"I can't breathe": Vierter Todestag von George Floyd

    Polizeigewalt in den USA:Was sich seit George Floyds Tod geändert hat

    Katharina Schuster
    von Katharina Schuster, Washington D.C.
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    Vier Jahre ist es her, dass der schwarze US-Amerikaner George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz sein Leben verlor. Seitdem halten Aktivisten die Erinnerung an ihn wach.

    Ausstellung "Twin Flames: The George Floyd Uprising from Minneapolis to Phoenix".
    Vier Jahre nach dem Tod von George Floyd halten Menschen in den USA die Erinnerung an ihn wach.26.05.2024 | 2:37 min
    "I can't breathe" (ich kann nicht atmen). Vor genau vier Jahren geht ein Video um die Welt, dessen Inhalt kaum zu ertragen ist. Neun Minuten und 29 Sekunden: So lange presst der weiße Polizist Derek Chauvin sein Knie in den Nacken des schwarzen US-Amerikaners George Floyd. Der fleht immer wieder nach Luft, kann nicht atmen. Kurz darauf stirbt Floyd - am 25. Mai 2020.
    Was den Fall Floyd von vielen anderen dieser Art unterscheidet, ist das Handyvideo. Die Polizeigewalt ist schonungslos dokumentiert und für alle online sichtbar. Der Inhalt löste nicht nur in den USA eine Welle von Entsetzen und Zorn aus.

    Aktivistin archiviert Andenken an Floyd

    Aus aller Welt reisten Menschen an den Ort des Geschehens, nach Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota. Sie hinterließen Gemälde, Gedichte, Protestschilder. "Über ein Jahr lang waren die Straßen in Minneapolis gesperrt und wir als Nachbarn hielten Wache aus Protest", erzählt Jeanelle Austin, die sich seit der ersten Protest-Woche bis heute um die hinterlassenen Andenken kümmert. Es sind Tausende, die die studierte Theologin seitdem gesammelt, archiviert und ausgestellt hat.
    Ausstellung "Twin Flames: The George Floyd Uprising from Minneapolis to Phoenix"
    Jeanelle Austin bei der Ausstellung "Twin Flames: The George Floyd Uprising from Minneapolis to Phoenix".
    Quelle: AP

    "Ich sagte, ich werde einfach jeden Morgen früh aufstehen und mich um das Denkmal kümmern", erinnert sich Austin. "Ich wusste, dass Denkmäler eine mächtige Form des Protests sein können." Heute ist sie leitende Betreuerin des George Floyd Square und Geschäftsführerin des George Floyd Global Memorial, dem Denkmal an der Kreuzung, an der Floyd starb und die für den Verkehr weiter gesperrt bleibt.
    Auf einer Straße in den USA halten nachts Autos an, da Demonstranten den Verkerh stoppen.
    Drei Wochen nach dem Tod des Schwarzen Tyre Nichols bei einer Verkehrskontrolle in Memphis haben die Behörden ein Video des Polizeieinsatzes veröffentlicht.28.01.2023 | 1:16 min

    Polizeigewalt in den USA - wie ist die Lage?

    Nach Angaben des Datenprojekts "Mapping Police Violence" sterben durchschnittlich etwa 1.000 Menschen pro Jahr durch Polizeigewalt in den USA. Dies entspricht 2,7 Todesfällen pro Tag.
    Zwar starben bei tödlichen Polizeieinsätzen absolut gesehen mehrheitlich Weiße, betrachtet man aber den Anteil an der amerikanischen Bevölkerung, so starben in den letzten elf Jahren Amerikaner mit schwarzer Hautfarbe fast drei Mal so häufig.
    • Im Jahr 2024 gab es bisher nur neun Tage, an denen in den USA kein Mensch durch die Polizei getötet wurde.
    • Insgesamt gab es 2024 bereits 437 Tötungsfälle.
    • Davon waren 21,5 Prozent Schwarze, die nur 12 Prozent der Bevölkerung der USA ausmachen.
    Durch Polizeigewalt getötete Menschen in den Bundesstaaten
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    Forscher: Protestkultur hat sich entwickelt, Problem bleibt

    Was sich seit Floyds Tod in den USA geändert hat? "Alles und nichts", sagt Aktivistin Austin. Ihre Bilanz: "Die politischen und rassistischen Spannungen haben zu-, die Gespräche über Polizeibrutalität abgenommen."
    Prozess gegen Polizeigewalt in Frankreich
    Auch in Frankreich stehen drei Polizisten vor Gericht. Sie sollen 2017 den damals 22-jährigen Théo Luhaka bei einer Kontrolle schwer misshandelt haben.19.01.2024 | 2:11 min
    Der Geograph Rashad Shabazz von der Arizona State University forscht seit Jahren zu Polizeigewalt gegen Schwarze. Die Protestkultur habe sich seitdem stark entwickelt, doch das eigentliche Problem sei weiter aktuell. Im Jahr 2022 seien bei US-Polizeieinsätzen mehr Menschen ums Leben gekommen als in irgendeinem der zehn Jahre zuvor - fast 25 Prozent waren Schwarze.
    Das sei kein Zufall, so Shabazz. "Diese Realität beruht auf einer langen Geschichte der polizeilichen Bekämpfung farbiger Menschen. Im 19. Jahrhundert war die Polizeiarbeit im Süden beispielsweise darauf ausgerichtet, die Bewegungen der versklavten schwarzen Bevölkerung zu überwachen."
    Ähnliche Geschichten gebe es mit den Iren im Nordosten, bevor sie als weiß galten, sowie mit Mexikanern und mexikanischen Amerikanern im Südwesten.

    Dieser starke Cocktail aus Rassismus und Polizeiarbeit hat brutale Formen der Gewalt gegen farbige Menschen ermöglicht.

    Rashad Shabaz, forscht an der Arizona State University

    Aktivisten-Team will Maßnahmen gegen Polizeigewalt

    Als Ergebnis ihrer Protestkunst erhofft sich das Team um Aktivistin Jeanelle Austin konkrete Maßnahmen gegen Polizeigewalt. Dafür will sich Austin nicht auf die US-Regierung und Politiker verlassen - auch mit Blick auf die US-Wahl im November.

    Ich verlasse mich darauf, dass die Menschen im Alltag die notwendigen Veränderungen in ihrem Einflussbereich vornehmen - und dann muss die Regierung nur noch nachziehen.

    Jeanelle Austin, Aktivistin

    Und dann wird Austin grundsätzlich: "Unsere Nachbarn können nicht nur die Menschen sein, die in unserem geografischen Umfeld leben, wir müssen anfangen, Fremde und diejenigen, die wir als "anders" bezeichnen, als Nachbarn zu betrachten und sie entsprechend zu behandeln."
    Katharina Schuster ist ZDFheute-Redakteurin im Auslandsstudio Washington.

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