Süle gegen Ex-Klub Bayern als Schlüsselspieler gefordert

Zu Niklas Süles Statur gibt es viele Vergleiche, selten sind sie vorteilhaft für den 99-Kilo-Brocken. Zuletzt aber enthielten sie viel Respekt. Der englische "Guardian" schwärmte vom "Dreisitzersofa, in ein Fußballtrikot gepresst." Marius Wolf verlinkte seinen Teamkollegen von Borussia Dortmund bei Instagram sogar als Kühlschrank: Aktuell versperrt kaum einer den Weg zum Tor so eindrucksvoll wie Süle.

Im Topspiel der Bundesliga beim FC Bayern setzt Spitzenreiter Dortmund große Hoffnungen auf sein Bollwerk auf zwei Beinen. Die Defensive ist der Schlüssel, um die Horror-Bilanz zu stoppen: Zuletzt hagelte es in München acht Liga-Pleiten in Folge bei 6:33 Toren.

Nach Anlaufproblemen ist Promi-Neuzugang Süle in Dortmund angekommen. Erst war er verletzt, dann nur Aushilfe auf Rechts. Inzwischen hat er Mats Hummels aus dem Abwehrzentrum und der Startelf verdrängt, obwohl der eine starke Hinrunde spielte. An der fast perfekten BVB-Serie 2023 mit neun Siegen und einem Remis aus zehn Liga-Spielen hat Süle großen Anteil.

Seit dem Wintertrainingslager ist Dortmunds Defensive stabiler, es hat sich eine "geile Dynamik im Team" entwickelt, so Süle. In der Rückrunde hat der BVB erst sechs Treffer kassiert, halb so viele wie München. Ein Erfolg über seinen früheren Klub wäre wohl auch eine persönliche Genugtuung, nachdem Bayern-Chef Oliver Kahn seinen Abgang ohne Ablöse leicht beleidigt als "Wechsel aus unerfindlichen Gründen" bezeichnet hatte.

Süle spielt nicht so spektakulär wie Partner Nico Schlotterbeck und gewiss nicht so elegant wie Hummels. Aber auch der 27-Jährige ist stark in den Spielaufbau eingebunden. Er kommt stets mit auf die meisten Ballkontakte. Siebzehn Torschüsse stehen zu Buche, zwei Mal traf er Pfosten oder Latte. Vier Treffer legte er auf, zuletzt gegen den 1. FC Köln. Für seine Position eine starke Quote.

Ein Tor gelang Süle sogar selbst: Beim technisch höchst anspruchsvollen Treffer gegen Stuttgart schimmerte durch, dass der kantige Kicker in der Jugend als Stürmer begann. Im Strafraum hat der 1,96-Meter-Hüne die Lufthoheit.

In sehr körperlich geprägten Duellen ist er oft im Vorteil. Bei Tacklings beweist er Timing und er ist zweikampfstark. Wenn Stürmer an ihm abprallen, fühlt sich manch älterer Fan an die Neunziger-Legende Julio Cesar erinnert.

Dabei kommt der vermeintlich ungelenke Süle fast ohne Fouls aus. "Ich war noch nie Gelb gesperrt", verriet er jüngst im Klub-TV. In der aktuellen Bundesliga-Saison wurde er erst ein einziges Mal verwarnt.

Auch in Sachen Speed wird Süle gerne unterschätzt. In der Liga wurde er mit 34,99 km/h geblitzt. Damit gehört er zu den schnellsten Innenverteidigern. Wichtig, um Lücken zu schließen, Bälle abzulaufen oder in letzter Sekunde zur Rettungsgrätsche anzusetzen - zum Leidwesen von so manchem namhaften Gegenspieler wie etwa Bayerns Offensivstar Jamal Musiala:

Natürlich läuft nicht alles rund. Im Vorjahr sah er gegen Bremen sowie in Köln und Gladbach echt schlecht aus. Die WM in Katar lief für den Nationalspieler ebenfalls nicht gut. Zuletzt erwischte Süle beim Aus in der Königsklasse beim FC Chelsea einen gebrauchten Tag. Aber aus BVB-Sicht hat der wuchtige Abräumer schon viele Hüftsteif-Vorurteile widerlegt.

Die Wertschätzung, die Süle in München vermisste, wird ihm bei Schwarz-Gelb zuteil. Zwei Mal durfte er die Kapitänsbinde tragen, sein Gewicht als Führungsspieler wächst. Weil die Konstanz steigt und er sich dem Klub verschrieben hat.

Zudem gibt er selbstbewusst die Richtung vor. Es war Titelsammler Süle, im Bayern-Trikot schon in 14 Wettbewerben ganz oben, der öffentlich den Glauben an die BVB-Meisterschaft hoch hielt, als der Abstand zur Spitze uneinholbar wirkende neun Punkte betrug: "Noch ist nichts verloren!"