Klimaschutz auf dem Holzweg

Faktencheck zum Frontal21-Beitrag

• Ist Holz klimafreundlicher als Öl oder Gas?

  These: Öl und Gas sind schlechter, auch wegen des erheblichen Energieaufwands für Gewinnung und Transport. Blieben die fossilen Rohstoffe im Boden, wäre das besser fürs Klima.
  
  Fakten: Die Verbrennung von Öl und Gas steigert die CO2-Konzentration in der Atmosphäre, das ist unstrittig. Doch die Nutzung von Scheitholz bei Privatfeuerungen ist nicht klimaschonender, da es ein ineffektiver Energieträger ist. Im direkten Vergleich schneidet Holz wegen seines geringen Brennwerts schlecht ab: Es entlässt pro Energieeinheit deutlich mehr CO2 als fossile Energieträger. Der Forstwissenschaftler Lutz Fähser spricht sich im Frontal21-Beitrag nicht für Öl als Brennstoff aus. Er widerspricht nur der häufig wiederholten Behauptung, bei der Verbrennung von Holz entstehe weniger CO2. Selbst bei Berücksichtigung des gesamten Energieaufwands durch Produktion und Transport entsteht durch Holzverbrennung fast doppelt so viel Treibhausgas wie bei Gas, wie im Auftrag des Umweltbundesamtes erhobene Daten zeigen. Die angebliche Klimaneutralität beruht auf theoretischen Annahmen.

• Wie nachhaltig ist die deutsche Forstwirtschaft?

  These: Die deutsche Forstwirtschaft ist nachhaltig. Es wird weniger Holz eingeschlagen als nachwächst.
  
  Fakten: In einem perfekten Kreislauf nimmt die nachwachsende Biomasse das CO2 auf, das durch die Verbrennung entsteht, so eine Theorie. Diese lässt den Zeitfaktor außer Acht. Auch wenn das CO2 später wieder im Wald gebunden würde, bliebe eine enorme zeitliche Lücke, welche die Frage aufwirft, ob tatsächlich ein Vorteil fürs Klima entsteht, gerade vor dem Hintergrund unserer kurzfristigen Klimaziele aus dem Paris-Agreement. Fachleute sprechen von der „Kohlenstoffschuld“.
  
  Anstatt Holz für die energetische Nutzung zu entnehmen, könnte man es auch im Wald belassen und damit möglicherweise „einen ebenso großen oder sogar größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten“, schreibt die deutsche Wissenschaftsakademie Leopoldina in einer Stellungnahme. Die Kernfrage: Wie viel CO2 würde der Wald speichern, wenn er nicht geerntet würde? Es fehlt ein tragfähiges Referenzszenario, das beschreibt, wie sich die Wälder ohne Bioenergienutzung entwickeln würden. Klar ist: Der Kohlenstoffbestand im Wald ist durch intensive Forstwirtschaft deutlich geringer als er in einem natürlichen, nicht bewirtschafteten Wald wäre. Wälder könnten also große Mengen an zusätzlichem CO2 aufnehmen, selbst wenn sich die Aufnahme in einigen Jahrzehnten verlangsamen sollte.
  
  Die nachhaltige Forstwirtschaft in Deutschland ist eine gute Idee, die derzeit unter Druck steht. „Wir sehen ein massives Absterben von Bäumen in Monokulturen und damit verbundene Verluste der Senkenfunktion auf den betroffenen Flächen“, sagt er Waldökologe Professor Pierre Ibisch. Weniger Holznutzung und mehr Naturwälder mit humusreicheren Böden sowie weniger Waldwegen und Rückegassen würden die Klimaschutzleistung der Wälder erhöhen. In Deutschland trage die energetische Nutzung von Holz vor allem zur Verschlechterung des Zustandes der Laubwälder bei. Die Nachfrage ist so stark gestiegen, dass Deutschland seit vielen Jahren Holz importiert, auch aus Ländern ohne nachhaltige Forstwirtschaft, in denen sogar Urwälder gerodet werden.

• Was passiert, wenn das Holz im Wald liegen bleibt?

  These: Wenn der Baum stirbt und verrottet, wird ebenfalls CO2 frei.
  
  Fakten: Die im Beitrag von Professor Hermann Spellmann vorgebrachte Argumentation vertritt auch das Bundeslandwirtschaftsministerium: „In einem Wald ohne Nutzung gleichen sich die Emissionen durch Verrottung mit den Einlagerungen von CO2 im Holz langfristig aus.“ In deutschen Wäldern werden nur sehr wenige Bäume wirklich alt. Die meisten könnten noch Hunderte Jahre weiterwachsen und CO2 speichern. Dies würde helfen, unsere kurzfristigen Klimaziele zu erreichen. Doch selbst wenn Bäume irgendwann absterben, erfüllen sie noch wichtige Funktionen: Sogenanntes Totholz speichert Wasser, kühlt den Wald und trägt zu dessen Funktionsfähigkeit bei. Die Zersetzung erfolgt sehr langsam. Studien zeigen, dass Totholz hierbei sogar besser abschneidet als eine stoffliche Nutzung. Im Vergleich zur Verbrennung ist es nicht nur aus Gründen des Artenschutzes und der Lufthygiene die eindeutig bessere Alternative. Die Behauptung, bei der Verrottung entstünde ebenso viel CO2 wie bei der Verbrennung ist falsch, denn ein Teil des Kohlenstoffes trägt zur Humusbildung im Boden bei.

• Ist Brennholz nur eine Abfallprodukt?

  These: Das Brennholz ist nur ein Nebenprodukt. Der Großteil der Hölzer, die energetisch genutzt werden, stammen aus Rest- und Abfallstoffen.
  
  Fakten: Pellets für Heizungen stammen hierzulande überwiegend aus Abfall- und Reststoffen. Das ist klimaneutral, weil diese Abfälle sich ohnehin rasch zersetzen und in die Atmosphäre zurückkehren würden. Das gilt auch für Kraftwerke, die Altholz verbrennen. Die Verbrennung von Rest- und Abfallstoffen macht jedoch nur etwa ein Drittel der energetischen Nutzung aus. Überwiegend landet frisches Holz aus dem Wald in den Öfen. Denn die wichtigsten Verbraucher sind private Haushalte mit ihren Scheitholzöfen und -heizungen. Sie haben 2016 etwa 28 Millionen Kubikmeter Holz verfeuert. Ein Großteil der Laubholzernte landet im Ofen. Dabei brauchen wir dringend mehr alte Laubwälder, sagt der Forstwissenschaftler Lutz Fähser, „für die Artenvielfalt und für die Wertschöpfung“. Denn dicke, alte Stämme bringen mehr ein und gehen nicht zuletzt öfter in eine klimaschonende, stoffliche Nutzung.

• Woher soll das Holz kommen, das wir für den Bau benötigen?

  Die stoffliche Nutzung etwa als Bau- oder Möbelholz wird als für den Klimaschutz sinnvoll angesehen, was im Beitrag deutlich wurde. Professor Pierre Ibisch verweist jedoch auf Studien, die die angenommenen Substitutionseffekte anzweifeln. Viel hänge davon ab, wo und unter welchen Umständen das Bauholz gewonnen werde. Bisher stammt es überwiegend aus Nadelwäldern, die oft plantagenartig und aus Naturschutz-Sicht wenig interessant sind. Mehr Naturwald ließe sich daher gut in heimischen Laubwäldern umsetzen, deren Ernte bisher in großem Umfang verbrannt wird.

• Sind junge Bäume bessere CO2-Speicher?

  These: Die CO2-Bindung von Bäumen ist in den ersten Jahrzehnten am höchsten.
  
  Fakten: Zahlreiche Studien zeigen, dass alte Bäume mehr CO2 speichern als junge. Das ist eigentlich auch logisch, denn Holz wächst an Holz. Und je dicker der Baum wird, desto mehr Holz hat ein Jahresring in der Regel zu bieten. Die Annahme des Rückgangs der Speicherleistung werde häufig von einzelnen Baumarten unzulässigerweise auf alle verallgemeinert, sagt Professor Ibisch. Internationale Studien zeigten, dass in älteren Wäldern der gemäßigten und borealen Klimazone mehr Kohlenstoff gespeichert wird und die Speicherung im Alter nicht zum Erliegen kommt. Gleichzeitig sinke in älteren Wäldern die Anfälligkeit gegenüber dem Klimawandel und damit das Risiko, dass Kohlenstoff im Rahmen von Schadereignissen freigesetzt wird.

• Quellen und weiterführende Links

  Positionspapier von Prof. Pierre Ibisch: Wälder sind Kohlenstoffspeicher - Holzverbrennung ist nicht klimaneutral
  
  Stellungnahme der europäischen Wissenschaftsakademien EASAC: Forest bioenergy, carbon capture and storage, and carbon dioxide removal
  
  WIRED-Übersichtsartikel: Why Old-Growth Trees Are Crucial to Fighting Climate Change
  
  Leopoldina-Stellungnahme: Biomasse im Spannungsfeld z­wischen­Energie-­und­Klimapolitik