Ukraine-Krieg: Wie aus Ballerinas Armee-Stiefel wurden

    Heikler Handel mit Russland:Wie aus Ballerinas Armee-Stiefel wurden

    von Mischa Ehrhardt
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    Viele Unternehmen verkaufen trotz des Ukraine-Kriegs weiter Produkte an russische Handelspartner. Wieso das heikel sein kann, zeigt eine Tochterfirma des Salamander-Schuhkonzerns.

    Russland, Militärstiefel
    Eine Tochter von Salamander hat Stoffe an russische Unternehmen geliefert, die daraus Armee-Stiefel hergestellt haben. Nun sind alle Lieferungen gestoppt.
    Quelle: Imago

    Auch nach Russlands Angriff auf die Ukraine verkaufen viele Unternehmen noch Produkte an russische Handelspartner. Und das ist in vielen Fällen auch erlaubt, denn es besteht kein vollständiges Handelsembargo gegen das Land.
    Doch eine Tochter des Salamander-Schuhkonzerns hat Lederfaserstoffe an zwei Unternehmen in Russland geliefert, die damit werben, das russische Verteidigungsministerium zu versorgen - unter anderem mit Armee-Stiefeln.

    Salamander-Tochter: Verwendung ziviler Produkte im militärischen Bereich inakzeptabel

    "Dass die umgestellt haben auf Kriegsstiefel, das hat mich schon überrascht", sagte Götz Schmiedeknecht gegenüber ZDFheute. Er ist Chef von Salamander Industrie-Produkte. Noch am Freitag, als er von der Verwendung der gelieferten Lederfaserstoffe erfuhr, habe er Juristen in seinem Haus überprüfen lassen, ob es bindende Lieferverträge mit den betroffenen russischen Unternehmen gibt. Das sei nicht der Fall.

    Wir haben nach den Vertragsprüfungen alles mit sofortiger Wirkung gestoppt, nichts geht mehr raus. Für uns ist ganz klar: Die Verwendung unserer zivilen Produkte im militärischen Bereich ist inakzeptabel.

    Götz Schmiedeknecht, Chef von Salamander Industrie-Produkte

    Bei den Firmen handele es sich um vergleichsweise kleine Kunden des Unternehmens mit einem Einkaufsvolumen von zwischen 60.000 und 120.000 Euro. Zum Vergleich: Die Unternehmensgruppe hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 390 Millionen Euro gemacht. Salamander Industrie-Produkte habe sich seit Beginn des Krieges an alle geltenden Sanktionen gegen Russland gehalten und das auch fortlaufend überprüft oder überprüfen lassen.
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    Sanktionsregime wohl schwierig zu handhaben

    Allerdings sei es für mittelständische Familienunternehmen nicht leicht, alle kleineren Lieferungen im zivilen Bereich permanent darauf zu überprüfen, wie sie letztlich verarbeitet werden. Insbesondere erschien Lederfaserstoff Götz Schmiedeknecht und seinem Team unproblematisch, zumal das betreffende Unternehmen in Russland bislang Ballerinas und Arbeitsschuhe damit hergestellt hatte.
    "Das sind Prüfungen, die wir sehr korrekt und aufwendig durchführen anhand der Sanktionslisten. Was die Kunden dann mit unseren Produkten machen, die nicht auf den Sanktionslisten stehen, das ist bei den Hunderten Kunden, die wir weltweit bedienen, nur ganz schwer einzugrenzen".
    Das unterstreicht auch Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. "Man muss sich auch daran erinnern, dass wir kein vollständiges Handelsembargo mit Russland haben."

    Es gibt viele Güter, die nicht sanktioniert sind – und die deswegen auch legal von Deutschland nach Russland exportiert werden dürfen. Das macht dieses Sanktionsregime so schwierig.

    Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung

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    Salamander will in Zukunft genauer prüfen

    Salamander Industrie-Produkte werde nun alles daransetzen, auch alle übrigen möglichen Verbindungen zu russischen Unternehmen kritisch zu überprüfen. Auch das sei aufwendig, weil es sich um noch weitaus kleinere Kunden handelt. Darüber hinaus will Götz Schmiedeknecht auch Lieferungen in andere Länder, vor allem Anrainer Russlands, überprüfen.

    Ich bin jetzt in Habachtstellung, das kann ich Ihnen versprechen. Wir heben nun jeden Stein auf und schauen genau nach. Das wird auch über Russland hinausgehen.

    Götz Schmiedeknecht, Chef von Salamander Industrie-Produkte

    Geschäftsführer des Ost-Ausschusses: Sanktionen werden umgangen

    In der Tat sprechen die Zahlen für sich. Denn Anrainerländer wie Kasachstan, Kirgisistan oder Tadschikistan verzeichnen extrem ansteigende Importe aus Deutschland. "Sanktionen werden umgangen, definitiv. Das berichten uns ja auch Politiker, die das unmittelbar auf dem Schlachtfeld beobachten", sagte Michael Harms, der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft im Deutschlandfunk.
    Dennoch glaubt er nicht, dass Unternehmen das systematisch und willentlich tun. "Eine willentliche und wissentliche Sanktionsumgehung durch deutsche Hersteller würde ich ausschließen. Die Firmen sind sich des Risikos sehr bewusst und machen eigentlich alles, um Sanktionsumgehungen wirklich auszuschließen". Wie das auch der Industrieableger von Salamander versucht hat - mit eigenen Überprüfungen und Beratern von außen.
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    In Zukunft, so versichert Götz Schmiedeknecht, werden die Kontrollen noch intensiver sein, damit die Produkte nicht im Krieg zum Einsatz kommen können. Sollten bei dem ein oder anderen Geschäft noch Zweifel aufkommen, werde das Unternehmen diese Geschäfte lieber ganz einstellen.
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