Digitalisierung an Schulen:Wie digitale Medien dem Lesen schaden
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Schulbücher gelten als altbacken, Tablets als innovativ. Doch trotz digitaler Unterstützung lesen Schüler in Deutschland so schlecht wie nie. Ist die digitale Schule ein Irrweg?
Ist die digitale Schule ein Irrweg? Bildungspsychologen fordern mehr Papier und genaue Analysen darüber, wo digitale Medien sinnvoll sind und wo sie störend wirken.06.12.2023 | 7:13 min
Deutsche Schüler schneiden beim Pisa-Test 2023 schlechter ab als je zuvor. Nach der internationalen Grundschulstudie Iglu 2023 können 25 Prozent der Viertklässler nicht gut genug lesen und die Entwicklung des Bildungsniveaus ist besorgniserregend. Die Liste der Mängel ist lang, die der Ursachen noch länger.
Immer mehr Schüler und Schülerinnen werden mit geringen Deutschkenntnissen eingeschult, die Corona-Lockdowns gingen nicht spurlos an den Kindern vorbei und der Mangel an Lehrpersonal lähmt die Schulen. Vor allem aber wird das Potenzial digitaler Lern- und Organisationsmethoden nicht ausgeschöpft. Planlos eingesetzt können sie sogar mehr schaden als nützen.
Als "Wegweiser für den digitalen Aufbruch" hat die Bundesregierung Ende August 2022 ihre Digitalstrategie auf den Weg gebracht. Die Bilanz ist bislang eher ernüchternd.
von Mischa Ehrhardt
Schulen werden mit Computern und Tablets ausgestattet
In Deutschland werden seit einigen Jahren immer mehr Schulen mit Computern und Co für Schüler und Schülerinnen ausgestattet - teils schon in Grundschulen.
In Bayern, wo schon länger mit dem Slogan "mit Laptop und Lederhose" die Zukunft gestaltet wird, soll jetzt auch noch das Tablet dazukommen. Die Landesregierung hat angekündigt, in den nächsten fünf Jahren über 1,6 Millionen Schüler und Schülerinnen an gut 6.400 bayerischen Schulen mit Tablets auszustatten.
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Digitalisierung nicht automatisch sinnvoll
Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht sei diese Entwicklung kritisch zu beäugen - so Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. Die heutige Bildung gelinge nicht zwangsläufig mit digitalen Medien besser. Bildungsforschung zeigt, eine Digitalisierung nur der Digitalisierung wegen sei schlicht nicht richtig.
Körper beim Lesen digitaler Texte nicht beteiligt
Damit beruft sich Zierer unter anderem auf eine empirische Bildungsstudie der Universität Sevilla, die offenbart: Pauschal schulischen Unterricht zu digitalisieren, ist aus pädagogischer Sicht völlig unvernünftig. So hemmen digitale Medien die Fähigkeit zur Textproduktion und zum Textverständnis.
Dafür gäbe es zwei Haupthypothesen, so Pablo Delgado, Bildungspsychologe an der Universität Sevilla. Eine sei die fehlende Beteiligung eines Körpers beim Lesen digitaler Texte auf den Bildschirmen. Laut einer Theorie wären unsere Denkprozesse demnach nicht allein auf den Verstand beschränkt, sondern unser Umgang mit Objekten spiele ebenfalls eine Rolle.
In der neuen Pisa-Studie schneiden vor allem zwei europäische Länder gut ab: Estland und die Schweiz. Beide sind relativ gut durch das Homeschooling in der Pandemie gekommen.
von Yaena Kwon
mit Video
Erhöhter Wortschatz durch analoge Bücher
Die zweite Hypothese vermutet, dass es Menschen, die digitale Texte im Internet lesen darum ginge, schnell Informationen zu finden. Dies würde zu einer oberflächlichen Lesegewohnheit führen. Beides beeinflusse das Lernverhalten von Schülern und Schülerinnen.
Auch andere Studien zeigen den Einfluss von digitalen Medien auf das Bildungsniveau. Eine Erhebung des Dortmunder Instituts für Schulentwicklungsforschung zeigt, dass der Wortschatz von Kindern in der vierten Klasse umso größer ist, je häufiger sie analoge Bücher lesen. So können sie sich sprachlich deutlich besser ausdrücken.
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Digitale Medien müssen erlernt werden
Aber was bedeutet das für die Schulen? Sollen digitale Medien wieder aus dem Unterricht verschwinden? Delgado ist der Auffassung, dass dies nicht die Konsequenz der Studie zur Bildung sein sollte. Vielmehr sollen Schüler und Schülerinnen lernen, wie man diese Werkzeuge nutze. Sie müssten eine Hilfe, keine Hindernisse sein.
Andere Länder wie Frankreich, die Niederlande und Schweden haben bereits auf die Entwicklungen reagiert und umgedacht. Schwedens Schulministerin Lotta Edholm stoppte die Digitalisierungsstrategie ihrer Bildungsbehörde und versprach, statt in Onlinetools wieder mehr Geld in gedruckte Schulbücher zu investieren.
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Bildungspsychologen fordern mehr Analysen
"Wenn man ehrlich ist, muss man feststellen, dass viele Probleme die wir heute im Bildungsbereich haben, von einer unreflektierten Digitalisierung letztendlich befeuert werden", so Klaus Zierer.
Auch in Deutschland fordern Bildungspsychologen deshalb mehr Papier und genaue Analysen darüber, wo digitale Medien sinnvoll sind und wo sie störend wirken.