führen. Diese kann mit einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung einhergehen.

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    Diagnose ist oft schwierig

    Eine Blinddarmentzündung ist oft schwer zu diagnostizieren, denn die Erkrankung zeigt Symptome, die auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Hinzu kommt, dass Kinder ihre Beschwerden oft nicht genau schildern können, so dass es bei unter Sechsjährigen in 60 Prozent aller Fälle zu Blinddarmdurchbrüchen kommt. Im ersten Lebensjahr liegt die Quote solcher Perforationen sogar bei 80 Prozent.

    Je jünger die Kinder sind, desto unspezifischer können die Symptome bei einer Blinddarmentzündung sein und umso schneller ist oft der Verlauf.

    Prof. Dr. Udo Rolle, Kinderchirurg und stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie

    Diagnostische Verfahren

    Das wichtigste Diagnoseinstrument ist neben der Befragung die klinische Untersuchung. Bei einem entzündeten Blinddarm gibt der Loslassschmerz einen wichtigen Hinweis. Hierbei drückt der Arzt fest auf den sogenannten "McBurney-Punkt" der zwischen Bauchnabel und der rechten Hüfte liegt. Treten beim Loslassen Schmerzen auf, gilt dies als Hinweis auf eine Blinddarmentzündung. Dies allein ist aber kein hinreichendes Kriterium. Auch eine Blutuntersuchung, bei der erhöhte Entzündungswerte festgestellt werden, gehört zur Diagnose.

    Zur Diagnose einer Blinddarmentzündung wird immer eine Sonografie durchgeführt. Sie ist nebenwirkungsfrei, fast überall verfügbar und kostengünstig. Mit der Technik kann sich der Arzt ein umfassendes Bild über die Lage und Größe innerer Organe machen sowie Flüssigkeitsansammlungen feststellen, die typsicherweise bei Entzündungen auftreten. Allerdings führt die Sonografie nur in 85 Prozent der Untersuchungen zur richtigen Diagnose und hängt stark vom Untersucher ab.

    Wenn die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig sind, können Ärzte eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder die Computertomographie (CT) anwenden. Beim CT können hochauflösende Aufnahmen erstellt werden, allerdings werden die Patienten einer Strahlenbelastung ausgesetzt. Der Anteil an der richtigen Diagnostik liegt beim CT bei über 98 Prozent. In den USA wird fast jeder Patient mit Verdacht auf eine Blinddarmentzündung im CT untersucht. Deswegen ist die Anzahl der richtigen Diagnosen dort deutlich höher als in Deutschland.

    Eine Untersuchung mittels MRT führt zu keiner Strahlenbelastung. Allerdings müssen sich die Patienten 15 bis 20 Minuten völlig ruhig verhalten, weshalb vor allem bei Kleinkindern oft eine Narkose erforderlich ist. Mit dem MRT können Ärzte mit einer Wahrscheinlichkeit zu 94 Prozent eine Blinddarmentzündung diagnostizieren.

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    Operation steht an erster Stelle

    Bei einer akuten, unkomplizierten Blinddarmentzündung, die sich nur auf den Appendix beschränkt, gehört die chirurgische Entfernung des Blinddarms (Appendektomie) an erste Stelle. Meist nehmen die Chirurgen dann einen minimalinvasiven Eingriff vor. Diese Operationstechnik wird am häufigsten angewendet, da das Infektionsrisiko in der Regel geringer und der Krankenhausaufenthalt kürzer ist als beim offenen Bauchschnitt.

    Wenn die Symptome, die auf eine Blinddarmentzündung schließen lassen, nur schwach ausgeprägt sind, warten Ärzte in der Regel eine Nacht ab und beobachten zunächst den weiteren Verlauf. Oft liegt aller Wahrscheinlichkeit nach dann "nur" eine unkomplizierte Blinddarmentzündung vor, die sich auf den Appendix beschränkt. In solchen Fällen ist prinzipiell auch eine konservative Behandlung mit Antibiotika möglich.

    Die Studienlage dazu ist allerdings widersprüchlich und wird von Experten unterschiedlich bewertet. Die meisten Chirurgen ziehen bei Verdacht auf eine Blinddarmentzündung die operative Entfernung vor, da es bei einem Blinddarmdurchbruch unter Antibiotikatherapie zu Komplikationen kommen kann. Zudem zeigen einige Studien, dass es nach der konservativen Therapie mit Antibiotika in vielen Fällen zu erneuten Blinddarmentzündungen kommt.

    Die Diagnose einer Blinddarmentzündung kann erst im Rahmen einer Operation sicher bestätigt werden. Sollte sich dabei zeigen, dass der Blinddarm gar nicht Ursache der Beschwerden ist, können ihn die Ärzte entfernen oder belassen. Welches Szenario in diesem Fall stattfinden soll, wird im Vorfeld der Operation mit den Eltern besprochen.

    Frühe Behandlung bedeutet gute Prognose

    Eine Blinddarmentzündung kann in fast allen Fällen erfolgreich behandelt werden, wenn die Kinder sonst gesund sind. Das gilt selbst bei einem Blinddarmdurchbruch. Je früher dann behandelt wird, desto günstiger ist der Verlauf. Unbehandelte Blinddarmentzündungen würden laut Schätzungen in der Hälfte aller Fälle tödlich verlaufen.
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