Millionen Dieselautofahrer in Deutschland haben ein Problem: Fahrverbote. Wer sich in gutem Glauben einen Diesel kaufte, der hat heute den Schaden, weil Autobauer schmutzige Diesel verkauften und die Zulassungsbehörde dabei zusah.
Zuerst traf es Stuttgart, dann Hamburg und Frankfurt am Main, nun drohen Fahrverbote in München und Düsseldorf. Das Problem ist mittlerweile auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel angekommen: Das Fahrverbot in Frankfurt am Main macht der CDU bei der bevorstehenden Landtagswahl in Hessen, Ende Oktober 2018, zu schaffen. Nach jahrelangem Zögern und Warten will die Kanzlerin nun endlich handeln: Die Bundesregierung will betroffenen Dieselfahrern helfen.
Frontal 21 über Versäumnisse und scheinbare Lösungen in der Dieselkrise.
Branchenvertreter betonen, dass die notwendigen Änderungen an der Hardware der Wagen erst entwickelt und vom Kraftfahrt-Bundesamt anschließend genehmigt werden müssten. Deshalb sei mit technischen Lösungen erst in zwei bis drei Jahren zu rechnen. Bis dahin wäre für die Umwelt mehr erreicht, wenn man ältere Diesel durch Neuwagen, junge Gebrauchte mit niedrigerem Schadstoffausstoß oder Elektroautos austausche.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hält dem entgegen, für Dieselautos hätten die Hersteller schon vor einigen Jahren serienmäßig Nachrüstlösungen entwickelt. "Für etwa 50 Prozent der Volumenmodelle hat man vor der Einführung von Euro 6 die Möglichkeit gegeben, dass man gegen Aufpreis ein SCR-System kaufen kann", sagt DUH-Chef Jürgen Resch. Die Abgasnachbehandlungssysteme lägen also in den Regalen der Hersteller.
Bildquelle: dpa
Die Automobilindustrie führt vor allem technische Gründe und Kosten an. Es sei nicht damit getan, einen Katalysator zur Stickoxid-Reduktion (SCR) nebst Adblue-Tank in ein Auto einzubauen. Vielmehr müssten je nach Fahrzeugmodell auch Verkabelungen und Schlauchssysteme angepasst werden. Für jedes einzelne Modell und jede Ausstattungsvariante müsse das Kraftfahrt-Bundesamt zudem eine Typgenehmigung erteilen. Die Kosten für den Umbau lägen je nach Fahrzeug um die 3.000 Euro, in Einzelfällen seien auch 10.000 Euro und mehr möglich.
Laut Umwelthilfe kosteten die von den Herstellern vor einigen Jahren entwickelten Abgasreinigungsanlagen zur Nachrüstung von Euro-5-Modellen zwischen 1.100 und 1.900 Euro. Um diese Systeme für weitere Modelle anzupassen, würden vier bis sechs Wochen benötigt. Die Genehmigung durch die Flensburger Zulassungsbehörde sei dann binnen zwei, drei Monaten möglich.
Es gibt laut VDA allerdings ein nicht zu vernachlässigendes Risiko: Denn bisher gebe es keine Langzeittests, die Auskunft darüber geben könnten, wie sich die Fahreigenschaften und der Verbrauch durch einen Eingriff verändern.
Für Dieselhalter stellt sich die Frage, ob sie im Zweifel mehrere Tausend Euro für den Einbau eines Katalysators ausgeben, wenn ihr Auto in die Jahre gekommen ist. Es ist also eine wirtschaftliche Überlegung. Deshalb wurde bei dem Treffen von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit den Chefs von Volkswagen, Daimler und BMW Branchenkreisen zufolge zeitweise ein Modell diskutiert, bei dem die Hersteller vier Fünftel der Umbaukosten übernehmen würden. Die verbleibenden 20 Prozent müsste nach diesem Modell der Kunde selbst zahlen. Inzwischen gilt aber eine Lösung weitgehend ohne Eigenbeteiligung der Kunden als wahrscheinlicher, bei der der Staat einen Teil übernähme.
Die Autobauer wollen kein Geld in die Umrüstung älterer Autos stecken, sondern lieber Anreize zum Kauf von Neuwagen geben. Oberste Priorität habe die Bestandserneuerung, betont der VDA. Die Hersteller selbst wollen keine Nachrüstungen entwickeln, sondern diese Aufgabe an Drittanbieter von Abgasnachbehandlungssystemen weiterreichen wie Twin-Tec, HJS, Dr. Pley oder Oberland Mangold.
Die Bundesregierung kann eine Umrüstung älterer Diesel durch einen Bonus fördern und so dafür sorgen, dass sie von einer größeren Zahl von Autobesitzern angenommen wird. Um saubere und nachgerüstete Autos von anderen Dieseln zu unterscheiden, bräuchten die Kontrolleure der Kommunen dann doch eine Kennzeichnung wie eine "blaue Plakette". Von der ist in dem Paket, das diskutiert wird, bisher jedoch nicht die Rede. Solche Details sollen in den nächsten Tagen im Kanzleramt diskutiert und entschieden werden.
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