Thyssenkrupp: Kritik an Millionen-Dividende trotz Krise

    "Passt nicht zusammen":Thyssenkrupp: Millionen-Dividende trotz Krise

    von Ralph Goldmann
    |

    Thyssenkrupp will den Aktionären trotz Stellenabbau bei der Stahltochter 93 Millionen Euro ausschütten. Viele Anteilseigner kritisieren das - der Vorstand hält sie für notwendig.

    Mitarbeiter und Kinder demonstrieren gegen Werkschließung bei Thyssenkrupp
    Immer wieder demonstrieren Thyssenkrupp-Mitarbeiter gegen den geplanten Jobabbau in deutschen Werken.12.12.2024 | 2:00 min
    Seit zwei Wochen stehen die Beschäftigten wieder vor dem Thyssenkrupp-Werk in Kreuztal-Eichen im Siegerland. Mit einer Mahnwache wollen sie gegen die angekündigte Schließung wehren. Das Werk verarbeitet hier unter anderem für die Automobilindustrie den Stahl weiter, der in Duisburg produziert wird. Es soll nach den Plänen von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) ab Mitte 2026 dichtmachen. 600 Beschäftigte wären betroffen.
    An anderen TKSE-Standorten sollen die Gehälter um zehn Prozent gekürzt werden. So hatte es die Geschäftsführung Ende November 2024 angekündigt. Man wolle die verlustreiche Stahlsparte wieder profitabel machen.

    Thyssenkrupp: Tausende Arbeitsplätze fallen weg

    Das heißt konkret: 5.000 Arbeitsplätze sollen gestrichen und 6.000 ausgelagert werden - von derzeit 27.000 auf dann nur noch 16.000 bei TKSE. In Duisburg werden in Zukunft statt bisher 11,5 nur noch 8,7 bis 9 Millionen Tonnen Stahl produziert. Deshalb soll eine Beteiligung verkauft werden und das Werk in Eichen schließen.
    Thyssenkrupp schließt Werk
    Bei Thyssenkrupp in Kreuztal-Eichen werden Stahlbleche mit einer speziellen Legierung beschichtet. Das Werk hat bislang schwarze Zahlen geschrieben - jetzt sind alle 600 Arbeitsplätze gefährdet.27.11.2024 | 2:27 min
    Miguel López, Vorstandschef des Mutterkonzerns Thyssenkrupp AG mit etwa 98.000 Beschäftigten, verspricht in seiner vorab veröffentlichten Rede auf der Hauptversammlung: "Unser Ziel ist es weiterhin, sozialverträgliche Lösungen zu finden und betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden." Und weiter:

    Uns ist bewusst, dass dieser Weg den Mitarbeitenden hohe Flexibilität abverlangen wird.

    Miguel López, Vorstandschef Thyssenkrupp AG

    Werksschließung und betriebsbedingte Kündigungen will die Stahl-Belegschaft aber nicht akzeptieren. Sie haben seit Monaten noch keine konkreten Informationen darüber bekommen, wie es weitergehen soll.
    Massive Stellenstreichung bei Thyssenkrupp
    Die Stahlfirma Thyssenkrupp will in den kommenden Jahren 11.000 Stellen abbauen. Die IG Metall kündigt erbitterten Widerstand an.25.11.2024 | 1:31 min

    Experte: "Umbauplan ist intransparent"

    Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Investment kritisiert das: "Der Umbauplan ist intransparent, bislang hat das Management kein tragfähiges Konzept vorgelegt. Das Zaudern des Stahl-Managements über Jahre trifft die Belegschaft mit voller Härte. Das ist bedauerlich."
    In diese Ungewissheit hinein erfuhr die Belegschaft von den neuen Plänen der AG, über die auf der Hauptversammlung abgestimmt werden soll. Vorstand und Aufsichtsrat wollen trotz Verlusten mehr als 93 Millionen Euro Dividende auszahlen - 15 Cent für jede Aktie.
    Stahlarbeiter
    Die deutsche Industrie steckt in der Krise. Nach VW, Bosch und weiteren Unternehmen will jetzt auch Deutschlands größte Stahlfirma 11.000 Stellen abbauen.25.11.2024 | 28:14 min
    Helmut Renk ist seit mehr als 40 Jahren bei Thyssenkrupp und Betriebsratsvorsitzender in Eichen, er hat dafür kein Verständnis: "Ich finde es unfassbar, wie man das in einer solchen Situation machen kann." Und das gerade in Zeiten, in denen Hunderte Beschäftigte entlassen werden und viele auf Gehalt verzichten sollen, sagt er.

    Harsche Kritik an Dividendenausschüttung

    Mit ihrem Unverständnis ist die Belegschaft nicht allein. Zur Hauptversammlung der AG liegen mehrere Gegenanträge vor, in denen die Zahlung der Dividende deutlich kritisiert wird. So äußert beispielsweise der Dachverband Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre: "Das passt nicht zusammen und ist aus unserer Sicht unverhältnismäßig."
    Proteste in Essen zur Fusion von Krupp und Thyssen am 18.03.1997
    2.000 Stahlarbeiter protestieren im Dezember 2024 vor der Krupp-Zentrale in Essen.02.12.2024 | 2:13 min
    Die 93 Millionen Euro sollten nicht ausgeschüttet, "sondern für Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, die schnellere Erreichung von Klimazielen und die Erhaltung von Arbeitsplätzen" genutzt werden, so der Aktionärsverband. Auch Ingo Speich von Deka Investment kritisiert die Zahlung:

    Die Ausschüttung erfolgt zulasten der Substanz. Thyssenkrupp lebt seit Jahren von der Substanz. Damit muss endlich Schluss sein.

    Ingo Speich, Deka Investment

    Konzern: Aktionäre sollen an Transformation "teilhaben"

    Thyssenkrupp weist die Kritik in einer Stellungnahme zurück. Die Pläne bei der traditionsreichen Stahltochter seien unabhängig von der Ausschüttung zu betrachten: "Die Zahlung einer maßvollen Dividende von 0,15 Euro je Aktie drückt daher die unverändert nachhaltige Zuversicht des Managements in die zukünftige Geschäftsentwicklung von Thyssenkrupp aus. Unsere Aktionäre als Eigentümer sollen an den Fortschritten bei der Transformation des Unternehmens teilhaben."
    Die Beschäftigten sorgen sich derweil weiter um ihre Zukunft. Während sich die Aktionäre auf der virtuellen Hauptversammlung über 93 Millionen Euro freuen dürfen, steht die Belegschaft keine 100 Kilometer weiter jeden Tag von 11 bis 15 Uhr vor dem Werkstor, um für den Erhalt ihres Standorts zu kämpfen.
    Aufsichtsratssitzung bei Thyssenkrupp Steel Europe
    Der Streit bei Thyssenkrupp um die Stahlsparte eskaliert: Sigmar Gabriel verkündete als Chef des Aufsichtsrates mit weiteren Führungskräften den Rücktritt. 30.08.2024 | 2:01 min

    Mehr zur Stahlbranche