Klimaangst: Wie Sorgen vor der Klimakrise die Jugend prägen
Interview
Verharmloste Krise?:Wie Klimaangst junge Menschen prägt
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Wir nehmen die Klimaängste junger Menschen nicht ernst genug, sagt Psychologe Stephan Heinzel. Wie äußert sich Klimaangst und woher kommt sie?
Angst, Wut, Scham - jeder zweite junge Mensch empfindet starke negative Gefühle, wenn es um den Klimawandel geht.11.02.2024 | 28:13 min
ZDFheute: Wie verbreitet sind Klimaängste?
Stephan Heinzel: Typischerweise unter Klimaangst leiden vor allem jüngere Menschen. Frauen sind stärker betroffen und auch Menschen in Ländern, in denen die Auswirkungen des Klimawandels bereits heute deutlich spürbar sind.
ZDFheute: Was bedeuten Klimaängste genau? Wie äußern sie sich?
Heinzel: Klimaangst wirkt sich auf verschiedene Weise aus: Zunächst äußert sie sich als Angstgefühl, also als starke Emotion, die Betroffene empfinden, wenn sie sich die Folgen der Klimakrise bewusst machen.
Quelle: Hesham Elsherif
... ist Professor für Klinische und Biologische Psychologie an der Technischen Universität Dortmund. Er forscht zum Thema Klimakrise und psychische Gesundheit.
Es geht aber auch um Gedanken, die mit dieser Angst verknüpft sind, zum Beispiel negative Vorstellungen von der Zukunft, wenn die Klimakrise nicht eingedämmt wird. Außerdem kann Klimaangst auch den Alltag beeinträchtigen und zu Schlaf- oder Konzentrationsproblemen führen.
ZDFheute: Was hat Sie an den Studien am meisten überrascht?
Heinzel: Dass viele junge Menschen, also ich glaube es waren ungefähr 40 Prozent, die dem zugestimmt haben, sagen, dass sie aufgrund der Klimakrise keine Kinder mehr bekommen wollen. Das finde ich ein alarmierendes Zeichen. Und das kann nicht die Lösung des Problems sein, dass wir keine Kinder mehr bekommen.
ZDFheute: Sind Ängste und Sorgen in Bezug auf den Klimawandel wirklich neu? Schließlich gab es früher schon Waldsterben, das Ozonloch oder die Angst vor der Atomkraft.
Heinzel: Wir hatten schon immer Ängste vor Umweltkatastrophen. Aber die Klimakrise ist in dem Sinne schon einzigartig, weil es das erste Mal ist, dass die gesamte Menschheit vor eine Herausforderung gestellt ist, die ihre Lebengrundlagen dauerhaft beeinträchtigt. Von der Dimension her ist die Klimakrise sehr viel größer als vorangegangene Umweltprobleme.
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ZDFheute: Sollten wir die Klimaangst junger Menschen ernster nehmen?
Heinzel: Die Wissenschaft tut es. Es gibt immer mehr Forschung zum Thema Klimaangst. Die Studien zeigen, dass Klimaangst ein reales und globales Phänomen ist, das immer stärker wird, weil einfach die Bedrohungslage immer größer und ernster wird.
Ich glaube, das Problem ist, dass die Forschungsergebnisse nicht in der Gesellschaft, in der Politik ankommen. Oder es werden nicht die richtigen Konsequenzen daraus gezogen.
ZDFheute: Woran machen Sie das fest?
Heinzel: Ein Grund dafür sind sogenannte Verzögerungsdiskurse. Das sind Einstellungen oder Überzeugungen, die in den Köpfen der Menschen präsent sind und dazu führen, dass sie die Klimakrise nicht ernst genug nehmen. Wir forschen aktuell dazu.
Ein recht verbreiteter Verzögerungsdiskurs ist zum Beispiel die Überzeugung, dass wir uns eigentlich keine Sorgen machen müssen, weil sich das Problem der Klimakrise in wenigen Jahren von selbst lösen wird, wenn wir entsprechende Technologien haben, um das zusätzliche CO2 komplett aus der Atmosphäre zu saugen - was nach heutigem Stand der Technik utopisch ist.
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ZDFheute: Warum sind es vor allem junge Menschen, die Klimaangst haben?
Heinzel: Junge Menschen sind deswegen stärker von Klimaängsten betroffen, weil sie diejenigen sind, die viel mehr unter den Folgen der Klimakrise leiden werden. Die aktuellen Prognosen gehen davon aus, dass wir gegen Ende des Jahrhunderts bei ungefähr 2,7 Grad Erwärmung sind oder sogar noch mehr.
Das wird drastische Folgen mit sich bringen, die eben die Menschen, die jetzt in den 2000ern geboren wurden, zum Großteil noch erleben werden.
Das Interview führte Ilja Schirkowskij.
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