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Burnout

Hysterie oder Epidemie?

Mann sitzt gebeugt am  Arbeitsplatz

Wie eine Epidemie scheint das Phänomen Burnout um sich zu greifen. Millionen Deutsche fühlen sich leer, erschöpft und ausgebrannt. Modeerscheinung oder ernste Gefahr?

Datum:
23.02.2016
Verfügbarkeit:
Video leider nicht mehr verfügbar

Neun Millionen Menschen sollen allein in Deutschland von Burnout betroffen sein. Damit wäre das Syndrom die Volkskrankheit Nummer eins. Dabei ist Burnout gar keine Krankheit. Im Diagnoseklassifikationskatalog der Weltgesundheitsorganisation WHO wird Burnout nicht als eigenständige Krankheit aufgeführt. Ist Burnout also nur eine Modeerscheinung?

Etwa 30 Prozent der Deutschen geben an, unter Antriebslosigkeit, Mutlosigkeit und dem Gefühl innerer Leere zu leiden. Die Ursache sehen viele im zunehmenden Stress am Arbeitsplatz. Doch stimmt das wirklich? Harald Lesch geht in „Leschs Kosmos“ den Ursachen der Volkskrankheit auf den Grund.

Arbeit als Ursache?

Als Grund nennen Betroffene von Burnout fast alle Stress am Arbeitsplatz. Arbeit ist das Lebenselixier des modernen Menschen. Wir definieren uns über unseren Beruf und unsere Arbeit. Und die soll uns heute krank machen? Dabei arbeiten wir Deutschen heute so wenig wie nie zuvor. Zu Beginn der Industrialisierung, Mitte des 19. Jahrhunderts, war 16-Stunden-Akkordarbeit in den Fabriken die Regel. Durch den technischen Fortschritt, den die Industrialisierung mit sich brachte, schien sich die Welt plötzlich schneller zu drehen. Gleichzeitig gestaltete die elektrische Revolution das Leben angenehmer. Scheinbar. Denn schon zu jener Zeit klagten die Patienten des New Yorker Mediziners George Miller Beard vermehrt über ein rätselhaftes Unwohlsein. Beard machte dafür die Reizüberflutung der modernen Welt verantwortlich. Die neuartige Krankheit nannte er Neurasthenie. Zu Deutsch: Nervenschwäche. Tatsächlich war Neurasthenie Anfang des 20. Jahrhunderts die häufigste Krankheitsdiagnose in Europa.

Anfang der 1970er-Jahre ist es der amerikanische Psychologe Herbert Freudenberger, der den Begriff Burnout in die Welt setzt. Er beschreibt damit seine eigene körperliche und geistige Erschöpfung durch Arbeitsüberlastung. Seither ist das Syndrom untrennbar mit den Anforderungen im beruflichen Alltag verbunden. Populär wurde Burnout allerdings erst in den vergangenen 15 Jahren. Dabei hätte es eigentlich die früheren Generationen verstärkt treffen müssen. In den 70er-Jahren arbeitete der Durchschnittsdeutsche pro Woche drei Stunden mehr bei gleichzeitig deutlich weniger Urlaub. Weniger Arbeit und trotzdem krank? Der Vergleich hinkt. Die globalisierte Arbeitswelt fordert auf neue Weise: Immer mehr Aufgaben sind in immer kürzerer Zeit zu erledigen. Die digitale Revolution treibt das Tempo des Wandels weiter an – und steigert damit auch das Burnout-Risiko.

Wer ist gefährdet?

In der Steinzeit hing das Überleben der gesamten Sippe vom Jagderfolg ab. Für den Jäger bedeutete ein Beutezug höchste Anspannung. Der Mensch verfügt über ein ausgeklügeltes Stresssystem, das ihm seit jeher das Überleben sichert. Botenstoffe im Gehirn setzen in Stresssituationen, wie beispielsweise bei unseren Vorfahren bei der Jagd, eine Kaskade in Gang: Sie veranlassen die Ausschüttung der Stresshormone Cortisol sowie Adrenalin und Noradrenalin. Gleichzeitig schaltet das vegetative Nervensystem nicht benötigte Körperfunktionen aus. Der Kreislauf wird so angeregt, das Herz schlägt schneller, die Lunge ist aktiver. Der Körper stellt zusätzliche Energiereserven bereit. Nun ist der Körper bereit, die Stresssituation zu meistern. Was einst dem Menschen das Überleben sicherte, funktioniert heute bei manchen nicht mehr. Das Stresssystem scheint bei Burnout-Opfern aus dem Ruder zu laufen.

Es sind aber längst nicht alle Menschen einer Gesellschaft Burnout-gefährdet. Man muss eine Veranlagung dazu haben. Psychologen unterscheiden bei der Analyse vier Typen. Der Erfolgstyp arbeitet zwar viel, ist aber in der Lage, einen Ausgleich zwischen An- und Entspannung zu schaffen. Sein Risiko auszubrennen ist gering. Genauso wie beim so genannten „Untererregungstyp“. Er hat keine Karriereambitionen und ist daher auch nicht stressanfällig. Burnout-gefährdet ist dagegen der „Übererregungstyp“. Er ist ehrgeizig, ein echter Kämpfer mit hohem Beschäftigungsdrang. Sowohl bei der Arbeit, als auch in der Freizeit. Genauso gefährdet sind Menschen, die Angst haben, die Kontrolle zu verlieren. Das Risiko auszubrennen, ist also auch eine Typ-Frage.

Heilungsmethoden

Stress, der kurzfristig anregt, ist positiv und fördert sogar langfristig unsere Gesundheit. Wer sich ihm aussetzt, schläft besser, ist ausgeglichener und bleibt auch im Alter vitaler. Das Hormonsystem wird nach kurzer Anspannungsphase wieder heruntergefahren, und man kommt zur Ruhe. Bei Dauerstress aber bleibt die Entspannung, das „Gefahr vorbei, alles klar!“-Signal, im Körper aus. Aber es gibt Möglichkeiten, sich zu helfen. Die Erschöpfungsdepression ist heilbar. Ein Weg führt über spezifische Antidepressiva, sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Sie sorgen dafür, dass die Konzentration des Botenstoffs Serotonin im Gehirn höher bleibt. Damit heben sie die Stimmung. Im Schlaflabor können Ärzte ermitteln, ob diese Antidepressiva tatsächlich nötig sind. Der Grad der Depression ist dabei entscheidend. Und der zeigt sich in der Zahl der REM-Phasen. Wissenschaftler vermuten, dass während des REM-Schlafs besonders viele Botenstoffe ausgeschüttet werden, die dem Stimmungsaufheller Serotonin entgegenwirken. Je mehr REM-Phasen ein Patient durchläuft, umso schwerer ist daher die Depression.

Nur bei starken Depressionen sind Medikamente sinnvoll. In weniger starken Fällen lassen sich die Pillen mit ihren teils gravierenden Nebenwirkungen in den meisten Fällen ersetzen: durch eine Psychotherapie und die Umstellung der Lebensgewohnheiten. Studien haben ergeben, dass Mineralstoffe, Vitamine und Aminosäuren sowie Omega-3-Fettsäuren die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin ankurbeln. Diese Stoffe heben nicht nur die Stimmung, sondern begünstigen auch die Neuverschaltung der Nervenzellen im Gehirn. Das verbessert das Konzentrations- und Erinnerungsvermögen. Und so banal es klingt, auch viel Bewegung hilft. Schon moderate Aktivität erhöht die Produktion des stimmungsaufhellenden Botenstoffs Dopamin, der auch Marathonläufern Glücksgefühle vermittelt. Gleichzeitig geben diese regelmäßigen Pausen vom Arbeitsstress dem Hormonsystem die Chance, den Körper wieder in den Normalmodus zu versetzen. Wenn ein Betroffener die neuen Gewohnheiten dauerhaft beibehält, wird ihm – trotz typbedingter Anfälligkeit – Stress künftig nicht mehr so viel anhaben können.

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