Heilende Energieströme, Medikation ohne Wirkstoff oder Hand auflegen: Alternative Heilmethoden sind im Trend. Wissenschaftlich sind die Wirkungen oft fragwürdig, doch der Glaube an die Heilkraft ist stark verbreitet. Können wir uns wirklich gesund denken?
Ist das vordere Kreuzband gerissen, raten Ärzte meistens zu einer Operation. Bis zur vollständigen Heilung dauert es oft mehrere Jahre. Auf der Suche nach einer Alternative kann man im Netz den Physiotherapeuten Mohamed Khalifa finden. Manche nennen ihn einen „Wunderheiler“. Er behauptet, Kreuzbandrisse mit bloßen Händen heilen zu können. Mit nur einer Behandlung, einer Druckmassage, will er das Kreuzband anregen, zusammenzuwachsen. Khalifa ist überzeugt, dass der Körper nach seiner Behandlung selbst in der Lage ist, das Kreuzband zu heilen. Der Axolotl, ein Salamander aus Mexiko, ist für Khalifa der Beleg dafür, was Selbstheilungskräfte in der Natur leisten. Der Axolotl kann Gliedmaßen komplett nachwachsen lassen, und Khalifa geht davon aus, dass dieses Potenzial auch im Menschen steckt. Ein Forscherteam hat das Erbgut des Tieres entschlüsselt. Ihre Grundlagenforschung zeigt: Die Regenerationsfähigkeit beim Axolotl wird gesteuert von PAX 7 – einem Gen, das beim Menschen vollkommen andere Aufgaben hat. In dieser Hinsicht haben Axolotl und Mensch nichts gemein. Wissenschaftler haben bereits in zwei Studien Khalifa-Patienten im MRT untersucht. Doch es bleiben viele Fragen offen. In den Studien wurden nur sehr wenige und ausgewählte Patienten untersucht. Sie liefern keinen wissenschaftlich gesicherten Nachweis, dass die Druckmassagen-Therapie generell wirkt.
Britische Homöopathen haben die Berliner Mauer zu einem Mittel verarbeitet, das psychische Blockaden lösen soll. Sie setzen es gegen Depressionen ein. In der Homöopathie wird Gleiches mit Gleichem behandelt. Fühlt sich jemand isoliert und schottet sich ab, braucht er also ein Mittel, das seinerseits für Isolation und Abschottung steht: Globuli, Tabletten und Tropfen, versetzt mit dem Staub der Berliner Mauer. Nachweisbar sind die Betonmoleküle im Präparat allerdings kaum. Denn in der Homöopathie, so die Theorie, steigert die Verdünnung eines Stoffes dessen Wirksamkeit. Der Zusammenhang zwischen dem Heilmittel und der Krankheit existiert also im übertragenen Sinn. Die Mauer, die politisch für Isolation und Abschottung stand, soll als Pulver ihre Symbolkraft auf das Mittel übertragen. Die vermeintliche Heilkraft beruht auf nichts weiter als auf einer Idee. Patienten mit reiner Symbolik zu behandeln, kommt allerdings nicht nur in der Homöopathie vor. Auch mancher Hausarzt macht sich die Kraft der Symbolik zunutze. Laut einer Studie verschreiben 65 Prozent der Hausärzte ab und zu harmlose Mittel, die nichts mit den Symptomen zu tun haben. Die Patienten sind zufrieden – und die Ärzte haben mehr Zeit für schwere Fälle.
Für Menschen, die an Homöopathie glauben, gelten Heilerfolge bei Tieren als Beweis dafür, dass Homöopathie wirkt. Schließlich erwarten Tiere nichts von Globuli – auf Einbildung kann ihre Genesung also nicht beruhen. In einer Studie testen Forscher ein Beruhigungsmittel gegen „Böller-Alarm". Helfen sollen beruhigende Globuli. 75 Hunde nehmen an der Studie teil. Die homöopathischen Kügelchen bekommen aber nur 35 der Tiere. Die anderen erhalten nur ein Placebo. Die Hundehalter wissen nicht, ob sie ihrem Hund Globuli verabreichen oder Zuckerkügelchen. Das Ergebnis: 65 Prozent der Hunde mit Placebo-Kügelchen geht es besser. Bei der Gruppe mit homöopathischem Präparat sind es 71 Prozent. Für die Forscher haben damit die Globuli keinen therapeutischen Effekt. Doch was hat die Angst der Hunde beseitigt? Als Rudeltiere beobachten Hunde das Verhalten ihrer Halter und passen ihr eigenes Verhalten entsprechend an. Strahlt die Bezugsperson Zuversicht aus, überträgt sich diese positive Erwartung auf den Hund. „Placebo by Proxy“ nennen Forscher den Effekt: Er wirkt nicht beim Hund, sondern beim Halter. So können Globuli dem Hund tatsächlich helfen.
Amerikanische Forscher untersuchen den Placebo-Effekt im MRT. Der Arm eines Probanden wurde mit einer Schmerzsalbe eingerieben, die ihn angeblich vor der Hitze schützen soll – doch es ist nur ein Placebo. Das MRT zeigt, was im Gehirn passiert, wenn der Schmerzimpuls dort ankommt: Im limbischen System wird der Impuls emotional bewertet. Normalerweise wird er als unangenehm wahrgenommen, der Reiz wird als Schmerz empfunden. Mit der Placebo-Salbe ändert sich etwas. Ein gelerntes Programm startet: „Schmerzmittel bedeuten Linderung.“ Die Folge: Das Gehirn schüttet Stoffe aus, die wie Opioide wirken. Die Selbstheilung wird aktiviert.
Die Spitze im Radsport ist hart umkämpft. Ein neues Aufputschmittel verspricht Topleistung – und kommt durch jede Dopingkontrolle. Die Profis testen das Mittel: Ohne Doping sind die Radrennfahrer beim zweiten Rennen normalerweise langsamer als beim ersten. Doch mit der „Droge“ verbessern sieben der 12 Profis ihr Ergebnis. Einer knackt sogar seinen eigenen Bahnrekord. Was die Sportler nicht wissen: Sie erhielten keinen Wirkstoff. Sie bekamen Placebos, Zuckerpillen. Die Wissenschaftler erforschen kein neues leistungsförderndes Mittel, sondern den Placebo-Effekt. Wieso sind manche Leistungen dennoch besser? Placebo wirkt bei den Radfahrern wie „mentales Doping“. Forscher fanden heraus, dass Placebos sogar chemische Effekte im Körper auslösen und somit nicht nur „Einbildung“ sind.
Forscher wollen herausfinden, welche Faktoren neben der Operation den Heilungsprozess beeinflussen. 124 Patienten, die eine Herzoperation vor sich haben, machen bei der freiwilligen Studie mit. Medizinisch werden alle gleich behandelt: Sie werden untersucht und aufgeklärt. Mit Probanden einer Gruppe führt ein Psychologe zusätzlich ein anteilnehmendes Gespräch. In einer weiteren Gruppe werden die Patienten zudem positiv auf das Leben nach der OP eingestimmt. Für alle Probanden verläuft die Operation identisch. Doch nach sechs Monaten zeigt sich: Patienten, die mit dem Psychologen gesprochen hatten, haben geringere Entzündungswerte im Blut als die Patienten, die nur aufgeklärt wurden. Und die Probanden, die sich ihr Leben nach der OP vorgestellt hatten, fühlen sich fitter als alle anderen. Nur wenige Ärzte nutzen bislang das Potenzial, das in der Zuwendung zu Patienten steckt. Freundlicher Zuspruch lässt eine positive Erwartung entstehen. Forscher vermuteten, dass nicht nur Gespräche zwischen Arzt und Patient zur Heilung beitrugen. Sie untersuchten, welchen Effekt etwa der Augenkontakt hat oder eine fürsorgliche Berührung. Sie fanden heraus, dass unser Gehirn ständig eingehende Botschaften mit gespeicherten abgleicht: Wer ist Freund – wer Feind? Wird etwa eine Berührung als angenehm empfunden, schüttet das Gehirn das Hormon Oxytocin aus. Ein erhöhter Oxytocinspiegel lässt Vertrauen wachsen. Vertrauen, das sich positiv auf den Heilungsprozess auswirkt.
Wenn wir uns verletzen, aktiviert der Körper normalerweise sofort den Wundheilungsprozess. Doch diese Selbstheilungskräfte sind nicht immer intakt. Am Neurozentrum der Uniklinik Bonn unterstützt Physiotherapeutin Barbara Jahnke Patienten nach einer Operation oder während einer längeren Erkrankung. Sie wendet dabei eine japanische Heilmethode an: Jin Shin Jyutsu. Wie können die leichten Berührungen den Patienten helfen? Forscher sind einem Zusammenhang zwischen Gehirn, Nervensystem und Immunsystem auf der Spur. Sie fanden heraus, dass psychischer Druck und Stress sich auf das Immunsystem des Körpers auswirken – und die Heilung erschweren können. Erste Einzelfallstudien legen nahe, dass ritualisierte Entspannungsübungen wie das Jin Shin Jyutsu die Psyche stabilisieren und Entzündungen hemmen können. Entzündungsstoffe im Urin hatten sich gesenkt. Noch fehlen aber größere Studien, die nachweisen, wie stark die Psyche das Immunsystem beeinflusst.
Lebensrettende Organe sind Mangelware. Gibt es Wege aus dem Organspende-Dilemma? Harald Lesch schaut in die Labore der Welt - und in den Schweinestall.
Der Atomausstieg ist überfällig. Sind wir vorbereitet? Wie können wir Wärme und Energie in Zukunft sichern? Der Ausstieg allerdings schafft auch Raum für Zukunftstechnologien.
Wir stehen am Anfang der größten Aussterbewelle seit dem Ende der Dinosaurier. Aber welche Auswirkungen hat das Verschwinden von Arten überhaupt auf unseren Alltag?
Die Natur ist ein erfahrener Baumeister – da lohnt es sich doch, was abzuschauen. Der Blick in die Natur soll Lösungen finden, die beiden nutzen: Mensch UND Natur!
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Die letzten zwei Jahre waren ein ungewolltes Sozial-Experiment. Die Erfahrung gibt der Forschung unerwartete Impulse. Neue Ideen für eine mögliche Zukunft.
Die Pandemie hat uns Vorsicht gelehrt. Gleichzeitig erhielt die Forschung einen Schub. Von den Erkenntnissen dieser Zeit profitieren wir jetzt – und für die Zukunft.
Cannabis soll in Deutschland nach 100 Jahren wieder legal werden. Die neue Bundesregierung will damit dem Schwarzmarkt endgültig den illegalen Boden entziehen. Eine gute Idee?
Streicheln, Tasten, Anfassen: Der sensorische Sinn wurde in der Forschung lange unterschätzt. Dabei ist er Voraussetzung für den Zusammenhalt in der sozialen Gemeinschaft.
Das Universum expandiert beschleunigt. So weit, so gut. Aber wie schnell ist diese Beschleunigung, die sogenannte "Hubble-Konstante" eigentlich wirklich?
Klimaneutrale Mobilität könnte so einfach sein: CO2 aus der Atmosphäre und ein bisschen Wasserstoff mischen, das Ganze in ein stinknormales Auto tanken, fertig. Geht das?
Das Wissenschaftsmagazin präsentiert von Professor Harald Lesch.
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