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Eine radikal neue Getriebegattung

Produktivitätssprünge für den Maschinenbau

Bei vielen Maschinen und Anlagen ginge nichts ohne Getriebe. Die mechanischen Bauteile aus Zahnrädern wandeln Drehmomente und sorgen so für die richtigen Kräfte und Bewegungen.

Videolänge:
4 min
Datum:
28.11.2018

Trotz der enormen Bedeutung von Getrieben gab es Verbesserungen daran bislang nur in kleinen Schritten. Wie lassen sich ihre Potenziale bei Effizienz und Leistungsfähigkeit bestmöglich ausschöpfen?

Diese Frage haben Dipl.-Ing. (FH) Thomas Bayer und Dr.-Ing. E. h. Manfred Wittenstein und mit einem technischen Paukenschlag beantwortet. Die beiden Ingenieure gaben sich nicht mit bescheidenen Korrekturen zufrieden. Statt an Feinheiten der Getriebemechanik zu feilen, packten sie die Herausforderung an der Wurzel: Die nominierten Innovatoren ersannen eine vollkommen neue Gattung von Zahngetrieben, die sich radikal von den herkömmlichen Varianten unterscheidet. Dadurch erreichten sie eine deutliche Steigerung aller Leistungsmerkmale, teils um ein Vielfaches – bei einem wesentlich geringeren Bedarf an Energie und Material. Thomas Bayer leitet das Innovation Lab des Unternehmens, Manfred Wittenstein ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Wittenstein SE, im baden-württembergischen Igersheim.

Ob in Werkzeugmaschinen, Fräsköpfen oder Schweißrobotern: Getriebe stecken in vielen technischen Geräten. Sie sind das Herz der Maschinen. Etliche Fertigungsschritte in der industriellen Produktion sind ohne sie undenkbar. Die Folge: Wegen ihrer weiten Verbreitung wirken sich technische Fortschritte an Zahnradgetrieben direkt und weltweit auf Produktionskosten und Energieverbrauch aus. Doch bislang verlief die Weiterentwicklung von Getrieben in kleinen Schritten, durch Änderungen einzelner technischer Parameter. Dabei lässt sich noch vieles verbessern. So kranken alle herkömmlichen Zahnradgetriebearten an einem grundlegenden Problem: Stets greift nur ein kleiner Teil der Zähne ineinander, während die anderen pausieren. Zudem stehen die tragenden Zähne nur punktweise oder entlang einer Linie miteinander in Kontakt. Der Großteil ihrer Oberfläche hängt buchstäblich in der Luft. Das begrenzt die Produktivität von Maschinen, Robotern und Produktionsanlagen.

An diesem Schwachpunkt setzten die Nominierten an. Sie entwickelten ein von Grund auf neues Getriebekonzept, mit dem das bisherige Manko auf einen Schlag beseitigt wird. Das Prinzip der innovativen „Galaxie“-Getriebe ruht auf mehreren Säulen. So übertragen nicht mehr starre Zahnräder die Kräfte und Drehmomente, sondern einzelne Zähne, die unabhängig voneinander beweglich sind. Statt gegeneinander zu rotieren, gleiten sie auf und ab – gegen einen abschnittsweise geteilten Außenring. Außerdem greift zu jeder Zeit eine sehr große Zahl an Zähnen ineinander, deren Kontakt über ihre gesamte Fläche verläuft. Dafür sorgt die Gestaltung der Zähne als logarithmische Spirale: eine mathematische Form, die auch in der Natur anzutreffen ist. Sie findet sich dort, wo eine hohe Effizienz beim Energie- oder Materialaufwand gefragt ist – etwa in Schneckenhäusern, bei den Samen von Sonnenblumen und in Spiralgalaxien. Die standen auch Pate für den Namen der neuen Getriebegattung. Technisch zeichnen sich die Getriebe durch ein hohe Effizienz und eine um bis zu 40 Prozent verbesserte Produktivität aus. Sie lassen sich viel kompakter bauen als herkömmliche Zahnradgetriebe, die sie auch bei der Präzision ausstechen, und haben exzellente Leistungswerte: Beim maximalen Drehmoment und bei der Steifigkeit übertreffen sie bisherige Getriebearten um mehrere Hundert Prozent. Zugleich benötigen die neuartigen Getriebe weniger Energie und haben einen markant höheren Wirkungsgrad.

Mit ihrem revolutionären Konzept nahmen die Nominierten technische Hürden, die viele Experten für unüberwindbar gehalten hatten. Sie beschritten neue Wege – und hatten damit Erfolg. Ihnen gelang die erste umwälzende Neuerung in der Getriebetechnik seit Jahrzehnten. Die Technik, die ausschließlich bei dem mittelständischen Unternehmen in Nordwürttemberg entwickelt wurde, ist inzwischen serienreif und erfolgreich bei ersten Kunden im Einsatz. Dabei geht es zunächst um Anwendungen im Maschinenbau. Dort helfen die innovativen Getriebe beim Bearbeiten von Metall oder Holz oder beim Laminieren von Kohlefasern für Flugzeuge. Künftig könnten sie auch in Windkraftanlagen, Exoskeletten und Servicerobotern Verwendung finden – oder als Antrieb für Elektroautos. Der Bedarf an hochwertigen Präzisionsgetrieben liegt weltweit bei rund 10 Millionen Einheiten pro Jahr. Künftig sollen kleine und kostengünstige Getriebe aus Kunststoff das Angebot ergänzen. Sie eignen sich etwa für Sitzversteller und elektrische Feststellbremsen in Fahrzeugen. Der jährliche Bedarf dafür wird mit über 500 Millionen Getrieben beziffert.

Die Firma Wittenstein hält rund 120 Patente auf das neuartige Antriebssystem. Sie fährt derzeit die Serienfertigung hoch und arbeitet an verbesserten Produktionsverfahren. Für Weiterentwicklung und Vermarktung der Getriebe hat das Unternehmen ein Start-up gegründet. Die wirtschaftlichen Perspektiven sind ausgezeichnet: Bei Wittenstein rechnet man mit einer jährlichen Verdopplung der Umsatzzahlen. Das gesamte Marktpotenzial wird auf rund 280 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.

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