Handysucht: Vom Handy abhängig - kann Digital Detox helfen?

    Studien zu Handyabhängigkeit :Genügt weniger Handykonsum bei Nomophobie?

    von Arlette Geburtig
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    Wie die Abhängigkeit vom Smartphone zur Angststörung wird und warum schon eine Stunde weniger Handykonsum einen positiven Effekt auf die Gesundheit hat.

    Ein Handy, auf dem gescrollt wird
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    Ein Leben ohne Smartphone ist für die meisten Menschen nicht mehr vorstellbar. Im Durchschnitt verbringen wir zwischen zwei und fünf Stunden täglich damit. Das Handy ist für die meisten ein ständiger Begleiter und wenn es fehlt, werden manche nervös, andere geraten sogar regelrecht in Panik.

    Krank durchs Smartphone

    Die Angst, vom Handy getrennt zu sein, wird auch als Nomophobie bezeichnet. Der Begriff stammt aus dem Englischen und setzt sich zusammen aus No Mobile Phone. Diese Angststörung kann als Folge der gefühlten Abhängigkeit auftreten. Eine Studie der privaten Hochschule Göttingen unter der Leitung von Yvonne Görlich hat Anfang des Jahres die Nomophobie für Deutschland untersucht.
    Die Ergebnisse sind alarmierend: Fast die Hälfte der mehr als 807 Teilnehmer*innen sind von einer mittelschweren Nomophobie betroffen, gut vier Prozent sogar von einer schweren.
    "Symptome sind zum Beispiel Nervosität, wenn das Handy vergessen wurde, oder Angst im Funkloch zu sein oder auch Panik, wenn der Akku leer ist. Oder man hat Sorgen, nicht erreichbar zu sein, nicht kommunizieren zu können, oder man hat keine Navigation und fürchtet irgendwo zu stranden", erläutert Görlich.

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    Von der Abhängigkeit in die Angststörung

    Das Gefährliche: Aus der Nomophobie können generelle Angsterkrankungen oder sogar Depressionen entstehen.

    Kaum jemand geht mit einer Nomophobie zum Arzt, zum Psychotherapeuten oder Psychiater.

    Prof. Dr. Yvonne Görlich, PFH Göttingen

    Auch wenn eine Depression oder Angststörung im Vordergrund steht, würde es laut Görlich im diagnostischen Prozess Sinn machen, nach der Handynutzung zu fragen - es könnte eine Ursache sein.
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    Eine Stunde weniger am Handy kann helfen

    Die gute Nachricht: Schon eine Stunde weniger Smartphone-Nutzung am Tag soll einen positiven Effekt auf unsere Gesundheit haben. Das hat eine Studie der Ruhr-Universität Bochum bereits 2022 herausgefunden. Julia Brailovskaia und ihr Team haben dazu 619 Teilnehmer*innen eine Woche lang beobachtet.
    Ein Drittel der Testpersonen musste komplett aufs Handy verzichten, ein Drittel die Nutzung um eine Stunde täglich reduzieren und die Kontrollgruppe durfte das Smartphone nutzen wie bisher. Das Ergebnis: Langfristig am besten ging es den Teilnehmer*innen, die die Nutzung reduziert hatten.

    Sie haben weniger depressive Symptome gezeigt, weniger Angst, mehr Lebenszufriedenheit. Und gleichzeitig hat sich auch ihr Lebensstil verbessert.

    PD Dr. Julia Brailovskaia, Psychologin, Ruhr-Universität

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    Kein kompletter Digital Detox nötig

    Die Psychologin erklärt, dass die Teilnehmer*innen von sich aus mehr körperliche Aktivität an den Tag gelegt und gleichzeitig auch weniger geraucht hätten. Ein Komplettverzicht scheint also nicht nötig zu sein für mehr Wohlbefinden und Gesundheit.
    Brailovskaia zieht den Vergleich mit einer Nulldiät: "Wenn ich jemandem sage, er soll auf alle Süßigkeiten verzichten, würde er das vielleicht ein paar Tage durchhalten. Doch irgendwann bricht er ein und dann wird alles in sich reingeschaufelt, worauf man davor verzichtet hat."
    Es sei also realistischer, so die Psychologin, die Handynutzung bewusst und kontrolliert zu reduzieren und betont einen weiteren positiven Aspekt:

    Dann schätze ich auch das, was ich habe und nutze es auch bewusster.

    PD Dr. Julia Brailovskaia, Psychologin, Ruhr-Universität

    Weniger ist also wieder mal mehr!

    • Nachts den Flugmodus anschalten 
    • Push-Benachrichtigungen blockieren oder deutlich reduzieren 
    • Digital-Detox-App, mit der man Handy-Auszeiten planen und die Nutzungsdauer erkennen kann

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