Ukraine unter Zeitdruck – kleine Erfolge, große Ungeduld?

Fakten-Box | 14. September 2023

• Militärische Lage

  

  Bei einem Drohnenangriff auf die seit 2014 von Russland annektierte Krim hat es laut Medienberichten nahe der Großstadt Jewpatorija schwere Explosionen gegeben. Getroffen worden sei ein modernes Flugabwehrsystem, teilte die „Ukrajinska Prawda“ unter Berufung auf eine Quelle beim ukrainischen Geheimdienst mit. Das russische Militär hat den Treffer bislang nicht bestätigt, sondern lediglich den Abschuss von elf Drohnen gemeldet. Anwohner hatten in der Nacht auf Donnerstag Explosionen gefilmt. Auf den Bildern und Videos ist aus großer Entfernung eine hohe Feuersäule am dunklen Himmel zu erkennen. Jewpatorija liegt an der Westküste der Krim. Nach Angaben der Pressesprecherin der Heeresstelle „Süd“ in der ukrainischen Armee, Natalja Humenjuk, befinden sich in der Gegend mehrere Militärobjekte.
  
  Darüber hinaus ist russischen Angaben zufolge auch die „Sergej Kotow“, ein Patrouillenboot der Schwarzmeerflotte, von Wasserdrohnen attackiert worden. Dieser Angriff sei abgewehrt, alle fünf für die Attacke genutzten unbemannten Wasserfahrzeuge zerstört worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die Angaben lassen sich zum Teil nicht unabhängig überprüfen.
  
  Erst am Mittwoch hatte die Ukraine mit Marschflugkörpern eine Kriegswerft in Sewastopol angegriffen und dabei neben den Docks auch ein großes Landungsschiff und ein U-Boot getroffen. Experten gehen nach Ansicht der Bilder von einem Totalschaden am Landungsschiff aus. Sewastopol auf der Krim ist der Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte.
  
  Die Krim ist wichtig für den Nachschub der russischen Invasionstruppen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat wiederholt erklärt, Ziel sei es, nicht nur die russisch besetzten Gebiete auf dem Festland, sondern auch die Krim wieder unter ukrainische Kontrolle zu bringen.
  
  Die Ukraine ist nach eigenen Angaben in der Nacht auf Donnerstag erneut von Russland mit rund zwei Dutzend Drohnen iranischer Bauart beschossen worden. Insgesamt sei der Angriff von 22 Schahed-Drohnen in Richtung der Regionen Mykolajiw, Saporischschja, Dnipropetrowsk und Sumy festgestellt worden, erklärte der Generalstab in Kiew. 17 der unbemannten Flugobjekte seien von der Luftverteidigung abgeschossen worden. Angaben zu möglichen Schäden oder Opfern machte die Ukraine nicht.
  
  Moskau greift die Ukraine regelmäßig mit iranischen Schahed-Drohnen an. Seit dem Auslaufen des Abkommens zum Export ukrainischen Getreides im Juli hat Russland zudem seine Angriffe auf die südukrainischen Regionen Odessa und Mykolajiw ausgeweitet – und insbesondere für den Getreideexport wichtige Häfen und Verkehrsknotenpunkte ins Visier genommen.
  
  Im Abwehrkampf gegen die russische Invasion berichtete der ukrainische Generalstab von Fortschritten an lange umkämpften Abschnitten der Front. Südlich der ostukrainischen Stadt Bachmut seien „teilweise Erfolge“ zu verzeichnen. Die russische Armee hatte Bachmut im Gebiet Donezk nach monatelangen Kämpfen im Mai erobert.
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Deutsche Unterstützung

  

  Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Anfang dieser Woche erneut die Ukraine besucht. Es war ihr vierter Besuch seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022.
  
  Baerbock rechnet damit, dass Russland auch in diesem Herbst und Winter verstärkt die ukrainische Energie-Infrastruktur bombardieren wird. „Russlands perfides Ziel ist es wieder, die Menschen in der Ukraine im Winter auszuhungern und erfrieren zu lassen“, sagte sie in Kiew. Baerbock versicherte, dass Deutschland die Menschen in der Ukraine nicht allein lassen und ihnen helfen werde. Aus diesen Gründen wird die Bundesregierung ihre humanitäre Soforthilfe um weitere 20 Millionen auf 380 Millionen Euro in diesem Jahr aufstocken.
  
  Kiew hofft vor allem auf eine zeitnahe Lieferung der deutschen Marschflugkörper vom Typ Taurus. Baerbock bat ihren ukrainischen Amtskollegen, Dmytro Kuleba, diesbezüglich um etwas Geduld. Bei den Marschflugkörpern sei es „wichtig, dass wir alle Details klären, bevor wir Dinge final versprechen“. Sie ergänzte im ZDF-“heute journal“: „Da sind wir mit Hochdruck dran.“
  
  Kuleba reagierte enttäuscht auf Deutschlands zögerliche Haltung. Soldaten und Zivilisten seien wegen des Abwartens der Bundesregierung getötet worden. „Es gibt kein einziges objektives Argument, das dagegenspricht“, betonte Kuleba. Er verstehe nicht, „warum wir Zeit verschwenden“.
  
  Die Bundesregierung hat unter anderem die Befürchtung, dass die weit reichenden Lenkwaffen für Angriffe gegen Ziele auf russischem Territorium genutzt werden könnten. Doch auch innerhalb der Regierungsfraktionen gibt es Kritik an der deutschen Zurückhaltung. Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, spricht von einem immer wiederkehrenden Ritual: „Die Waffensysteme werden monatelang gefordert, der Kanzler zögert und blockiert. Und wenn dann geliefert wird, geschieht es Monate zu spät“, kritisierte Hofreiter.
  
  Hofreiter, der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz und die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), haben in einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für eine schnelle Lieferung der Taurus-Waffen plädiert. Sie verweisen auf Gespräche mit Vertretern der ukrainischen Regierung, dass das weit reichende Waffensystem „ausschließlich auf dem Territorium der Ukraine eingesetzt wird“, berichtet der SPIEGEL am Donnerstag.
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Putin trifft Kim Jong Un

  

  Bei seinem vielbeachteten Besuch in Russland hat Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un Moskau die uneingeschränkte Unterstützung seines Landes zugesichert. Nordkorea werde „immer an der Seite Russlands stehen“, sagte Kim am Mittwoch bei seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Kreml-Chef seinerseits kündigte eine verstärkte Zusammenarbeit beider Länder an – und zog dabei auch „Möglichkeiten“ einer militärischen Zusammenarbeit in Betracht.
  
  Seit Beginn seiner Invasion in der Ukraine im Februar vergangenen Jahres ist Russland vom Westen zunehmend geächtet. Moskau bemüht sich seitdem verstärkt um den Schulterschluss mit anderen international isolierten Ländern wie Nordkorea.
  
  Putin und Kim trafen sich auf dem Weltraumbahnhof Wostotschny im Fernen Osten Russlands. Die Ortswahl galt angesichts Nordkoreas gescheiterter Versuche zum Start eines eigenen Spionagesatelliten ins All als symbolträchtig. Offiziellen Angaben zufolge wurde Kim von hochrangigen Militärvertretern begleitet, darunter für Waffenproduktion und Raumfahrttechnologie verantwortliche Militärs. Die russische Seite war unter anderen durch Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu vertreten.
  
  Bei einem anschließenden Abendessen würdigte Putin historische Verbindungen zwischen beiden Staaten mit einem „Toast auf die künftige Stärkung der Zusammenarbeit und der Freundschaft zwischen unseren Ländern“. Kim seinerseits pries die in der Ukraine kämpfenden russischen Truppen. Er sei überzeugt, dass das „heldenhafte russische Volk und seine Armee glorreiche Erben der Tradition des Sieges“ seien und sich „an den Fronten der militärischen Spezialoperation“ auszeichneten.
  
  Nach Einschätzungen aus Washington könnten die in Wostotschny geführten Gespräche zu Waffenlieferungen Nordkoreas an Russland führen. Russland habe es auf Nordkoreas Artilleriegeschosse abgesehen, sagte An Chan-il, Direktor des Internationalen Instituts für Nordkorea-Studien. Sollten nordkoreanische Mehrfachraketenwerfer und andere Artilleriegeschosse in großen Mengen an Russland geliefert werden, könnte dies nach seiner Einschätzung „einen erheblichen Einfluss auf den Krieg in der Ukraine haben“.
  
  Zur militärischen Zusammenarbeit mit Nordkorea sagte Putin nach dem Gespräch mit Kim, es gebe zwar aufgrund internationaler Sanktionen „gewisse Einschränkungen“, doch „im Rahmen der bestehenden Regeln“ gebe es durchaus „Möglichkeiten, die wir zur Kenntnis nehmen und über die wir diskutieren.“
  
  Russland könnte Nordkorea im Gegenzug für militärische Hilfe dringend benötigte Lebensmittel liefern. Die Versorgungslage in dem international weitgehend isolierten Land gilt seit Jahren als prekär.
  
  UN-Generalsekretär António Guterres rief nach dem Treffen dazu auf, die gegen Nordkorea verhängten Sanktionen zu beachten. „Jede Form der Zusammenarbeit eines Landes mit Nordkorea muss das vom Sicherheitsrat verhängte Sanktionsregime respektieren“, sagte Guterres.
  
  Die Londoner „Financial Times“ bewertet das Treffen als Zeichen der Schwäche Putins. „Dass er nun den roten Teppich für Nordkoreas Diktator Kim Jong Un ausrollt, ist ein Zeichen dafür, wie weit er sein Land in die Isolation getrieben hat. Und zweifellos auch dafür, dass es seine Waffenvorräte für den katastrophalen Krieg in der Ukraine aufstocken muss.“
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: AP

• Dschidda

  

  Mögliche Schritte zur Beendigung des Ukrainekriegs sind vor einem Monat im saudi-arabischen Dschidda beraten worden. Mehr als 40 Staaten hatten Vertreter entsandt, um eine Formel zu finden, auf die sich die verschiedenen existierenden Vorschläge für einen Friedensplan angleichen ließen. Russland war nicht eingeladen.
  
  Für die Beratungen hatte Gastgeber Saudi-Arabien einen weiteren Friedensplan vorgelegt. Teil des Plans sei die Unversehrtheit der Ukraine, eine Waffenruhe an allen Fronten, die Aufnahme von Friedensgesprächen unter UN-Aufsicht sowie der Austausch von Gefangenen.
  
  Auch der Zehn-Punkte-Plan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vom November 2022 wurde besprochen. Kern von Selenskyjs „Friedensformel“ ist die Forderung nach einem Abzug russischer Truppen aus dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine. Friedensgespräche unter UN-Aufsicht sind darin nicht explizit enthalten, dafür aber etwa die Unterzeichnung eines Dokuments, mit dem das Kriegsende bestätigt wird, ein Tribunal gegen russische Kriegsverbrecher und Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
  
  Nach der Konferenz hatte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verhalten optimistisch geäußert: „Jeder Millimeter Fortschritt in Richtung eines gerechten und fairen Friedens bringt ein Stück Hoffnung für die Menschen in der Ukraine.“ Baerbock erklärte, das Signal von Dschidda sei, dass dieser Krieg „auch die Menschen in Afrika, in Asien und in Südamerika betrifft“. Der Krieg habe Auswirkungen deutlich über Europa hinaus - „von der Zukunft der internationalen Ordnung über Fragen der Energiesicherheit bis hin zu steigenden Getreidepreisen und der durch Russland so rücksichtslos verschlechterten weltweiten Nahrungsmittelversorgung“, betonte die Außenministerin.
  
  Die Hoffnung war in Dschidda auch, durch die Teilnahme von Staaten aus dem sogenannten globalen Süden noch mehr Unterstützung für die Ukraine zu gewinnen. Einige von ihnen hatten bisher keine klare Position zum Krieg. Nachdem Russland im Juli das Getreideabkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide aufkündigte, spüren viele von ihnen die Auswirkungen durch gestiegene Getreidepreise besonders stark.
  
  Die Beratungen gingen ohne Abschlusserklärung zu Ende. Diplomaten berichteten, es herrsche Einigkeit über zentrale Punkte einer Friedenslösung wie die „territoriale Integrität und Souveränität“ der Ukraine. Zu den Teilnehmerstaaten gehörten neben anderen die USA und Deutschland, aber auch Schwellenländer wie China, Indien und Südafrika sowie Entwicklungsländer. Vor allem die Teilnahme Chinas – einem der wichtigsten Partner Russlands – werteten Diplomaten nach dem Treffen als Erfolg. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, schimpfte in Moskau, solche Gespräche ohne Beteiligung Russlands seien „absurd, Nonsens“.
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: dpa

• G20 enttäuschen Kiew

  

  Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich auf ihrem Gipfeltreffen in Neu Delhi am vergangenen Wochenende mit Mühe auf eine Abschlusserklärung geeinigt, ohne direkte Kritik an Russland. Der sichtbarste Erfolg des indischen Premierministers und Gastgebers Narendra Modi war die Aufnahme der Afrikanischen Union (AU) als vollwertiges Mitglied der G20. Die AU vertritt die Interessen von rund 1,4 Milliarden Menschen.
  
  Anders als im Vorjahr beim G20-Gipfel auf Bali wird der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nun nicht mehr ausdrücklich verurteilt. Fast wäre das Gipfeltreffen am Streit über den Umgang mit dem Krieg gescheitert. Das Ergebnis ist ein sogenannter „Formelkompromiss“ – also eine Einigung, bei der der Streit ungelöst bleibt und jeder behaupten kann, sich durchgesetzt zu haben. Es wird nur noch auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen verwiesen sowie allgemein auf die Integrität von Staaten. Dieser Formulierung konnten sich sowohl der Westen als auch Russland und China anschließen.
  
  Aus westlicher Sicht kommt darin eine Verurteilung der russischen Invasion zum Ausdruck. Moskau kann mit der Formulierung leben, weil es die ukrainische Halbinsel Krim und die besetzten Gebiete in der Ostukraine als sein Staatsgebiet betrachtet. Und China kann damit seinen Anspruch auf Taiwan begründen, das es als Teil der Volksrepublik ansieht.
  
  Kremlchef Wladimir Putin war nicht nach Neu Delhi gereist, er hatte stattdessen seinen Außenminister Sergej Lawrow zum Gipfeltreffen geschickt. Moskau war es gelungen, dass die Abschlusserklärung auch auf russische Forderungen nach Lockerung der westlichen Sanktionen eingeht. Im Text heißt es: Man rufe dazu auf, die „unverzügliche und ungehinderte Lieferung von Getreide, Lebensmitteln und Düngemitteln von der Russischen Föderation und der Ukraine“ zu gewährleisten. Das sei notwendig, um den weltweiten Bedarf vor allem in Afrika zu bedienen.
  
  Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war von Gastgeber Indien nicht zum Gipfel eingeladen worden. Kiew kritisierte die Abschlusserklärung. „Die G20 hat nichts, worauf sie stolz sein kann“, schrieb der Sprecher des Außenministeriums, Oleh Nikolenko, auf X. Die G20-Staaten hätten den Krieg eindeutig verurteilen und Moskau auffordern müssen, die Invasion sofort zu beenden.
  
  Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lobte dagegen die Ergebnisse des G20-Gipfels. Es sei eine Verständigung unter 20 Staaten gelungen. Die Alternative wäre gar keine Entschließung gewesen.
  
  Indiens Regierungschef Modi hatte sehr um eine Einigung auf dem Gipfel gerungen. Sein Land unterhält umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Gemeinsam mit China, Südafrika und Brasilien bilden die fünf Staaten einen Interessenbund namens BRICS. Er gilt vielen als geopolitisches Gegengewicht zum Westen.
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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